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Trödel-TV: Der Trend geht zur Entschleunigung

Trödel-TV: Der Trend geht zur Entschleunigung
ZDF

"Bares für Rares" fährt reihenweise Quotenrekorde ein, auf ZDFneo startet eine neue Trödelshow mit Steven Gätjen: Der Trend im deutschen Fernsehen geht zur neuen Einfachheit.

Foto: ZDF, "Bares für Rares" mit Horst Lichter
Größer, bunter, knalliger, nackter: Viele Sender lechzen nach dem nächsten Tabubruch. Nacktformate nehmen derzeit überhand, allein RTL II hat zwei blankziehende Datingshows in der Pipeline.

Aber es gibt auch den Gegentrend: Formate, die einfach so vor sich hin plätschern. Wo verlässlich wenig passiert. Wo Einfachheit für Quote sorgt. Wie bei "Bares für Rares". Die Trödelshow mit Horst Lichter fährt einen Rekord nach dem anderen ein. Am Nachmittag schalten im ZDF über drei Millionen Zuschauer ein, die Wiederholungen am Abend auf ZDF neo sind teils erfolgreicher als das Gegenprogramm "Galileo". Selbst bei jungen Zuschauern kommt Lichter bestens an.

Dabei ist das Prinzip denkbar einfach. Normalos bringen kleine Schätze oder große Staubfänger vorbei, mal ein Diadem mit Wachsblumen, mal Erbschmuck, mal eine alte Parkuhr - ein Experte taxiert Baujahr und Wert. Danach warten im Nebenraum fünf Antiquitätenhändler, allesamt etwas dröge, aber doch dialektstarke Originale, um sich gegenseitig hochzusteigern.

"Es ist die Sehnsucht nach etwas Normalem - nach Bodenständigkeit, Ehrlichkeit, nach Werten", erklärt Lichter das Erfolgsgeheimnis. Oft werden die Exponate nur auf 50, 60 Euro taxiert, vierstellige Beträge sind selten. "Damit kann sich jeder zu Hause identifizieren. Wir könnten auch Dinge auswählen, die wahnsinnig selten und teuer sind, aber damit würden wir ja wieder nur einen Spielfilm zeigen."

Dass Lichter Trödelfan ist, dass er mit Herzblut und Leidenschaft dabei ist, spürt man in jedem Augenblick - wobei er hinzufügt: "Ich sammle keine Antiquitäten, ich sammle Geschichten." In einer Zeit der Unsicherheit, die komplex und undurchschaubar erscheint, bedient er Sehnsüchte.
Trödel und kein Ende
Foto: ZDF, "Clever abgestaubt" mit Steven Gätjen
Formate wie "Kunst & Krempel" (BR) und "Lieb & Teuer" (NDR) sind Klassiker des Antiquitäten-TV, mit dem Trödeltrupp (RTL II) mischt seit 2009 auch ein Privatsender das Genre auf. Doch erst angefixt vom Erfolg von "Bares für Rares" springen die Sender auf den Trend auf. Und scheinen ihn fast zu überreizen. Seit März zeigt Kabel 1 "Schätze unterm Hammer", nun stehen zwei weitere Formate in den Startlöchern, die den Trödeltrend mit einem Klassiker des Fernsehens verbinden, der Quizshow.

In "Clever abgestaubt" (ZDF neo, ab 3.4.) mit Steven Gätjen und "Schätz dich reich" (demnächst bei RTL II) mit Giovanni Zarrella müssen die Kandidaten den Wert von Antiquitäten schätzen. Aber jetzt mal ehrlich, wer nimmt den beiden Vielmoderierern eine Leidenschaft für Plunder ab?
Slow-TV jenseits des Trödels: "Kerners Köche" und "Sag die Wahrheit"
Im Fahrwasser der Trödel-Shows kommen auch Sendungen zurück ins TV, die nicht auf alte Dinge setzten, aber auf Entschleunigung. Am Samstag startete im ZDF "Kerners Köche", das dem Schema der von 2005 bis 2008 laufenden Vorgängershow "Kerner kocht!" folgt. Johannes B. Kerner erklärt es wie folgt: "Die Köche kommen rein, das sind die Stars der Sendung. Dann kochen sie los, und ich stelle Fragen eines interessierten Laien." Dabei streut er den einen oder anderen Scherz ein, mehr passiert nicht. Dieses Lässige, Reduzierte, "das ist der Erfolg der Sendung. Man kann das so nebenbei mitnehmen, völlig unaufgeregt", so der 52-Jährige über das Revival.
Foto: ARD/SWR/Peter A. Schmidt, "Sag die Wahrheit" mit Michael Antwerpes
Auch "Sag die Wahrheit" verströmt viel Nostalgie. "To Tell the Truth" debütierte 1956 im US-Fernsehen, 1959 startete die deutsche Version in der ARD. Jahrzehnte später ist das Format ab 21.4. zurück im Ersten. Drei Menschen geben sich als Entfesselungskünstler, Flirtcoach oder Polarreisender aus, zwei schwindeln. Wer, das soll ein Rateteam ermitteln. "Man bekommt lustige, skurrile Geschichten in rundenbasierten Häppchen serviert. Da greift man nach 60 Jahren noch gern zu", erklärt Knobelmitglied Pierre M. Krause den Erfolg. Und Moderator Michael Antwerpes ergänzt: "Das Spielprinzip ist schlicht genial, der Zuschauer versteht sofort, worum es geht." Auch hier: viel Retro, viel Eskapismus, viel wenig.
Autor: Peter Roether