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Doku: Das unbekannte Nordkorea

Doku: Das unbekannte Nordkorea
farbfilm-verleih

Die deutsch-südkoreanische Regisseurin Sung-Hyung Cho ("Full Metal Village") nähert sich in "Meine Brüder und Schwestern in Nordkorea" dem Nordkoreanischen Volk.

Das Gesicht Nordkoreas ist das seines exzentrischen Machthabers Kim Jong-un. Und der steht für Kriegsdrohungen, willkürliche Hinrichtungen und grausamste Strafen für Kleinstvergehen. Jüngst schockierte er die Weltgemeinschaft mit dem Tod des US-Studenten Otto Warmbier, der verhaftet wurde, weil er ein Plakat abgenommen hatte, und infolge der Haftbedingungen ins Koma fiel und starb.

Und die Untertanen des Diktators? Dokus zeigen ein Volk von willenlosen Marionetten, die ihrem Führer lachend überallhin folgen und dank Gehirnwäsche und mangels Information von außen nicht erkennen können, wie sehr sie von ihm belogen werden.

Filmemacherin Sung-Hyung Cho ("Full Metal Village") zeichnet ein differenzierteres Bild der Nordkoreaner. Die deutsche Professorin ist gebürtige Südkoreanerin, spricht die Landessprache und geht mit patriotischer Sympathie auf ihre Gesprächspartner zu. Auch bei ihr verfallen sie immer wieder in das bekannte schwülstige Pathos, sobald es um Kim Jong-un geht. Aber man erfährt auch ungewöhnlich viel über ihren Alltag, ihre Wünsche, die tiefe Sehnsucht nach der Wiedervereinigung ihres Landes. Wir haben mit Sung-Hyung Cho, die als Kind gelernt hatte, dass im Norden ihrer geteilten Heimat Teufel leben, gesprochen.
Wie geht es den Nordkoreanern?

Sung-Hyung Cho: Schwer zu sagen. Ich bin ihnen schon relativ nahegekommen, wir mochten uns auch. Aber ich kann trotzdem nicht sagen, ob sie frei sprachen oder ob sie sich selbst inszeniert haben. Diese Selbstinszenierung ist ihnen schon lange zur zweiten Haut geworden. Die ehrliche Meinung zu äußern kann natürlich auch sehr gefährlich sein.

Ihre Protagonisten wirken auf jeden Fall erstaunlich gelöst.

Ja, die waren entspannter als sonst die Nordkoreaner im Film. Vielleicht weil die Aufpasser nicht beim Dreh dabei waren.

Sie konnten tatsächlich ohne Aufpasser filmen?

Anfangs nicht. Mein erster Protagonist war deshalb völlig gehemmt. Bei den Vorgesprächen war er ganz anders. Ich habe dann eine Grundsatzdiskussion geführt: Wollt ihr, dass die Menschen rüberkommen wie stotternde Idioten? Ist es nicht besser für das Vaterland, wenn seine Bewohner menschlich und sympathisch rüberkommen?

Das Filmmaterial wurde ja sowieso vor der Freigabe gesichtet.

Genau. Gegen mein Patriotismus-Argument konnten sie nichts mehr sagen. Und dann sind wirklich alle gegangen und waren auch nicht mehr in Hörweite.
Foto: farbfilm-verleih
In der viel beachteten Doku "Im Strahl der Sonne" wirken die Nordkoreaner ganz anders.

Der Film hat mich sehr geärgert. Ich finde ihn ethisch sehr fragwürdig. Er stellt die Menschen wie Roboter dar, wie Amöben. Als Koreanerin fühle ich mich betrogen. Das Land ist schon sehr extrem und sonderbar, aber die Menschen sind trotz allem sehr liebenswürdig. Sie sind auch witzig und haben Humor.

Aber sind sie nicht durch die andauernde Propaganda auch emotional beschädigt?

Natürlich sind sie dadurch gehirngewaschen. Aber das ist nicht alles, was sie sind. Sie bekommen auch etwas von der Welt mit. Es werden viele Filme aus China auf USB-Sticks eingeschmuggelt, und die werden auch gesehen. Auch südkoreanische TV-Serien. Das weiß ich von geflüchteten Nordkoreanern.

Sind sich die Menschen ihres schlechten Image in der Welt bewusst?

Studenten, Dolmetscher, die, die Kontakt zu Ausländern haben, schon. Und es stört sie sehr.

Immer wieder Raketentests und nun der Tod des US-Studenten Otto Warmbier. Wie schätzen Sie die momentane Lage ein?

Die Situation ist schon extrem bedrohlich. Ich habe bisher nicht gedacht, dass es zu einem Krieg auf der Koreanischen Halbinsel kommen kann, jetzt denke ich das schon. Trump provoziert ebenso wie Kim Jong-un, die schaukeln sich gegenseitig hoch.

Das kapitalistische Südkorea hat die höchste Selbstmordrate der Welt. Sind die Menschen in Nordkorea mit ihrem erzwungenen einfachen Lebensstil am Ende zufriedener?


Das weiß ich nicht. Das Leben dort ist sehr hart, die Armut überall sichtbar. Die Menschen sind vorsichtig, aber dennoch suchen sie ihr Glück. Sie kämpfen dafür. Sie können eine ganze Menge aushalten und werden dabei nicht depressiv. Sie versuchen, glücklich zu sein, und sie haben eine eigene Meinung, auch wenn sie sie nicht im Film erzählen. Das war mein Eindruck, und ich hatte Respekt davor.
Interview: Frank I. Aures