"Bauer sucht Frau", "Germany's Next Topmodel" oder "Schwiegertochter gesucht" – all diese Reality-Formate leben von den vermeintlich authentischen Emotionen der Teilnehmer. Streits, Eskalation und emotionale Momente sollen aus dem Affekt heraus geschehen. Doch in der jüngsten Vergangenheit sorgten einige Skandale dazu, dass Reality-TV ein negatives Image abbekommen hat. Wie fake ist Reality-TV also wirklich?
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"Newtopia" setzte ganz neue Fakeness-Maßstäbe im Reality-TV
Ein neues Extrem an Reality-TV, das mehr fake, als real ist, setzte "Newtopia" im Jahr 2015. Als Quotenhoffnung gestartet, sollte das "größte TV-Experiment aller Zeiten" offiziell ohne Regeln und Regieanweisungen auskommen. Kurz zum Inhalt: 15 Teilnehmer beziehen ein Stück Land und müssen à la "Big Brother" miteinander klarkommen und sich selbst versorgen.
In einer schicksalshaften Nacht sorgte ein schlafender Mitarbeiter im Regieraum ungewollt für folgenden Skandal: Eine Mitarbeiterin der Produktionsfirma lief in den mit 104 Kameras bestückten Menschenzoo, um mit dessen Insassen die Zukunft der Sendung zu diskutieren. Das Ganze wurde live im TV übertragen. Die in Wahrheit gescriptete Reality-Show stellte sich schnell als Schummel-Show heraus und sorgte im Anschluss für einige Diskussionen.
#Verafake – Ein echter Klassiker im Fake-TV
In der Diskussion über den Wahrheitsgehalt von Reality-TV kommt man an dem Skandal rund um Vera Int-Veens Reality-Doku "Schwiegertochter gesucht" nicht herum. Jan Böhmermann schleuste im Zuge seiner Show "Neo Magazin Royale" 2016 zwei Schauspieler als Kandidaten in die Show. Sie legten fragwürdige Produktionsmethoden offen, wie beispielsweise eine Aufwandsentschädigung für 30 Drehtage von 150 Euro oder die vertragliche Pflicht, vorgegebene Texte nachzusprechen. Außerdem wurden Teilnehmer in ihrem Profil überspitzt dargestellt und erhielten stellenweise eindeutige Anweisungen zu ihrem Verhalten.
Eingriffe der Redaktion hinter der Kamera bei GNTM
Für Aufsehen sorgte auch die ehemalige GNTM-Kandidatin Lijana Kaggwa. Zwei Jahre nach ihrer Teilnahme bei "Germany's Next Topmodel" brach sie in einem YouTube-Video ihre Schweigepflicht und packte aus, wie es hinter den Kulissen des Reality-Wettbewerbs zugehen würde. Sie kritisierte neben den extremen Drehbedingungen inklusive Smartphone- und TV-Verbot auch den aktiven Eingriff der Produktion in den Wettbewerb. So sollen Füße der einige Models eingecremt worden sein, damit sie in High Heels rutschen. Vor allem aber kritisierte sie die Redaktion hinter der Kamera, die versuchen würde, die Models zu manipulieren und Worte in den Mund zu legen – der Schnitt würde Aussagen aus dem Kontext reißen.
Kaggwa ist nicht das erste Model, dass harte Vorwürfe in Richtung GNTM schießt. Tessa Bergmeier erzählte in einem Interview mit der GALA ebenfalls von fiesen Redakteuren und dem zusammenhangslosen Schnitt. "Generell ist GNTM kaum echt, es ist halt eine Show", sagte sie über ihre Teilnahme im Jahr 2009.
Auch andere Teilnehmer packten aus
Auch ehemalige Teilnehmer von Formaten wie "Kampf der Realitystars" oder "Love Island" erzählten von Tricks der Redaktionen. Vor allem der Schnitt sei das Mittel der Manipulation, so Xenia Prinzessin von Sachsen ("Kampf der Realitystars"): "Alles in diesen Shows ist real, allerdings geschnitten." Auch "Regieanweisungen" sind ein gern genutztes Mittel. So verriet Greta Engelfried ("Love Island") der tz.de: "Die privaten Gespräche zwischen uns wurden leider viel zu wenig gezeigt und bei den Dates bekommt man gern mal von der Regie gesagt, dass man doch nicht so viel über sich, sondern über die Leute im Haus reden soll."
Die Reportage "Sex, Alkohol, Manipulation – Reality-Stars packen aus" holte erst kürzlich die Diskussion rund um Reality-TV wieder hervor. Neben den schwerwiegenden Vorwürfen ehemaliger Teilnehmer meldete sich ebenfalls ein Realisator, der für die Umsetzung des Scripts verantwortlich ist, zu Wort. Anonymisiert gibt er zu: "Das ist hoch manipulativ. An sich ist der Realisator derjenige, der die Menschen steuert, der ganz klar sagen muss: Ich möchte, dass diese Geschichte jetzt diese Wendung nimmt und ich nehme dafür Dinge in Kauf und reize die Personen." Weiter heißt es: "Ich hatte Situationen, in denen ich mir bewusst vorgenommen habe, eine Person zu brechen, um zum einen Emotionen von dieser Person zu bekommen als auch gleichzeitig, um die Maske, die sie sich selbst aufgesetzt hat, runterzureißen."
Ist also alles im Reality-TV fake? Gibt es so etwas wie "Reality"-TV überhaupt? "Es ist alles gespielt und nichts wahr. Die Leute lieben es, wenn sie eine scheinbare Realität vorgespielt bekommen. Zusätzlich hat es an ungeheurer Bedeutung gewonnen, aus dem ganz simplen Grund, dass es wirklich billig ist", sagte Ex-RTL-Chef Helmut Thoma bei Focus.de nach dem Vera-Fake. Letztlich ist Fernsehen immer in gewisser Art und Weise inszeniert, sollen Reality-Formate, wie GNTM vor allem der Unterhaltung dienen.