Das Oberlandesgericht wirft dem Sender vor, mit dem Film Vorverurteilung betrieben zu haben. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("FAZ"). Der 90-minütige Doku-Thriller "Der große Fake – Die Wirecard-Story" gab Einblicke in den womöglich größten Bilanzskandal der Nachkriegsgeschichte. Schauspieler Christoph Maria Herbst ist darin als Ex-Wirecard-Chef Markus Braun zu sehen, Franz Hartwig mimt den Ex-Top-Manager Jan Marsalek.

Demnach sollen die Richter ihren Vorwurf nur wenige Stunden vor der geplanten Ausstrahlung formuliert haben. Sie seien der Meinung, im Beitrag äußere man den Verdacht, "dass über Wirecard auch Kinderpornographie und Terrorismus mitfinanziert worden seien".

Außerdem würde "identifizierend" über Kronzeuge Oliver B. gesprochen werden – er wird in dem RTL-Format als "Statthalter in Dubai" bezeichnet. Aus diesem Grund erließen Münchner Richter eine einstweilige Verfügung und drohten RTL mit einer Geldstrafe, sollte der besagte Abschnitt im Film enthalten bleiben.

RTL: Sender kann Gerichtsentscheid nicht nachvollziehen

Doch weil das Oberlandesgericht München seine Entscheidung derart knapp veröffentlichte, konnte an der Ausstrahlung des RTL-Doku-Thrillers nichts mehr geändert werden. In der Mediathek sei der Beitrag jedoch inzwischen an den besagten Stellen unkenntlich gemacht worden.

Auf "FAZ"-Nachfrage teilte RTL mit, davon seien insgesamt nur zwei Minuten des Films betroffen. Zudem habe das Landgericht die Sache zuvor noch anders bewertet. "Wir halten die Entscheidung des OLG München schlicht für falsch", bekräftigt eine RTL-Sprecherin.

Als nächster Schritt wolle der Kronzeuge Oliver B. nun mit Hilfe seines Anwalts die angedrohte Geldstrafe durchsetzen. Für RTL bedeutet dies wohl, dass der Sender vor Gericht erklären muss, warum er die Entscheidung des Oberlandesgerichts München ignorierte – und den Wirecard-Film dennoch ausstrahlte.

Das Original dieses Beitrags erschien zuerst bei Focus Online.