In der Serie bieten ständig Menschen einander ihre Hilfe an. Was ist da los?
David Schalko (lacht) Die gute Absicht, die in die Hölle führt – das ist ein bisschen die Grundprämisse der Serie. Das hat auch mit dem Täter und seinem Motiv zu tun.
Evi Romen Wir wollten einen Mörder, der sich selbst nicht als böse empfindet.
Kinder werden in "M" sehr schlecht behandelt. Schreiben Sie als Eltern zweier Kinder so etwas widerwillig, oder macht gerade das Spaß?
Schalko Es ist ein wichtiges Gesetz beim Drehbuchschreiben, dass der Autor seine ­Figuren zwar mag, aber auch sehr gemein zu ihnen sein muss. Sonst wird es lang­weilig. Aber natürlich fällt es schwer, über solche Albträume zu schreiben.

Dem Untertitel buchstabengetreu folgend, jagt in "M" tatsächlich ganz Wien den Kindermörder. Zwölf Hauptfiguren stehen für Polizei, Verbrecher, Politik und Medien, alle suchen aus ­unterschiedlichen Motiven.

Wie haben Sie angesichts so vieler Figuren beim Schreiben den Überblick behalten?
Romen David kommt eher vom Text, ich brauche tatsächlich Fotos für die Struktur. Ich klebe mir mein ganzes Büro voll, arbeite mit Karteikarten.
Die Serie hat eine künstliche, theaterhafte Stimmung.
Schalko Die ganze Anmutung ist hyperrealistisch, leicht entrückt – eine Hommage an den deutschen Expressionismus und die Studiofilme dieser Zeit. Wir haben zwar an Originalschauplätzen gedreht, bemühen uns aber, dass es so aussieht, als wäre es ein Studio.

Das passt zu dem kalten Umgangston, der oft unter den Figuren herrscht.
Schalko Wir erzählen schon ein Schauermärchen, aber die westliche Gesellschaft ist auch tatsächlich kälter ­geworden. Es gibt einen Verrohungsprozess, der mit einer gewissen Form von Depres­sion zu tun hat. Die Leistungsgesellschaft lässt den Menschen vereinzelt übrig. Das spürt man in der Serie.

Sie zeigen sehr genau, wie Politik und rechte Medien kooperieren. Reicht es denn schon, nur diesen Mechanismus zu erklären?

Romen Wir sind hier, wir sind wachsam – das zu zeigen ist wichtig.
Schalko Die Politik in Europa bewegt sich insgesamt immer weiter weg vom demokratischen, bürgerlichen Konsens. Man muss sehr darauf achten, dass der bürgerliche Gegenentwurf überhaupt noch sichtbar bleibt.

Ihre Figur des afghanischen Asylbewerbers ist nicht nur Hinterbliebener… sondern auch sehr sexistisch.
Schalko Wir wollen keine linke Propaganda machen, sondern alles einfangen, was relevant ist und sich aneinander reibt. Natürlich gibt es ­einige Probleme mit diesen jungen Männern aus Afghanistan oder Syrien. Aber wenn niemand diese Probleme formuliert und angeht, dann werden sie auch nicht gelöst.

Ursprünglich wurde "M" als erste Eigenproduktion des Pay-TV-Senders RTL Crime annonciert. Doch nun soll die mit dem ORF co-produzierte Serie erst einmal zukünftige Abonnenten auf TV Now, das Streamingportal der RTL-Gruppe, lotsen.
Wie hoch war das Budget?
Schalko Eine Million pro Folge. Die Arbeit war mit viel Selbstausbeutung verbunden. Uns war es halt wichtig, dass es gut wird.
Wie verlief die Zusammen­arbeit mit den Sendern?
Schalko Man streitet, man versucht durchzusetzen, was man wichtig findet. Es hängt von einem selbst ab, wie weit man sich verbiegen lässt. RTL ist ein sehr kommerzieller Sender, für den "M" eigentlich ein Fremdkörper ist.
romen Aber Fremdkörper und kommerziell sind eine interessante Kombination.