In "Undercover Boss" schleusen sich getarnte Geschäftsführer in den eigenen Betrieb ein. Diesmal schaut Stefan Krause, Geschäftsführer des Logistikdienstes Teamwork Instore Services, seinen Angestellten inkognito auf die Finger - oder sie ihm. Er tritt als Axel aus Berlin an, der sich für angeblich für eine TV-Show bewirbt und bewertet werden soll. Die Teamwork-Mitarbeiter füllen bei Edeka, Rewe und Real Regale auf, sitzen an der Kasse oder packen bei Online-Händlern Retouren aus.
Der "Undercover Boss" wird nicht geschont
Ware aufladen, Regale auffüllen, Pappe entsorgen, Ware aufladen, nächster Gang. Geschäftsführer Stefan Krause, alias TV-Show-Kandidat Axel, ist zu langsam für den Job. Selbstbewusst versucht er Teamleiterin Susanne zusätzliche Zeit abzulabern. Die resolute Vorarbeiterin bescheinigt dem vermeintlichen Praktikanten: "Geschont wir keiner, die Ware muss ins Regal." Das Auftreten des umgestylten Boss findet sie gerade noch ausreichend: zu grimmig, zu wenig Elan, bisschen mehr Freude am Job wäre nötig.
Das sagen die Angestellten zum Arbeiten während Corona
Und das ist erst der Anfang. Der Chef von rund 5000 Angestellten macht sich während des Teil-Lockdowns im Herbst auf, die Arbeitsbedingungen der Corona-Helden im Supermarkt besser kennenzulernen. Ob sie Angst vor Corona hätten, möchte der vorgebliche Kollege wissen. "Irgendjemand muss ja die Stellung halten und weiter in den Geschäften arbeiten", sagt Anne abgeklärt und füllt weiter Molkereiprodukte in die Kühlregale. Der Oberboss empfindet dafür "Respekt". "Die Leute können sich nicht im Homeoffice verstecken." Und für die Psyche der Kunden sei es wichtig, dass die Regale aufgefüllt sind. Und weiter? Nix. Ein warmes Danke muss reichen.
"Undercover Boss": Die Mitarbeiter würden den eigenen Chef nicht einstellen
In Bewegung bringt "Undercover Boss" nichts. Es ist Corona, die Teamwork-Angestellten tragen wahlweise Maske oder Visier, die Brille beschlägt. Macht aber nichts weiter. Unter welch harten Bedingungen die meisten arbeiten, wird bestenfalls am Rande angedeutet. Einige machen mehr als einen Job, um ihre Familien zu ernähren. Geschäftsführer Krause hoppt für die Show von diversen Rewe-Märkten ins Retourenlager eines Online-Schuhhändlers, vom Edeka-Supermarkt in den Fressnapf-Markt. Er füllt Regale auf, sitzt an der Kasse, sortiert Tiefkühlkost im Kühlhaus und Molkereiprodukte in die Kühlregale. In den Pausen fragt er die Angestellten nach ihrer familiären Situation oder ihren Hobbys.
Mit Ramata aus Ghana plaudert er beim Schuhkarton auffrischen über Rassismus. Gute Noten bekommt der Chef nicht, es hagelt Vierer und gelegentlich auch eine Fünf. Christine vom Fressnapf sagt: "Ich würde Axel definitiv nicht anstellen. Ich habe bei Teamwork schon viele Leute kommen und gehen sehen. Und ich muss sagen, wer nicht die richtige Einstellung zum Arbeiten hat, ist bei mir schon von vornherein raus." Auch die wohlmeinenden Kollegen bescheinigen ihrem Undercover Boss: er ist viel zu langsam. Die Anforderungen ans Arbeitstempo hält er nicht.
Der "Undercover Boss" überhäuft seine Mitarbeiter mit Geschenken
Sechs seiner 5000 Angestellten hat Stefan Krause bei seinem Trip kennengelernt. "Toll", "supernett", "voller Einsatz" lauten seine Bewertungen. Der Zuschauer bekommt Vorzeige-Supermärkte präsentiert. Als der angebliche Axel einen Karton mit Tiefkühlgemüse vergessen hat, moniert der Mann fürs Einarbeiten, die Kühlkette sei unterbrochen, Gefahr im Verzug. Und tatsächlich entscheidet die Abteilungsleiterin, die leicht angetaute Ware gehöre auf den Müll. Schöne heile Supermarktwelt. Ein Arbeitstempo, das der Chef kontinuierlich unterbietet, prekäre Lebensverhältnisse der Angestellten, Belastungen durch die Corona-Pandemie - das alles spielt keine Rolle. Im Drehbuch steht die Konfrontation in der Firmenzentrale, das Aufdecken der Verkleidungskomödie. Stefan Krause empfängt als Teamwork-Geschäftsführer die sechs Mitarbeiter und schüttet in generöser Geste Geschenke über ihnen aus. Ein Schlagzeug samt Unterricht und Proberaum für Uwe, eine Reise nach Kuba für Sara, Reiterhof-Ferien für Susanne und ihre Familie und Delfintherapie für das autistische Kind von Christina. Ramata aus dem Retourenlager allerdings hat gekündigt. Mit Dienstwagen, Diensthandy und ordentlichem Gehalt glaubt der Geschäftsführer, sie umstimmen zu können. "Ich werde darüber nachdenken", bescheidet die Umworbene kühl. Eine ganz selbstverständliche ordentliche Bezahlung auch ohne Chef-Expedition hätte womöglich geholfen.
Lesetipp
Der Artikel Inkognito als Regalauffüller: Chef von 5000 Mitarbeitern verzweifelt an deren Job wird veröffentlicht von FOCUS online.