Was waren das für Zeiten, als bei "Deutschland sucht den Superstar" (RTL) noch galt: ein Mann, ein Wort. In der weiten TV-Welt der Rumeierei konnte man sich immer auf eins verlassen: Wenn Dieter Bohlen den Daumen senkte, dann war das quasi Gesetz. Und dann hieß es "Raus mit der Maus an die Frühlingsluft" und der Kandidat schied aus. Man erinnere sich an Amadeus Soszka, der 2018 legendär lange, aber eben erfolglos um den blauen Recall-Zettel bettelte. Dieter sagte einmal mehr "Nein" als Amadeus "Aber bitte gib mir doch eine Chance".
2023 ist alles anders. Bohlen kann es selbst kaum glauben. "Ich kann das nicht mehr, ich werd altersmilde." Rein nach dem Leistungsprinzip war wirklich nicht zu erklären, warum es Rahman Hashempour Kargar in die nächste Runde schaffte. Sicher, der 27-Jährige hat eine tragisch zu nennende Kindheit, ja, ihm hat die Musik und auch das DSDS-Gucken ("Immer an seine Träume glauben!") durch tiefste Tiefen geholfen. Aber: Er kann nicht singen, das räumte er selbst ein, und er ist - wider seine Überzeugung - kein herausragender Rapper, so urteilten sowohl Dieter Bohlen als auch Pietro Lombardi. Normalerweise wäre da sein Casting-Schicksal besiegelt.
DSDS könnt ihr bei RTL+ schon eine Woche vorher schauen.
Bitte(r): Kandidat erbettelt Recall-Zettel
Aber die Neue, Leony (bürgerlich: Leonie Burger), meinte: "Ich find dich gut" und gab ein zögerliches Ja. Und die andere Neue, Katja Krasavice, gab ein "Mitleids-Ja". 2:2, an sich eine Sensation. Leider hatte Rahman Pietro als seinen Joker auserkoren. Aber statt das Ausscheiden wie ein Mann zu nehmen, ging die Bettelei los. "Gib mir noch eine Chance, dich zu überzeugen", barmte der Hüne (dabei hatte er schon zwei, einmal mit "Filet Mignon" von KC Rebell und einmal mit eigenem Rap, bekommen). Und Dieter knickte ein, guckte ratlos und alt und meinte: "Ja, nimm den Zettel und geh raus." Vorübergehendes Happy End für Rahman, wobei man sich schon fragt, wie er in der kurzen Zeit bis zum Recall das Singen lernen will.
Das Schlimmste aber: Das Einknicken steckte an. Und deshalb wurde Pietro Lombardi zum dreisten Dieb. Als dem Gaudibursch ein bisschen fad wurde, lehnte er sich weit aus dem Fenster: "Egal, wer jetzt kommt, egal, ob gut oder schlecht, der kriegt meine goldene CD!" Dabei grinste er Papa Dieter dreist an - aber das verging ihm zügig.
Pietro Lombardi klaut seine Gold-CD
Als Pascal Paul (27) aus Essen den Castingraum betrat, war er noch Wundertüte. Hätte was werden können. Als er sein Pikachu-Stofftier als "meinen Sohn Bobby" vorstellte, verrutschte Pietros Lächeln schon ein wenig. Als Pascal gestand, erst seit anderthalb Jahren Musik zu machen, verschwand es. Trotzdem überreichte ihm Pietro schon mal die goldene CD - das Direktticket zum Recall in Thailand! - "zur Probezeit". Aber sein Barmen "Hoffentlich kannst du singen" wurde nicht erhört.
Als Pascal anhob, mit "Nothing Breaks Like A Heart" (Mark Ronson feat. Miley Cyrus) alle in Grund und Boden zu brüllen, schlich sich Pietro vom Jurypult hinter Pascals Rücken und mopste ihm die goldene CD. Von "Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen" oder "Versprochen ist versprochen" hat Pietro anscheinend nie was gehört. Pascal nahm's nicht krumm, sondern akzeptierte seine vier Neins.
