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"Mary Poppins Rückkehr": Emily Blunt über das Kinocomeback der Disney-Ikone

Emily Blunt als Mary Poppins
Emily Blunt als Mary Poppins Verleih

Der perfekte Weihnachtsfilm: Ein leicht gezuckerter Kinofilm erzählt die Geschichte von Kultkindermädchen Mary Poppins weiter. Seine größte Attraktion: Titelstar Emily Blunt.

Sie kommt aus gutem Hause, spricht Oberschicht-Englisch mit dezent ironischem Unterton und ähnelt darin ein bisschen Helen Mirren. Emily Blunt aus einem Londoner Rechtsanwaltshaushalt ist nicht dafür geboren, ein Kinder­mädchen zu spielen, das fliegen kann. Aber wenn sie es tut, gibt sie der ­Figur eine maliziös-komödian­tische Note, die ihr schon 2006 in "Der ­Teufel trägt Prada" großes Lob einbrachte.

Damals stahl sie - soweit das möglich ist - in der Rolle der Assistentin ihrer Chefin Meryl Streep die Schau. "Mary Poppins" ist der dritte Film mit der großen Kollegin, über die Blunt im Interview ein paar über­raschende Dinge erzählt. Ebenso wie über ihren kindlichen Partner Joel, der sie am Set mit versauten Witzen aus dem Konzept brachte.

Die 35-Jährige ist verheiratet mit Schauspieler und Regisseur John Krasinski ("A Quiet Place"), mit dem sie zwei Töchter hat und gern mal ­einen schottischen Whisky trinkt.

Interview: Emily Blunt über Mary Poppins

Foto: Verleih
Welche Erinnerungen haben Sie
an Mary Poppins?

Emily Blunt: Ich bin mir ziemlich ­sicher, dass "Mary Poppins" einer der ersten Filme war, die ich gesehen ­habe. Da muss ich so sechs gewesen sein. Als klar war, dass ich die Rolle spiele, habe ich mich bewusst entschieden, den alten Film als Erwachsene nicht noch einmal zu schauen. Ich wollte meine eigene Mary-Poppins-Version sein und nicht Julie ­Andrews doubeln. Was sie gemacht hat, ist so schön, das wollte ich auf keinen Fall zerstören. (lacht)

Der neue Film ist ja ohnehin ganz anders.
Ja, es ist ein neues Kapitel in einer anderen Zeit, der dunklen Zeit der Großen Depression. Ich musste mir für die Figur also auch einen ganz neuen imaginären Raum schnitzen und ausgestalten.

Hatten Sie eine Julie-Andrews-Vermeidungsstrategie?
Sie ist ein sehr liebevoller Mensch, ein Sonnenschein, das schimmert auch in "Mary Poppins" durch. Ich habe mich mehr an das Buch gehalten, da ist Mary ja sehr bizarr, exzentrisch, ein bisschen unhöflich, witzig und stylish. Und sie hat die Hosen an. Ein Adrenalinjunkie. Ihr Innenleben hält sie dagegen unter Verschluss. Ein interessanter Charakter und sehr aufregend, ihn zu spielen: Wo ist die Menschlichkeit in diesem Supermenschen?

Glauben Sie, es gibt ein paar Mary-Poppins-Werte, die Sie Ihren beiden Töchtern weitergeben können?
Bei der Kindererziehung geht es für mich nicht darum, fehlerfrei schreiben und alle Staaten der USA aufzählen zu können. Es geht um größere Ideen und Lektionen als um perfekte Rechtschreibung. Das ist der Erziehungsansatz, den ich bevorzuge. ­Mary Poppins steht dafür, dass alles möglich ist, sogar das Unmögliche. Da kann man doch andocken.

Ihr Mann John Krasinski sagt, bis zu den Aufnahmen für das Musical­märchen "Into the Woods" (2014) hätte er keine Ahnung gehabt, dass Sie singen können. Wie haben Sie das vor ihm geheim gehalten?
Es war mir bis dahin immer peinlich zu singen. Jedenfalls öffentlich, vor Leuten. Wenn, dann habe ich im Auto oder unter der Dusche gesungen, aber sicher nie auf Partys. Auch ­Karaoke war mir unangenehm. Ich brauchte vorher eine Menge Tequila. (lacht) Aus diesem Grund war "Into the Woods" mit diesen anspruchsvollen Songs von Stephen Sondheim eine Riesen­herausforderung für mich. Die Songs jetzt sind dagegen wie ­gemacht für mich und meine Fähigkeiten. Trotzdem dauerte es Monate, sie einzustudieren.

Mary Poppins brachte Magie in das Leben der Kinder. Gab es eine solche Person in Ihrem Leben?
Die Mutter meiner Mutter war so jemand, wir nannten sie "Nana". Sie war liebevoll, aber auch ein bisschen bizarr. Sie war eine Künstlerin darin, uns Kindern endlos Geschichten zu erzählen, und sie konnte mit nur wenigen Sachen aus dem Kühlschrank die unglaublichsten Partys machen.

Worum man Mary beneidet, ist ihre Fähigkeit, die Treppe hinaufzugleiten. Wie ist das gemacht worden?
Diese verrückten Tricks, die man sieht, sind fast alle handgemacht, nicht aus dem Rechner. In den Treppenszenen knie ich auf einer Art Wagen, über den mein Rock fällt, sodass man ihn nicht sieht.

Und wie ist der Wagen dann da hochgekommen?
Unter meinem Kostüm liefen Bänder, die mit dem Geländer verbunden waren. An ihnen wurde ich hoch­gezogen.

