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"Ich weiß alles!"

Imago

Eine neue Show vereint die Quizgiganten Jörg Pilawa und Günther Jauch

Der eine hat in seiner Vita bereits über 20 Quiz­formate stehen, der andere startete Mitte August mit "Wer wird Millionär?" in sein 20. Jahr. Wer in Deutsch­land an Quiz denkt, denkt an Jörg Pilawa und Günther Jauch. Nun treffen die zwei Branchenriesen in einer Show aufeinander - und Thomas Gottschalk mischt auch noch mit. Im "härtesten Quiz Europas" - man hätte sich einen weniger ­abgegriffenen Superlativ gewünscht - begrüßt ­Pilawa Kandidaten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich in einem Fachgebiet bestens auskennen, aber auch sonst mit Grips ­gesegnet sind. In der ersten Runde gilt es, ­einen ­Experten zu besiegen, zum Start u. a. Beatles-Fan Gottschalk, in der zweiten bekommen es die Kandidaten mit gleich 1000 Gegnern im Studio zu tun, zuletzt verbünden sich schließlich Jauch, sein österreichisches Pendant Armin Assinger ("Millionenshow") und Susanne Kunz, Gastgeberin der Schweizer Quizshow "1 gegen 100", im Duell "Einer gegen drei" gegen die Superhirne. Nur wer alle drei ­Runden für sich entscheidet, kann 100 000 Euro gewinnen, Joker und Hilfsmittel gibt es keine.
Quizmania
Mit "Ich weiß alles!" startet die gefühlt 378. Quizshow im deutschen Fernsehen. Warum das Genre nicht totzukriegen ist, weiß Fragenerfinder Harald Valder.

Vlädt ein gewisser Hans-Joachim Kulenkampff auf der Funkausstellung in Düsseldorf das Publikum und Teams aus drei Metropolen zum Städtequiz. Die Resonanz ist enorm, "Wer gegen wen?" geht in Serie und wird zur ersten großen TV-Samstagabendshow - und Kuli ­einige Jahre später mit "Einer wird gewinnen" zu dem deutschen Entertainer schlechthin.

Ob "EWG", "Der große Preis", "Wer wird Millionär?": Die populärsten Shows basieren auf dem simplen Prinzip Moderator fragt, Kandidat antwortet. Anfang der 90er-Jahre erklärte das ZDF das Genre zwar mal für erledigt, doch spätestens seit fast alle Shows auf das Multiple-Choice-Prinzip setzen, das den Zuschauer aktiv zum Mitraten einlädt, boomt Quiz wieder, derzeit laufen allein 20 Formate. Und Jörg Pilawa glaubt angesichts der sich rapide ändernden TV-Landschaft: "Das Einzige, das überleben wird, ist die Quizshow." Der Mann, der eigentlich nie als Quizonkel in die Annalen eingehen wollte, ist heute mit sich selbst im Reinen. Über 2500 Ausgaben hat Pilawa abmoderiert, mit der Eurovisions­show "Ich weiß alles!" will der 53-Jäh­rige nun noch mal das große Rad drehen: "Ich wünsche mir, dass wieder ein Hauch von ,Einer wird gewinnen‘ auf den Samstagabend zurückkehrt." So viel Pathos hätte man dem sonst so routinierten Pilawa gar nicht zugetraut.

Was die Quiz-Expertise vor der Kamera anbelangt, ist Pilawa unangefochten, sein Pendant abseits der Kamera ist vielleicht Harald Valder. Mit seiner Firma Mind the Company hat der 51-Jährige schon Dutzende Shows mit Fragen bestückt, u. a. "Wer wird Millionär?" und "The Wall". Wir haben den Spieß umgedreht und dem Herrn der Fragen - nun ja - Fragen über Fragen gestellt.
Das Interview
Wie viele Fragen hat Ihre Firma bisher entwickelt?
Harald Valder: Wir haben in ­unserer Datenbank etwa 150 000 Fragen, gesendet wurden davon bisher etwa 40.000 bis 45.000.

