Die Kirche hat es auch nicht leicht. Im 14. Jahrhundert litt sie unter dem Papst-Schisma. Zwei, zeitweise sogar drei Päpste in Avignon und in Rom brachten die Menschen durcheinander und die Weltordnung ins Wanken.
Dieses Jahr droht das Luther-Schisma. Nach dem ARD-Luther in Gestalt von Devid Striesow im Frühjahr, der allerdings neben seiner emanzipierten Frau Katharina (Karoline Schuch) nur die Nebenrolle spielte, kommen nun gleich zwei von ihnen auf den Bildschirm und lassen die Menschen zweifeln, welcher Luther nun der wahre ist.
In der heißen Phase des Jubiläums "500 Jahre Reformation" zeigt das Zweite erstaunlicherweise zwei Spielfilme mit dem Wittenberger Kirchenerneuerer. Am 30. Oktober das 164 Minuten lange Prunkstück "Zwischen Himmel und Hölle" mit Maximilian Brückner. Am 31., dem eigentlichen Reformationstag, das Dokudrama "Das Luther-Tribunal" mit Roman Knižka in der Mönchskutte.
Der lange Spielfilm schnürt ein prachtvoll verpacktes Rundumpaket und versucht, alles Wesentliche der Jahre 1517 bis 1525, vom Thesenanschlag über den Wormser Reichstag bis zu den Bauernkriegen, in einem szenischen Best-of dramatisch zu verschmelzen: Luther und der Hader mit Gott, Luther und die Politik, Luther und die Macht, Luther und die Medien, Luther und die anderen.
Hauptdarsteller Maximilian Brückner macht aus dem ehemaligen Mönch und Theologieprofessor einen umtriebigen, ehrlichen, volksnahen Streiter. Vielleicht ein bisschen zu sehr Martin Schulz als Martin Luther.
"Weil wir immer nur aus unserer Zeit heraus erzählen können", habe man sich die Freiheit genommen, historisch komplexe Zusammenhänge in dramatische Erzählbogen zu fassen, umschreibt die ZDF-Redakteurin Solveig Cornelisen das filmische Konzept. Gedreht wurde in Prag, wo das Fernsehmittelalter fast schon zu Hause ist. Während die aufgebauten Kulissen die alte Zeit atmen, nimmt es die Inszenierung - um der Freiheit willen - mit der überlieferten Wirklichkeit weniger genau. Der fachliche Berater des Projekts, Professor Dr. Heinz Schilling, spricht von der Historiker- und der Filmemacherseite, die aufeinander Rücksicht nehmen müssten: die Filmleute auf die Quellenlage und die Wissenschaftler auf die "überbordende Erzählfantasie von Drehbuchautor und Regisseur".
An der mangelt es den Bildern und Dialogen wahrlich nicht. Hart trifft es etwa den Prediger Thomas Müntzer, Luthers Mitstreiter und späteren Feind, dem der Film viel Aufmerksamkeit schenkt. Er wird 1517 im Kloster direkt mal ans Kreuz geschlagen, eine martialische, unglaubwürdige Szene. Im gleichen Kloster beten auch Katharina von Bora, die spätere Frau Luther, und Ottilie von Gersen, die spätere Frau Müntzer. Das ist ebenso unwahrscheinlich wie die Behauptung, dass sich Thomas Müntzer schon 1517 in Ottilie verliebt. Die war da erst zwölf.
Die Sprache des Films pendelt zwischen historisierend und heutig. Mal ist von der "Causa Lutheri" die Rede, dann ruft der kämpferische Müntzer frei nach Oliver Kahn: "Wir müssen weiter, immer weiter." Luthers Medienberater, der Maler und Drucker Lucas Cranach, urteilt über das Thesenpapier: "Ich finde das gut, das ist modern, das rüttelt die Leute auf." Dazu muss man sich Christoph Maria Herbst im schön bestickten Wams vorstellen. Er ist Cranach. Und ein alter Besserwisser ist, wer jetzt auch noch bemängelt, dass Luther seine Thesen filmgerecht an die Kirchentür nagelt, obwohl er das mit größter Wahrscheinlichkeit nie tat (er schickte sie per Post nach Mainz zum Erzbischof). Berater Schilling weiß das, der Film will es nicht wissen.
Dieses Jahr droht das Luther-Schisma. Nach dem ARD-Luther in Gestalt von Devid Striesow im Frühjahr, der allerdings neben seiner emanzipierten Frau Katharina (Karoline Schuch) nur die Nebenrolle spielte, kommen nun gleich zwei von ihnen auf den Bildschirm und lassen die Menschen zweifeln, welcher Luther nun der wahre ist.