War das die komplizierteste Szene?
Nein, ich denke, das Tanzen war die größte Herausforderung, also die Musicalnummer "A Cover Is Not the Book". Man steht da in einer Greenscreen-Landschaft und interagiert mit Tennisbällen, die eine Giraffe sein sollen. Und auf deinem Kopf sitzt ein Affe. Man wird halb verrückt beim Drehen.

Nach "Der Teufel trägt Prada", wo sie Ihre Chefin spielt, und "Into the Woods" mit ihr als böser Hexe ist dies Ihr dritter Film mit Meryl Streep...
Es scheint, als würden wir immer Charaktere spielen, die nicht sehr nett zueinander sind. Ich werde ihr mal vorschlagen, dass wir beim nächsten Film Freunde sind.

Wie ist Ihr Verhältnis zueinander?
Ich schätze es über die Maßen, dass ich mit ihr zusammen sein darf und den ganzen Tag über dieselbe Luft atme wie sie.

Was ist so toll an der Zusammenarbeit?
Es ist einfach aufregend, mit einer Frau zu arbeiten, die immer etwas Überraschendes und Unerwartetes tut. Im Spiel wirft sie dir den ganzen Tag Bälle zu, und du musst darauf ­reagieren. Sie ist meschugge, völlig verrückt. Am Set von "Into the Woods" sagte sie zu den Kids - sie hingen zwischen den Takes herum und wussten nicht, was sie tun sollten -, hey, Kids, wollt ihr mal eine Bauchlandung sehen? Es war so ein Trickszene, wo sie als Hexe um den Kronleuchter herumschwang. Dann ließ sie sich einfach auf den Boden fallen. Ich dachte, sie ist tot. Sie fiel flach aufs Gesicht. Die ganze Crew war in Aufregung, und sie sagte nur, das habe sie beim Studium in Yale gelernt.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Kindern in "Mary Poppins"?
Sind sie nicht toll? Vor allem der kleine Blonde, es war sein erster Film, und er war so wild und gleichzeitig brillant. Er hieß Joel. Wir haben ihn Joel Wrangling (Gerangel) genannt. Am Set hörte man immer zehn Leute gleichzeitig "Joel" rufen. Joel? Joel, wo bist du? Joel, bitte konzentrier dich. Ich hatte eine Szene mit ihm, in der ich einen ziemlich langen Monolog schnell sprechen musste, eine schwierige Szene. Fragt mich der Junge plötzlich: "Emily, was bekommt man, wenn man den Buchstaben B vor das Wort ‚oobs‘ setzt?" Ich sagte: "Joel, bitte hör auf damit." Dann kamen wieder Furzwitze. Es ging den ganzen Tag so. Und ich sollte dieses toughe, sehr fokussierte Kindermädchen spielen.

Sie haben im Anschluss an "Mary Poppins" zusammen mit Ihrem Mann den Horrorthriller "A Quiet Place" gedreht, in dem die Menschen von Aliens bedroht werden und Sie kein Wort reden dürfen. Wie war der Übergang? Haben Sie das
Singen vermisst?

Ich habe John ein paar Tanz- und Gesangsnummern vorgeschlagen, aber er blieb stur. (lacht) Ich glaube, er dachte daran, mich auszutauschen. Nein, im Ernst, es ist ja gerade das Schöne an meinem Beruf, dass dein nächster Job geradezu die Antithese des vorhergehenden ist. Und danach möchte man wieder etwas ganz anderes machen.

Unterschiedlicher können Filme nicht sein. Wie drückte sich das in der Arbeit an den Projekten aus?
Ich hatte ein paar Monate Zeit, um das Kindermädchen abzuschütteln und dann abzutauchen in diese Welt des Horrors. Es waren vollkommen andere Umstände. Mit Rob Marshall hatte ich neun Monate lang Proben, dann Voraufnahmen. Das Projekt dauerte anderthalb Jahre, eine langsame Geburt. Für "A Quiet Place" hatten wir sechs Wochen, also im Grunde gar keine Zeit. Und kein Geld. Und viel Druck. John arbeitete, als hätte er eine Pistole am Kopf. Wir haben viel Whisky getrunken, um runterzufahren. Der Film müsste ­eigentlich von Macallan 12 (schot­tische Whiskymarke) gesponsert werden.

Der Disney-Klassiker von 1964

Julia Andrews als Mary Poppins
Die Geschichte um das magische Kindermädchen Mary Poppins entstammt den Büchern der australischen Schriftstellerin ­Pamela Lyndon (kurz P. L.) Travers, die von 1934 an insgesamt acht "Mary Poppins"-Bücher veröffentlichte.

Die Verfilmung mit Julie Andrews und Dick Van Dyke aus dem Jahr 1964 durch Produzent Walt Disney und Regisseur Robert Stevenson ("Der fliegende Pauker") wurde ein weltweiter Erfolg. Das Musical gewann fünf (von 13 möglichen) Oscars, darunter für Hauptdarstellerin Julie Andrews, die Musik und den Song "Chim Chim Cher-ee". Disney verlegte die ursprünglich in den 30er-Jahren spielende Geschichte zurück ins London der Jahrhundertwende.

Das Drama mit Disney

John Lee Hancocks Biografiekomödie "Saving Mr. Banks" von 2013 zeigt den Kampf um die Verfilmung zwischen P. L. Travers (Emma Thompson) und Walt Disney (Tom Hanks). Lieder wie "Ein Löffelchen voll Zucker" und "Supercalifragilisticexpia-ligetisch" wurden weltweite Hits, aber gerade die Musik - und die für Disney typischen Zeichentricksequenzen - gefielen der un­bequemen Mary-­Poppins-Schöpferin ­Travers so gar nicht.

2004 feierte das Musical im Londoner West End Pre­miere, lief später erfolgreich am Broadway. Seit Februar 2018 ist "Mary Poppins" am Hamburger Hafen zu Hause.
Foto: Verleih