Wie viele Fragen schreiben Sie am Tag?
Das ist unterschiedlich. Es kommt darauf an, ob gerade ein neues Format ansteht, für das man unheimlich viele neue Fragen benötigt, oder ob wir den "Wer wird Mil­lionär?"-Pool ergänzen. "WWM"-Fragen sind komplexer aufgebaut als offene Fragen mit einer Antwort, oft muss man stundenlang recherchieren. Aber etwa 80 Prozent unserer Zeit verbringen wir eh nicht damit, Fragen zu schreiben, sondern Fragen zu checken.

Was sind die Kriterien für eine gute Frage?
Das hängt vom Format ab. Bei "WWM" sollte eine einfache Frage lustig, eine schwere Frage inte­ressant sein. Die Leute zu Hause müssen animiert werden, mitzuraten, sie dürfen sich nicht alleingelassen fühlen. Es gibt ja Shows, in denen Fragen gestellt werden wie "Wann wurde Helmut Kohl geboren? 1930, 1931, 1932, 1933?", was ich langweilig finde. Interessant wird es, wenn man das Ganze umdreht und fragt: "Wer wurde in dem Jahr geboren, in dem die erste Fußball-WM stattfand?" Man gibt Alternativen vor wie Einstein, Kohl und zwei Leute jüngeren Datums, und wenn der Kandidat weiß, dass die erste WM 1930 stattfand, hat man einen ganz anderen Ansatz.

Werden die Fragen alle noch mal von den Redaktionen geprüft?
Bei einem neuen Format erstellen wir erst mal ein Fragenpaket. Dann folgen Besprechungen mit dem Sender und der Produk­tionsfirma, in denen jede Frage noch mal einzeln beäugt wird. Wir betreuen die Fragen von der Entstehung bis zur Ausstrahlung.

Stehen die einzelnen Fragen, die in einer Sendung gestellt werden, von vornherein fest?
Nein. Wir stellen für jede Sendung einen Fragenpool zusammen und müssen vor jeder Aufzeichnung jede einzelne Frage erneut überprüfen, manche wurden schon vor zehn Jahren geschrieben. Da zwischen der Aufzeichnung einer Sendung und der Ausstrahlung manchmal mehrere Wochen vergehen, können wir Fragen, bei denen sich in diesem Zeitraum etwas ändern würde, nicht stellen. Hätten wir beispielsweise bei einer Aufzeichnung vor einigen Wochen die Frage "Wer ist deutscher Fußballnationalspieler?" gestellt mit der Antwort Mesut Özil, und die Sendung würde erst heute ausgestrahlt, hätten wir ein Problem.

Wie viele Fragen sind denn in so einem Fragenpool?
Bei "WWM" beispielsweise sind es mehrere Tausend. Die Prüfung der Fragen geht aber schneller, als man vielleicht denkt, zum Beispiel bei geschichtlichen Sachverhalten ändert sich ja wenig.

Und die einzelnen Fragen wählt dann ein Zufallsgenerator aus?
Genau. Wenn ich in unserer ­Datenbank den Button "Fragen­leiter erstellen" betätige, werden etwa bei "WWM" wie von Geisterhand fünfzehn Fragen ausgewählt. Maßgeblich für die Kombination der Fragen sind das Themengebiet, das sich erst nach acht Fragen wiederholen darf, und der vorher festgelegte Schwierigkeitsgrad. Dann erfolgt noch eine Kontrolle, damit nicht zweimal hintereinander die gleiche Antwort richtig ist, was bei Fragen aus un­terschied­lichen Themengebieten durchaus der Fall sein kann.

Welche Themen sind tabu?
Katastrophen, Verbrechen, die NS-Zeit oder der IS-Terror sind schwierig. Wir haben zwar schon Fragen gestellt, in denen der Name Hitler vorkam, aber generell sind das keine Themen, die sich anbieten. Wir machen ja Unterhaltungsfernsehen, auch wenn ein Gutteil mit Wissen zu tun hat. Ich finde zwar wichtig, dass man gerade jüngeren Generationen in Erinnerung ruft, was in der NS-Zeit passiert ist, doch die Quizshow ist dazu der falsche Ort. ­Generell versuchen wir aber, uns nicht einzuschränken, es sollte keine Schere im Kopf geben.