In der heißen Phase des Jubiläums "500 Jahre Reformation" zeigt das Zweite erstaunlicherweise zwei Spielfilme mit dem Wittenberger Kirchenerneuerer. Am 30. Oktober das 164 Minuten lange Prunkstück "Zwischen Himmel und Hölle" mit Maximilian Brückner. Am 31., dem eigentlichen Reformationstag, das Dokudrama "Das Luther-Tribunal" mit Roman Knižka in der Mönchskutte.
Der lange Spielfilm schnürt ein prachtvoll verpacktes Rundumpaket und versucht, alles Wesentliche der Jahre 1517 bis 1525, vom Thesenanschlag über den Wormser Reichstag bis zu den Bauernkriegen, in einem szenischen Best-of dramatisch zu verschmelzen: Luther und der Hader mit Gott, Luther und die Politik, Luther und die Macht, Luther und die Medien, Luther und die anderen.
Hauptdarsteller Maximilian Brückner macht aus dem ehemaligen Mönch und Theologieprofessor einen umtriebigen, ehrlichen, volksnahen Streiter. Vielleicht ein bisschen zu sehr Martin Schulz als Martin Luther.
"Weil wir immer nur aus unserer Zeit heraus erzählen können", habe man sich die Freiheit genommen, historisch komplexe Zusammenhänge in dramatische Erzählbogen zu fassen, umschreibt die ZDF-Redakteurin Solveig Cornelisen das filmische Konzept. Gedreht wurde in Prag, wo das Fernsehmittelalter fast schon zu Hause ist. Während die aufgebauten Kulissen die alte Zeit atmen, nimmt es die Inszenierung - um der Freiheit willen - mit der überlieferten Wirklichkeit weniger genau. Der fachliche Berater des Projekts, Professor Dr. Heinz Schilling, spricht von der Historiker- und der Filmemacherseite, die aufeinander Rücksicht nehmen müssten: die Filmleute auf die Quellenlage und die Wissenschaftler auf die "überbordende Erzählfantasie von Drehbuchautor und Regisseur".
An der mangelt es den Bildern und Dialogen wahrlich nicht. Hart trifft es etwa den Prediger Thomas Müntzer, Luthers Mitstreiter und späteren Feind, dem der Film viel Aufmerksamkeit schenkt. Er wird 1517 im Kloster direkt mal ans Kreuz geschlagen, eine martialische, unglaubwürdige Szene. Im gleichen Kloster beten auch Katharina von Bora, die spätere Frau Luther, und Ottilie von Gersen, die spätere Frau Müntzer. Das ist ebenso unwahrscheinlich wie die Behauptung, dass sich Thomas Müntzer schon 1517 in Ottilie verliebt. Die war da erst zwölf.
Die Sprache des Films pendelt zwischen historisierend und heutig. Mal ist von der "Causa Lutheri" die Rede, dann ruft der kämpferische Müntzer frei nach Oliver Kahn: "Wir müssen weiter, immer weiter." Luthers Medienberater, der Maler und Drucker Lucas Cranach, urteilt über das Thesenpapier: "Ich finde das gut, das ist modern, das rüttelt die Leute auf." Dazu muss man sich Christoph Maria Herbst im schön bestickten Wams vorstellen. Er ist Cranach. Und ein alter Besserwisser ist, wer jetzt auch noch bemängelt, dass Luther seine Thesen filmgerecht an die Kirchentür nagelt, obwohl er das mit größter Wahrscheinlichkeit nie tat (er schickte sie per Post nach Mainz zum Erzbischof). Berater Schilling weiß das, der Film will es nicht wissen.
Freier Umgang mit der Historie
Ohne den Bezug zum Heute und den freihändigen Umgang mit den Annalen geht im History-Genre anscheinend nichts mehr. Das hat aus der historischen Fiktion längst eine Fälscherwerkstatt gemacht. Fernsehfilme erzählen nicht, sie erträumen sich Chroniken und Biografien aus den vergangenen tausend Jahren. Selbstbewusste Wanderhuren, Hebammen oder Krankenschwestern nehmen darin unter dem Applaus des Publikums rückwirkend ihr Schicksal in die Hand. Historische Schmöker à la Iny Lorentz liefern die Vorlage.
