Oliver Pocher hat schon vor vielen Jahren die hohe Schule des Internet-Mobbings als Geldquelle entdeckt. Mit Tennis-Legende Boris Becker lieferte er sich erst einen unschönen verbalen Schlagabtausch auf Twitter, um ihn dann in "Alle auf den Kleinen" ähnlich unschön vorzuführen. Boris Becker mit einer Fliegenklatschen-Kappe auf dem Kopf: Diese Bilder werden den Wimbledon-Helden vermutlich bis zum allerletzten Tag verfolgen. Das Internet vergisst nicht.
Pochers nächstes Opfer: Schlagerstar Michael Wendler. Auch gegen ihn stichelte Oliver Pocher erst auf Instagram – kleine, fiese Attacken, die dann auch in einem analogen Showdown auf RTL endeten. "Pocher vs Wendler" war quotenmäßig ein Erfolg – doch Wendler hat das TV-Duell nicht nur verloren, sondern rutscht seither volle Breitseite ins Karriere-Aus. Das ist natürlich Wendlers ureigene Schuld. Aber wer weiß, welche psychischen Langzeit-Schäden so ein Fight mit Pocher hinterlässt?
Nun hat Pocher eine ganze Berufsgruppe als neues Ziel identifiziert: Influencer. Also jene Menschen, die es für einen Job halten, gut ausgeleuchtet durch die diversen Kanäle der Sozialen Medien zu surfen und gegen eine gewisse Gegenleistung Waren in die Selfie-Kamera zu halten. Ihr Erfolg ist die Engagement Rate, die Anzahl der Follower ihre Währung. Und nahezu jeder ihrer Posts ist eine Steilvorlage für einen Profi-Zyniker wie Oliver Pocher.
Twenty4tim, Kristina Levina, Younes Zarou und Payton Ramolla – wenn Ihnen diese Namen nichts sagen, dann liegt das wohl daran, dass Sie häufiger den Fernseher einschalten anstatt im Internet mehr oder weniger offensichtlich gesponserte Clips anzuschauen. Twenty4tim hat auf TikTok vier Millionen Follower, Zarou sogar 26,5 Millionen. Levina und Ramolla bringen es zusammen auf gut eine Million Instagram-Abonnenten. Gut möglich, dass RTL auf dieser Basis bereits einmal die Quote von "Pocher vs. Influencer" hochgerechnet hatte.
Was RTL dabei womöglich übersehen hat: Keiner dieser Influencer war bislang im Fernsehen zu sehen, was vor allem eins bedeutet – kaum ein typischer TV-Konsument kennt die WWW-Hipster. Also hat RTL noch Sam Dylan nominiert, der sozusagen das Schlechte aus beiden Welten in sich vereint: "Bachelor in Paradise" plus Instagram.
Das angebliche "TV-Event des Jahres" beschränkt sich auf Spiele, mit denen man nicht einmal einen Junggesellen-Abschied anreichern möchte: blind durch einen Parcours tuckern. Im pummeligen Tierkostüm über Klopapier-Rollen hüpfen. Durch blinde Verkostung Gerichte erraten. Lieblos wegmoderiert wird die geballte Langeweile von Laura Wontorra.
Die Influencer überraschen damit, dass sie "Zahnstocher mit Fleisch" für eine Mahlzeit halten. Und dass sie auch im Jahre 1 nach Corona noch nicht wissen, wer Chef-Virologe Christian Drosten ist. Von dem habe sie "noch nie etwas gehört", gesteht Payton Ramolla. "Den muss man nicht kennen, das ist so ein Podcaster", lästert Pocher.
Auch wenn Pocher unterstützt wird von Gattin Amira, klingt fünf gegen zwei zunächst einmal leicht unfair. Doch Amnesty International kann den Bluthochdruck wieder senken – auch fünf Rabattcode-Agenten sind kein echtes Gegengewicht für zwei Pochers. Weder intellektuell noch in puncto Punktestand. Das TV-Paar geht früh in Führung und verteidigt diese souverän bis zum Ende. Was dem "Beef des Jahres" nicht gerade mehr Würze verleiht.
TV-Altstar Elton hatte Oliver Pocher für sein TV-Feldzug gegen das digitalaffine Jungvolk auf Instagram gerügt: "Erst die Influencer ‚zerstören‘ wollen, Spiegel vorhalten und nun bringt er sie mit seiner neuen Show dahin, wo sie ohne ihn wahrscheinlich nicht so schnell hingekommen wären: Ins Fernsehen" Es sei doch kontraproduktiv, Influencer erst für ihre Werbedienstleistung zu kritisieren – und ihnen dann eine Plattform zu bieten.
Elton kann sich entspannen: Das Fernsehen wird nicht das neue Jagdrevier für die Generation Selfie werden. In einer Spielshow ist wenig Platz für selbstverliebte Inszenierungen, und keiner der Influencer ist auch nur annähernd schlagfertig genug, um in dieser Disziplin gegen Pocher punkten zu können. Zudem Pocher eine nahezu morbide Lust hat an der Selbstdemontage, während ein Influencer-Leben ohne Insta-Filter nicht denkbar ist.
Wenn Elton allerdings noch ein paar Mal nachlegt und Pocher weiter digital angeht, hat er beste Chancen, eines Tages eine Titelrolle in einer Neuauflage von "Pocher vs...." zu bekommen. Dann endlich hätte Pocher einen echten Gegner gefunden. Doch Mobber zeichnen sich bekanntlich dadurch aus, dass sie lieber nach unten treten, anstatt sich jemanden in ihrer Gewichtsklasse zu suchen.
Der Artikel Oliver Pocher knöpft sich Internetstars vor – und gewinnt! wird veröffentlicht von FOCUS online.