Dieter Bohlen schwenkt die weiße Fahne
Ebenfalls nicht wiederkehren werden Schilan Ahmad (25), Josephine Cammann (24), Linnea Jonasson (22) und An Bùi Ngoc (26), für Farbtupfer sorgten aber alle. Schilan verzauberte (als magische Assistentin eines Zauberkünstlers kein Wunder) die Jury mit einem Kartentrick, wurde aber sogar auf ihrem eigenen Terrain von Dieter geschlagen, der Pietro in ein Einhorn "verzauberte". Für ausreichende Sangeskunst bei Schilan reichten Dieter Potters Zauberkräfte dann leider nicht.
Josephine fiel wegen ihres Outfits (Dieter: "Warum hast du dich angezogen wie ein Tanzmariechen?") auf, aber nicht unbedingt positiv. Gleiches galt für ihre Stimme. Vier Nein kassierte auch Linnea, die immerhin eine Auszeichnung mit nach Hause nehmen kann. Dieter: "Echt, bis jetzt warst du die Schlechteste. Du bist völlig, völlig, völlig unmusikalisch und talentfrei, was Singen angeht."
Kandidat An zu unguter Letzt hatte drei Outfits für drei Songs dabei und bewies mit jedem noch ein bisschen mehr, dass das mit dem Singen nicht sinnvoll ist. Dieter: "Das wird ein Happy End. Du bist glücklich und ich am Ende." Er schwenkte sogar die weiße Fahne!
Mobbing-Opfer singt sich zur Wehr
Aber dann gibt es halt immer wieder diese Momente, die einen an das Gute in "Deutschland sucht den Superstar" als Casting-Show glauben lassen. Olga Levit (29) aus Berlin trat zwar mit einer lässigen Attitude an, die leicht als Arroganz ausgelegt werden könnte, dann blies sie aber mit einem unglaublich gefühligen "Run To You" von Whitney Houston die Jury vom Pult. Dieter, als Oldie eh näher am Wasser gebaut, musste schlucken. Nicht, weil Olga so schlecht gewesen wäre, sondern weil sie ihn an "die arme Whitney" erinnerte und "dass die ja jetzt nicht mehr da ist". Schluchz, wie recht er hat. Viermal ja.
Genauso überzeugend: Melissa Bucan. Mit 17 noch ein Küken hat sie aber bereits eine Top-Stimme, wie sie mit "Anyone" (Demi Lovato) bewies. Sie wurde in der Schule gehänselt und ausgegrenzt. Hoffentlich habe alle ihre Hater ihren Super-Auftritt gesehen und schämen sich in Grund und Boden. Zumal: Das wird nicht Melissas letzter Auftritt gewesen sein. Dieter: "Die kann hier weit kommen, ganz toll."
Die Legenden Shada Ali und Claudia Haas sind zurück!
Auch der Soldat mit der zarten Stimme, Calvin Terrence (22), und Natalie Nock (29), das singende Plappermäulchen aus dem Schwarzwald, kamen in die nächste Runde. Ebenso wie Isa Berisha (22). Der war schon 2020 im Recall und scheiterte dort. Will er diesmal vermeiden, er hat sich "krass vorbereitet". Im Ansatz war's zu hören.
Apropos Comeback: Auch Shada Ali (25) und Claudia Haas (30), zwei "einmalige" Teilnehmer der 18. Staffel, sind zurück. Diesmal traten sie im Duett ("We Got Tonight") außer Konkurrenz an, aber es ist zu befürchten, dass sie es im Einzelwettbewerb noch mal wissen wollen. Bohlen sieht's mit gemischter Freude: "Shada ist wie ein musikalischer Picasso. Dessen Kunst hat zu seiner Zeit auch keiner verstanden."
Das Original zu diesem Beitrag "DSDS: "Ich bin altersmilde" – Dieter Bohlen versteht sich selbst nicht mehr" stammt von "Teleschau".