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NSA-Affäre: "Abgehört und abgenickt"

Von wegen "Lügenpresse"

NSA
Hubert Seipel kritisiert 2015 den polemischen Kampfbegriff "Putin-Versteher". Verstehen sei nun mal die journalistische Voraussetzung für die rationale Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Interessen

Was ist eigentlich aus der NSA-Abhöraffäre geworden? Investigativjournalist Hubert Seipel präsentiert Ergebnisse - denen eine Recherche vorausging, die sich nur noch wenige Medien leisten.

Acht lange Monate reiste Hubert Seipel für sein Putin-Porträt "Ich, Putin" an der Seite des russischen Präsidenten. An seiner neuen Doku "Abgehört und abgenickt" über den NSA-Abhörskandal, die am 6. Februar im Ersten läuft, arbeitete der Dokufilmer - mit Unterbrechungen - sogar mehr als drei Jahre lang. In unserem Medienalltag mit ihren schnelllebigen Social-Media-Aufregern ist das eine gefühlte Ewigkeit. Für viele jüngere Journalisten unvorstellbar lang. "Es ist mir wichtig, Zusammenhänge aufzuzeigen", sagt Seipel, der in diesem Jahr 67 wird und für seine Arbeiten schon mit dem Grimme- und anderen Fernsehpreisen ausgezeichnet wurde.

"Die Kleinteiligkeit, mit der heute oft operiert wird, mit Zappelbildern, die nichts sagen, nur als Dekoration, das kann nicht Job des Journalismus sein." Hochkomplizierte Skandale wie die NSA-Abhöraffäre lassen sich mit solchen Mitteln nicht durchdringen. Für seine Doku sprach Seipel mit ehemaligen Leitern von BND und NSA, arbeitete sich durch geheime Akten, erforschte die weit zurückreichende Geschichte der beiden Geheimbünde und kann nun sagen: Der BND hat bei seiner Zusammenarbeit mit der NSA illegal gehandelt und wusste das auch.
Watergate war für die "Washington Post" ein Verkaufsknüller
Solche Erkenntnisse sind für eine Demokratie enorm wichtig, kosten aber viel Zeit und damit Geld. Und bringen kommerziellen Medien immer weniger ein. "Die Refinanzierbarkeit ist schwierig geworden", sagt Seipel. Aus dem Watergate-Skandal konnte die aufdeckende "Washington Post" in den Sechziger- und Siebzigerjahren noch mindestens zwanzig Artikel ziehen. Als der "Spiegel" im Dezember Einkommen und Steuervermeidungsstrategien internationaler Fußballstars offenlegte, verkaufte sich das unterdurchschnittlich. Der zweite Fußball-Leaks-Artikel über die Bundesliga ist schon eines der schwächstverkauften Hefte in der jüngeren Geschichte des Magazins.
Rechercheverbünde werden als vierte Gewalt immer wichtiger
Einer Wächterfunktion nachzukommen wird für die Medien mit ihren stetig schrumpfenden Redaktionen zunehmend schwieriger. Immer wichtiger werden daher unabhängige Recherchen von Journalisten wie Seipel oder von Rechercheverbünden wie dem spendenfinanzierten Correctiv.org oder dem gebührenfinanzierten Verbund von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung".

"Ich habe keine eigene Produktionsfirma. Ich möchte nicht durch Aufträge erpressbar werden", sagt Seipel, der schon als Schüler journalistisch arbeitete und heute bei seinen Projekten wählerisch sein kann, aber einräumt: "Wenn ich dreißig wäre, würde das nicht funktionieren." Wahrscheinlich ist es dieser lange Atem - und das Renommee seiner Arbeiten -, der ihm Türen öffnet, die anderen verschlossen bleiben. Neben der zum Kreml zum Beispiel die zu Whistleblower Edward Snowden, der Seipel 2014 das erste Fernsehinterview überhaupt gab.

Moderne Enthüllungen, die mit der Auswertung von Datenbergen wie bei den Panama Papers einhergehen, sind mit Berufserfahrung und Expertise allein allerdings nicht zu stemmen. Das können nur noch Zusammenschlüsse wie der von NDR, WDR und "SZ" leisten. Die machen mit Gebührengeldern den privatfinanzierten Medienhäusern Konkurrenz, sagen Kritiker. Das lässt Seipel nicht gelten: "Könnte ich verstehen, wenn wir ständig Enthüllungen über Queen Elizabeths Intimleben machen würden, aber wenn das gesellschaftlich relevante Themen sind, verstehe ich es nicht. Die meisten Medien, außer vielleicht der ‚Spiegel‘, sind an solche Themen auch früher nicht rangegangen."

Das ist auch bei einflussreichen neuzeitlichen Netzwerken nicht anders. So lässt sich der 300 Milliarden Dollar schwere Social-Media-Gigant Facebook vom winzigen Correctiv.org beim Erkennen von Fake News helfen. Spendenfinanziert.

Autor: Frank Aures