Auf der Straße in den Bergen oberhalb von Split liegt eine Leiche: eine Frau im roten Kleid, stark verwest und zerschlissen - vor ihrem Anblick sei schon mal gewarnt. Was ist passiert? Im elften "Kroatien-Krimi" mit dem viel Thrill versprechen Titel "Tod im roten Kleid" (Regie: Michael Kreindl), der nun zur Primetime wiederholt wird, treffen festgefahrene Geschlechtervorstellungen, die sektenhaft religiös untermauert sind, und die aufgeschlossene Kommissarin Stascha (Jasmin Gerat) in Split aufeinander.

Der Erfinder und stete Autor der Reihe, Christoph Darnstädt, wagt es, im dalmatinischen Ferienambiente Tradition und Moderne aufeinanderprallen zu lassen. Zwischen den Dialogzeilen werden überkommene Vorstellungen geschickt verhandelt - was sich wiederum zu einem Gutteil dem frischen Spiel Jasmin Gerats als kroatische Kommissarin verdankt. Der etwas brav angelegte Kollege Emil Perica (Lenn Kudrjawizki) ist ihr bei der Interpretation der heimischen Mentalität behilflich, ganz ohne Aufdringlichkeit.

"Die leben da oben noch im Mittelalter"

"Das ist ein junger Mann. Kein Transvestit - sondern Transgender", erklärt die Forensikerin gleich zu Beginn am Fundort der Leiche, während der Ortspolizist moniert, dass "so was" allenfalls in Rijeka oder in Zagreb herumlaufe - "hier oben nicht!" Damit sind die weltanschaulichen Grenzen deutlich abgesteckt. "Die leben da oben noch im Mittelalter", so heißt es. Später wird Staschas Kollege Emil gar aus der Bibel zitieren - aus dem Paulus-Brief an die Galater, so lässt sich googeln: "Hier ist nicht Jude noch Grieche ... Hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid alle eins in Jesus Christus." Emil hat das von seiner frommen Mutter gelernt - und wahr ist's, auch wenn Paulus vielleicht den Himmel meinte. Der Satz trifft das Transgender-Thema, das in diesem Krimi ansonsten mit viel theatralischem Thrill verhandelt wird.

Antonia, die Tote, die vormals Anton hieß, gibt viele Rätsel auf. Stascha und Emil sind bei ihrer Recherche, beim Abklappern von Verdächtigen und Verwandten, schwer beschäftigt. Bald wird auch ein toter Onkel Antonias in seinem Haus gefunden. Starker Verwesungsgeruch und Schmeißfliegen und Maden lassen darauf schließen, dass auch Antonias Leiche vor mehreren Tagen im Haus des Onkels gewesen ist. Warum wurde einer nach dem anderen ums Leben gebracht? Geht ein moralisierender Fanatiker um? Die Suche führt gar in die Psychiatrie, wohin man den Neffen einst verbrachte - wegen seines Verfolgungswahns, wie es heißt.

Überflüssig muten die Dispute der Kommissarin mit ihrem Vater an

Es wird viel Vergangenes berichtet und zurückgeblendet, um die Lebensgeschichte von Antonia zu erzählen. Der fortgereiste Bruder, eine enttäuschte Jugendfreundin kommen ins Spiel. Die Spannung wird dabei hochgehalten, der zur Belehrung tendierende Stoff aber nicht einfältig verhandelt. Jasmin Gerat und Lenn Kudrjawizki, der in Leningrad geborene Schauspieler mit dem unaussprechlichen Namen, bewegen sich auf dem Gender-Terrain so geschickt, dass man die Fragwürdigkeit, dass hier Deutsche kroatische Kommissare mimen, ganz gut vergessen kann.

Überflüssig muten dagegen die Dispute der Kommissarin mit dem eigenen Vater an, die für die heitere Farbgebung sorgen sollen. Wiederholt werden Staschas immer noch ausstehende Ehe und die endlich zu zeugenden Enkel vor illustrer Kulisse thematisiert. Alles in allem ist "Tod im roten Kleid" aber ein spannender Thriller, der sich dem Hang zur Groteske mit viel Geschick erwehrt.

Bei der Erstausstrahlung des Films am 27. Januar 2022 schalteten 6,12 Millionen Menschen ein - eine der besten Quoten der Reihe. Der 16. und bis dato letzte neue "Kroatien-Krimi" mit dem Titel "Die toten Frauen von Brac" lief im vergangenen Februar im Ersten. Nächsten Donnerstag gibt es eine weitere Wiederholung eines alten Falls, die auf demselben Sendeplatz ausgestrahlt wird: "Der Kroatien-Krimi: Vor Mitternacht".