In 6 Schritten durch die Tatort-Geschichte
Mit dem Thriller "Taxi nach Leipzig" feiert der Tatort seine 1000. Folge. Ein Blick zurück auf die liebste Krimireihe der Deutschen.
Western? Hatten wir schon. Film im Film? Auch. Dann Außerirdische? Gab es doch schon vor 20 Jahren: "Tod im All" mit Lena Odenthal. Was kann im 1000. Tatort noch Neues kommen, fragt man sich als Zuschauer, der seinen Sonntagabend-Krimi liebt, diesen aber schon sehr, sehr oft gefeiert hat und ein bisschen eventmüde ist. Wird es noch lauter als Til Schweiger? Noch abgedrehter als Tukur? Am Sonntag werden wir es sehen, im "Tatort: Taxi nach Leipzig" von Grimme-Preisträger Alexander Adolph.
1970: Krimi-Kunst-Handwerk
Die ARD braucht dringend einen Krimi: Der Tatort ist die Antwort auf den ZDF-"Kommissar" und von Anfang an ein Erfolgsmodell. Kein Wunder in einer Zeit, als noch Operette im Fernsehen lief. Zehn Krimis im Jahr sind das Maß der Dinge, handgearbeitete Einzelstücke, stilistisch erstaunlich vielfältig: französische Film-noir-Melancholie bei Kommissaren wie Haferkamp und Finke, Dokustil in Eberhard Fechners "Frankfurter Gold", ein Kölner Bürgerschreck (Kressin), ein Hauch von Hollywood durch Gastregisseure wie Samuel Fuller. Die erste Dekade ist cineastisch sehr interessant.
1978: Einsame Ermittlerinnen
Die Karriere der Kommissarinnen gestaltet sich
äußerst zäh. Noch im knielangen Rock und mit Halstuch-Chic ist Nicole Heesters 1978 eine Vorläuferin, quasi die Carmen Thomas (Schalke 05) des Krimis. 1981 tritt Karin Anselm ihren Dienst an, auch sie ein weibliches Unikat, genau wie Ulrike Folkerts, die ab 1989 den Feminismus in die Wachstube trägt. Sabine Postel rückt erst 1997 nach. Seit Heesters Debüt vergehen also knapp 20 Jahre, bis es die Frauen auf zwei Tatort-Planstellen bringen. Heute steht es in der Ermittlerstatistik 100 zu 20 für die Männer.
1978: Einsame Ermittlerinnen
Die Karriere der Kommissarinnen gestaltet sich
äußerst zäh. Noch im knielangen Rock und mit Halstuch-Chic ist Nicole Heesters 1978 eine Vorläuferin, quasi die Carmen Thomas (Schalke 05) des Krimis. 1981 tritt Karin Anselm ihren Dienst an, auch sie ein weibliches Unikat, genau wie Ulrike Folkerts, die ab 1989 den Feminismus in die Wachstube trägt. Sabine Postel rückt erst 1997 nach. Seit Heesters Debüt vergehen also knapp 20 Jahre, bis es die Frauen auf zwei Tatort-Planstellen bringen. Heute steht es in der Ermittlerstatistik 100 zu 20 für die Männer.
1981: Schimanski-Revolution
"Er verkörperte den 68er-Geist", sagt Cordt
Schnibben, Grimme-Preis-gekrönter Journalist, der zusammen mit Peter Dörfler eine Doku über den Tatort gemacht hat: "Sonntagsmörder". Der Parka offen, das Benehmen Glückssache, die Vorgesetzten alle Deppen. Schimanski fällt aus der Rolle. Die sozialen Bewegungen schwappen durch die Bundesrepublik, man gibt sich sensibilisiert, antiautoritär und sehr selbstbezogen. Schimanski ist das Spiegelbild. Er rennt erregt und außer Atem durch die Duisburger Sozialbrache, nicht immer mit Sinn und Verstand. Egal, ihn und niemanden sonst wollen die Leute sehen, der Fall ist zweitrangig.
Schnibben, Grimme-Preis-gekrönter Journalist, der zusammen mit Peter Dörfler eine Doku über den Tatort gemacht hat: "Sonntagsmörder". Der Parka offen, das Benehmen Glückssache, die Vorgesetzten alle Deppen. Schimanski fällt aus der Rolle. Die sozialen Bewegungen schwappen durch die Bundesrepublik, man gibt sich sensibilisiert, antiautoritär und sehr selbstbezogen. Schimanski ist das Spiegelbild. Er rennt erregt und außer Atem durch die Duisburger Sozialbrache, nicht immer mit Sinn und Verstand. Egal, ihn und niemanden sonst wollen die Leute sehen, der Fall ist zweitrangig.
1991: Das Team ist der Star
Die Kommissare der Anfangszeit sind mürrische Eremiten, die schon im Umgang mit ihren Assistenten Schwierigkeiten haben. Wie hätten sie im Team bestehen sollen? Heute ist Teamfähigkeit auch im Krimi Jobvoraussetzung. Teamdefinition: mindestens zwei Leute auf der gleichen Hierarchiestufe. Batic und Leitmayr exerzieren 1991 vor, wie man auf Augenhöhe ermittelt, 1997 folgen Ballauf und Schenk. Der Drittcop kommt hinzu, hier und da ein Forensiker. In Dortmund sind inklusive Gerichtsmedizinerin fünf Staatsdiener am Werk. Was mal ein Fall war, wird nun zum Projekt.
2002: Ironie und Frauenquote
Das Jahr 2002 hat es in sich: Der Tatort expandiert, neue Teams und Frauen mit Führungsanspruch wie Charlotte Sänger, Klara Blum, Charlotte Lindholm
debütieren. Zudem sorgt eine Humor-Revolution für den zweiten subversiven Schub nach Schimanski:
Gewitzelt wurde im Tatort schon immer, aber nun tritt mit Boerne/Thiel ein Duo an, das die Grundsätze der Reihe selbstironisch infrage stellt. Die Pointe ist out, der Plot ist der Witz.
debütieren. Zudem sorgt eine Humor-Revolution für den zweiten subversiven Schub nach Schimanski:
Gewitzelt wurde im Tatort schon immer, aber nun tritt mit Boerne/Thiel ein Duo an, das die Grundsätze der Reihe selbstironisch infrage stellt. Die Pointe ist out, der Plot ist der Witz.
2010: Action und Surrealismus
Im Millennium hat der Tatort seine Kraft voll entfaltet. Mit knapp 40 Filmen im Jahr ist rein quantitativ eine Grenze erreicht. Qualitativ lässt sich einiges machen. Til Schweiger spitzt den Krimi zum Actionthriller zu und baut ihn mittels horizontalem Erzählen und Kino-Okkupation zum medialen Event aus. Hirntumor-Besitzer Ulrich Tukur und der Hessische Rundfunk erweitern mit ihren Filmen die Erzählmöglichkeiten. Die Ideen gehen nicht aus, wie auch der neue Tukur-Fall beweist. Das beklemmende Psychokammerspiel "Es lebe der Tod" (So, 20.11.) mit seinem perfiden Duell zwischen Tukurs Kommissar und Jens Harzers Verdächtigem ist so spannend wie überraschend anders, auch dank der Wahl des Theaterschauspielers Harzer, dem eine ähnliche internationale Karriere zugetraut wird, wie dem Doppel-Oscar-Preisträger (und ehemaligen "Tatort"-Ermittler) Christoph Waltz.