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Pinar Ataly und Co.

Mehr Geld, mehr Möglichkeiten: Darum verliert die ARD so viele Moderatoren

Pinar Atalay wechselt zu RTL
Von ARD zu RTL: Pinar Atalay moderiert in Zukunft beim Privatfernsehen. RTL/ Morris Mac Matzen

Es ist die dritte ModeratorIn in Folge, die von der ARD zu einem privaten Sender wechselt. Schuld scheint nicht nur das deutlich höhere Gehalt zu sein.

Die Kollegen in der ARD müssen in den vergangenen sechs Monaten oft Kuchen gegessen haben – nicht nur wegen Geburtstagen, sondern auch wegen diverser Abschiede. Schließlich haben seit Dezember 2020 mit Jan Hofer, Linda Zervakis und nun auch Pinar Atalay drei hochkarätige Nachrichtensprecher beschlossen, den öffentlich-rechtlichen Sender zu verlassen.

Alle drei eint dabei nicht nur ihre Vergangenheit beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, sondern auch ihre Zukunft. Sowohl Hofer und Atalay als auch Zervakis werden nämlich zum Privatfernsehen wechseln und bei RTL sowie ProSieben diverse Nachrichtenformate moderieren.

Das dürfte viele Zuschauer verwundern. Schließlich gilt die "Tagesschau" angesichts ihres professionellen Qualitätsjournalismus als der Porsche unter den Nachrichtensendungen. Wieso entscheiden sich Hofer, Zervakis und Atalay dann für einen Wechsel? Der Versuch einer Erklärung.

Private Kanäle können höhere Gehälter zahlen

Zunächst einmal dürfte Geld eine Rolle gespielt haben. Es ist unbestreitbar, dass die finanziellen Mittel der gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender eher knapp bemessen sind. Dass diese nicht zu verschwenderisch eingesetzt werden – dafür sorgt auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten.

Dementsprechend sind auch die Honorare der Nachrichtensprecher gedeckelt. Nach Angaben der ARD bekommen sie als freie Mitarbeitende für die Hauptausgabe der Tagesschau genau 259,89 Euro, für kürzere Ausgaben gibt es bereits deutlich weniger Geld.

Private Kanäle wie ProSieben, Sat.1 und RTL hingegen können auf Grund ihrer Finanzierung durch Werbung mit üppigeren Gehältern locken, was vermutlich auch dem ehemaligen ARD-Trio zugesagt hat.

Neue Herausforderungen motivieren Moderatoren

Doch es dürfte bei weitem noch andere Gründe geben. Selbstentwicklung ist einer davon. So begründete Zervakis ihren Abschied laut ARD damit, sich "beruflich verändern" zu wollen. Die privaten Sender scheinen auch für einen jobmäßigen Tapetenwechsel eine attraktive Option in petto zu haben: Schließlich bieten sie ihren Journalisten zahlreiche und flexible Möglichkeiten, sich in vielen neuen Formaten zu erproben oder diese sogar selbst zu gestalten. 

In den Genuss dieser neuen Herausforderungen durfte die 45-Jährige bei ihrem neuen Arbeitgeber ProSieben bereits kommen, als sie im Mai SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zur Primetime interviewte – und das, obwohl sie ihr eigentliches Projekt erst im Spätsommer beginnt. Dann wird sie gemeinsam mit Matthias Opdenhövel ein eigenes journalistisches Magazin zur besten Sendezeit moderieren.

Dem Projekt blickt sie mit Spannung entgegen: "Es soll gelacht, geweint, aber auch sich gefreut werden. Es kann sein, dass wir den Politiker da haben und mit ihm sprechen. Es kann aber auch sein, dass wir den Wirecard-Skandal nehmen und Hintergründe beleuchten", sagte die Hamburgerin auf einer Pressekonferenz im April über das Format.

Privatsender profitieren selbst von diesem Image-Wandel

Auch Ex-Tagesschau-Chef Jan Hofer, der die ARD nach 36 Jahren verließ, bekommt bei RTL seine eigene wochentägliche Nachrichtensendung im Hauptabendprogramm, in der er als Anchorman fungieren wird. Nach Angaben des Privatsenders wird das Format aktuell von Gerhard Kohlenbach, Chefredakteur Nachrichten bei RTL News, entwickelt. "Ich freue mich sehr auf mein Projekt bei RTL", sagte Hofer dem Sender.

Dort wird er auch bald seiner ehemaligen Kollegin Atalay wieder öfter über den Weg laufen. Denn auch sie wird eine eigene Sendung bekommen, die Moderation eines Kanzlerkandidatentriells gemeinsam mit Peter Kloeppel ist ebenfalls Ende August geplant. Bei dem Sender werde sie den Ausbau der Informations- und Nachrichtenangebote in zentraler Rolle mitgestalten.

"RTL meint es gut mit ernstem Journalismus", sagt sie laut Deutscher Presse-Agentur. "In diesen politisch spannenden Zeiten wird das journalistische Profil von RTL weiter gestärkt, und ich freue mich, daran teilhaben zu dürfen."

Doch auch die privaten Sender dürften sich ihrerseits nach dem heiteren Handeln auf dem Transfermarkt der Nachrichtensprecher über ihre Hochkaräter-Neuzugänge freuen, stehen sie nach Skandal-(Zwangs)-Exits von eher dem Trash-TV zuzuordnenden Charakteren wie Schlagersänger Michael Wendler und Pop-Titan Dieter Bohlen doch für eine Neuausrichtung der Sender in Richtung unaufgeregte Professionalität.

Kraft ihrer unterschiedlichen Informationssendungen und Wahldebatten wollen ProSieben und RTL nun versuchen, mit ihren Newsformaten wieder auf Augenhöhe mitzudiskutieren und bei gesellschaftlich relevanten Themen mitzumischen. Nebenbei sollen dabei auch die laut "Spiegel" rückläufigen Quoten wieder auf Vordermann gebracht werden.

Ob die Strategie aufgeht, wird sich zeigen.

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