Mit solchen Wünsch-dir-was-Filmen ist "Zwischen Himmel und Hölle" zwar nicht zu vergleichen, doch die Frauenrollen sind auch im seriösen Luther-Jahr kräftig ausgepinselt. Ottilie Müntzer, von der die Forschung so gut wie nichts weiß, wird in Aylin Tezels (starkem) Spiel zur revolutionär-feministischen Märtyrerin.
Thrill des Authentischen
Auch im Dokudrama "Das Luther-Tribunal" lockte das Weib. Professor Schilling, der auch hier beriet, sagt, Autor und ZDF-Redaktion hätten es gern gesehen, zumindest bei einer der Anhörungen Luthers in Worms Frauen ins Bild zu setzen. "Es tut mit leid, da konnte ich nicht mitgehen." Es sei damals undenkbar gewesen, dass eine Frau aus dem Volk den Fuß über die Schwelle einer Reichstagssitzung setzt.
Die Macher fügten sich. "Am Wind des dokumentierbaren Wissens entlangzusegeln" war der Anspruch von Stefan Brauburger, Leiter der ZDF-Zeitgeschichte. Auch das Dokudrama besteht zu achtzig Prozent aus Spielhandlung. Nur kommt hier Luthers Rechtfertigung ohne die nie gesprochenen Worte aus: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders."
"Das Luther-Tribunal" über die Tage im April 1521, als der Wittenberger die Weltbühne betritt, bezieht seinen Thrill aus dem Authentischen, das immer überzeugender wirkt als Erfundenes. Belegt durch Reichstagsakten und Korrespondenzen wisse man sogar, welcher Fürst welches Bier getrunken hat, sagt Brauburger. Exponate oder Originalschauplätze zu zeigen habe man sich geschenkt. Eine Off-Stimme sagen zu lassen, "hier hat einmal Luther gestanden", wo nun ein H&M-Laden ist - witzlos.
Festzuhalten bleibt: Mit dem zweiten Luther sieht man besser. Eventuell die Kräfte und das Geld zu bündeln und Luther mit einer Stimme sprechen zu lassen war im ZDF nie ein Thema. Eine direkte Abstimmung zwischen den Abteilungen Fernsehfilm und Zeitgeschichte gab es nicht. Das spaltet nicht die Kirche, aber vielleicht die Zuschauer.
Mit solchen Wünsch-dir-was-Filmen ist "Zwischen Himmel und Hölle" zwar nicht zu vergleichen, doch die Frauenrollen sind auch im seriösen Luther-Jahr kräftig ausgepinselt. Ottilie Müntzer, von der die Forschung so gut wie nichts weiß, wird in Aylin Tezels (starkem) Spiel zur revolutionär-feministischen Märtyrerin.
Thrill des Authentischen
Auch im Dokudrama "Das Luther-Tribunal" lockte das Weib. Professor Schilling, der auch hier beriet, sagt, Autor und ZDF-Redaktion hätten es gern gesehen, zumindest bei einer der Anhörungen Luthers in Worms Frauen ins Bild zu setzen. "Es tut mit leid, da konnte ich nicht mitgehen." Es sei damals undenkbar gewesen, dass eine Frau aus dem Volk den Fuß über die Schwelle einer Reichstagssitzung setzt.
Die Macher fügten sich. "Am Wind des dokumentierbaren Wissens entlangzusegeln" war der Anspruch von Stefan Brauburger, Leiter der ZDF-Zeitgeschichte. Auch das Dokudrama besteht zu achtzig Prozent aus Spielhandlung. Nur kommt hier Luthers Rechtfertigung ohne die nie gesprochenen Worte aus: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders."
"Das Luther-Tribunal" über die Tage im April 1521, als der Wittenberger die Weltbühne betritt, bezieht seinen Thrill aus dem Authentischen, das immer überzeugender wirkt als Erfundenes. Belegt durch Reichstagsakten und Korrespondenzen wisse man sogar, welcher Fürst welches Bier getrunken hat, sagt Brauburger. Exponate oder Originalschauplätze zu zeigen habe man sich geschenkt. Eine Off-Stimme sagen zu lassen, "hier hat einmal Luther gestanden", wo nun ein H&M-Laden ist - witzlos.
Festzuhalten bleibt: Mit dem zweiten Luther sieht man besser. Eventuell die Kräfte und das Geld zu bündeln und Luther mit einer Stimme sprechen zu lassen war im ZDF nie ein Thema. Eine direkte Abstimmung zwischen den Abteilungen Fernsehfilm und Zeitgeschichte gab es nicht. Das spaltet nicht die Kirche, aber vielleicht die Zuschauer.