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Das fliegende Klassenzimmer
DE | 2023 | 89 Min. | FSK: 0
Bewertung der Redaktion:
Kirchberg statt Kreuzberg: So macht Schule Spaß
Erich Kästners Romanerfolg „Das fliegende Klassenzimmer“ von 1933 in einer neuen Verfilmung, die klassische Geschlechterrollen mal eben auf den Kopf stellt.
Als Erich Kästner 1933 seinen Kinderroman veröffentlichte, war daran nicht zu denken. Mädchen und Jungen wurden getrennt unterrichtet. Das Personal des Buchs ist männlich. Der gemeinsame Schulbesuch beider Geschlechter setzte sich erst in der Bundesrepublik durch.
Trotz mancher Modernisierung folgt die Story des Films in ihrem Grundmuster der Buchvorlage. Martina ist eine begabte Schülerin, lebt aber in Berlin in bescheidenen Verhältnissen. Als sie eine Einladung an das Johann-Sigismund-Gymnasium im Alpenstädtchen Kirchberg erhält, ist das ihre große Chance. Wenn sie sich bewährt, bekommt sie ein Stipendium.
Doch an Lernen ist nicht zu denken. In den Gassen von Kirchberg herrscht Krieg. Die Dorfjugend und die Internatsschüler haben den Ort unter sich aufgeteilt. Wer auf feindliches Terrain gerät, der muss sich sputen, um nicht verdroschen zu werden. Die Situation eskaliert, als die Provinzrabauken die Gymnasiastin Jo entführen.
Jo ist Brasilianerin und die Coolste von allen. Vor allem aber ist auf ihrem Smartphone die einzige Kopie des Handyfilms „Das fliegendeKlassenzimmer“, den die Schüler vor den Ferien in der Aula des Internats zeigen wollten. Jos Freundin Martina und ihre beiden besten Freunde müssen all ihren Scharfsinn aufbieten, um die Gekidnappte aufzuspüren.
Regisseurin Carolina Hellsgård setzt stärker als in den bisherigen Verfilmungen des Romans auf die jugendlichen DarstellerInnen. Martina und Jo, die beiden Außenseiterinnen im Internat, dürfen nicht nur laut und frech sein. Die schwedische Filmemacherin billigt den Mädchen auch einen eigenen Charakter zu, der so nuanciert ist wie jener der Erwachsenen. Beide Schülerinnen leiden unter Heimweh. Kein schönes Gefühl, aber auch keines, das sich einfach durch die Rückkehr in die Heimat vertreiben ließe. Jo und Martina müssen sich erst, wie in jeder Heldensage, ihren Dämonen stellen, um daraus Kraft zu schöpfen und sich selbst zu verwandeln.
In der Kästner-Verfilmung von 2003 spielte Frederick Lau einen der Schüler. Heute ist er einer der besten deutschen Schauspieler. Fragt man, wer in der Neuverfilmung das größte Talent hat, dann kommt man um Lovena Börschmann Ziegler nicht herum. Sie spielt gekonnt auf der Klaviatur der Gefühle, mal forte, wenn sich Ärger in ihrem Gesicht abzeichnet, mal piano, wenn sie über sich und ihre verschwundene Mutter nachdenkt. Der einzige Erwachsene, der in dem Film ein vergleichbar breites Spektrum an Emotionen zum Ausdruck bringt, ist ein Außenseiter. Ein von Trystan Pütter verkörperter Rebell, der in einem Eisenbahnwagen lebt und sich an der Zivilisation die Seele wund gescheuert hat. Mit den Kindern versteht er sich besser als mit seinesgleichen. Vor allem mit Jo, die wie er einen starken Drang nach Freiheit hat.
Tom Schilling gibt den humanistischen Internatsleiter Bökh tadellos, Hannah Herzsprung bleibt unter ihren Möglichkeiten, was aber auch an ihrer Rolle liegt, einer bis an die Grenze zur Karikatur verpeilten Lehrerin.
Regisseurin Hellsgård hat die Handlung vom Winter in den Sommer verlegt. Die Kamera schwelgt im satten Grün Südtirols, wo im September vergangenen Jahres gedreht wurde. Doch die ganz großen Bilder, die sich im Gedächtnis festhaken, fehlen in dieser vierten Romanverfilmung. Die visuelle Gestaltung ordnet sich dem Storytelling unter. Wort schlägt Bild.
Der Spielfilm ist Unterhaltung für die ganze Familie. Keine schräge Einstellung lenkt von Erich Kästners menschenfreundlicher Botschaft ab. Und die ist aktueller denn je.
Cast und Crew von "Das fliegende Klassenzimmer"
Cast
- Justus Bökh
- Tom Schilling
- Der Nichtraucher
- Trystan Pütter
- Schuldirektorin Kreuzkamm
- Hannah Herzsprung
- Martina
- Leni Deschner
- Jo
- Lovena Börschmann Ziegler
- Ruda
- Franka Roche
- Uli
- Wanja Valentin Kube
- Boxer Matze
- Morten Völlger
Crew
- Regie:
- Carolina Hellsgård
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