Katastrophen und Verbrechen haben wahrscheinlich auch eine zeitliche Komponente.
Sicher. Jack the Ripper ist natürlich schon allein deswegen, weil seine Taten 130 Jahre zurück­liegen, eher ein Thema für eine Quizfrage als der "Kannibale von Rotenburg".

Welche Fragen sind schwieriger zu entwickeln: die leichten oder die schweren?
Ob leicht oder schwer, das größte Problem ist der begrenzte Platz, den die Felder für Fragen und Antworten bieten. Oft basteln wir zu fünft oder zu sechst mehrere Stunden an den Formulierungen, um alle notwendigen Informa­tionen auf dem zur Verfügung stehenden Raum unterzubringen.

Wie testen Sie, welche Gewinnstufe einer Frage zugeordnet wird?
Das ist ein komplizierter Prozess. Wir machen eine interne Fragenbesprechung, um festzustellen, wer von uns die Fragen hätte rich­tig beantworten können. Dann überlegen wir, wie viel die Frage wert sein könnte. Es kann aber sein, dass wir in der Konferenz mit dem Sender oder der Produktionsfirma feststellen, dass eine Frage leichter oder schwerer ist, als wir dachten. Insgesamt ist es immer eine Gemengelage aus zehn bis zwölf persönlichen Meinungen, die mit einfließen.

Haben Sie beim Zuschauen schon einmal einen Schreck gekriegt, weil bei den Fragen etwas falsch gelaufen ist?
Einen Schreck bekommt man häu­figer, wenn zum Beispiel meh­rere Personen im Raum sitzen, und einer sagt: Moment, ist das nicht soundso? Da zückt man schnell das Smartphone und checkt es nach. Der große Schreck kommt eher am Tag danach - mit der "Bild"-Zeitung. Aber glücklicherweise nur sehr, sehr selten.

Würden Sie sagen, dass Sie so eine Art Bildungsauftrag haben?
Ah, das ist schwierig, natürlich hätten wir gern einen. Ich sag mal Jein. Die Leute schauen ja Quiz aus zwei Gründen: Sie wollen etwas dazulernen, aber auch unterhalten werden. Sie wollen, dass zwischen Herrn Jauch und dem Kandidaten etwas passiert. Und wir versuchen mit den ­Fragen auch Punkte zu kreieren, durch die ein interessantes Gespräch entstehen kann. In erster Linie haben wir einen Unterhaltungsauftrag, es würde mich aber freuen, wenn nach der Sendung jemand sagen würde: Jetzt bin ich schlauer als vorher.

In Deutschland entstehen ständig neue Quizshows. Warum ist dieses Genre nicht totzukriegen?
Die Leute haben einfach Spaß daran, mitzuraten - was weiß ich, was weiß der Kandidat? -, da ist Schadenfreude dabei und Staunen, man hat eine Meinung zum Kandidaten und entscheidet sich, ob man ihm den Gewinn gönnt oder nicht.

Sind Sie der größte Fragen­anbieter in Deutschland?
Mind the Company ist eine Firma mit zehn Mitarbeitern, die auch über zehn bis zwanzig Jahre stabil dabeibleiben. Ich glaube nicht, dass es in dieser Form noch andere Anbieter gibt. Aber es gibt einige Freelancer, die sich für einzelne Projekte zusammentun.

Wie lautet Ihre Lieblingsfrage?
"Was haben schlecht gepflegte Zähne mit Duisburg und Bochum gemeinsam?" - A) Zahnfleischbluten, B) Löcher wegen Karies, C) Füllungen aus Amalgam, D) noch Essen dazwischen. Das mag ich, das ist mein Humor.