Es ist schon verblüffend, mit welch tristem Ambiente und einem ebensolchem Plot man in Deutschland die Primetime eines Groß-Senders bestücken kann. Vorausgesetzt natürlich, es handelt sich dabei um einen Krimi mit bekannten Gesichtern wie in diesem Fall Nina Kunzendorf und Godehard Giese, beide großartige Schauspieler. Doch man muss schon eine gewisse Depressions-Toleranz mitbringen, um diese Handlung ertragen zu können. "Das Mädchen von früher" heißt der Krimi, den das ZDF erstmals zeigt.

Auf einem Feld in Brandenburg liegt der verkohlte Leichnam der 15-jährigen Bente. Das Mädchen lebte ganz in der Nähe auf dem Hof der Familie Strand. Hier werden seit Jahrzehnten Pflegekinder beherbergt, schon zu DDR-Zeiten. Mit den Kommissaren Maria Voss (Kunzendorf) und Teo Kromann (Giese), die seit Jahren gut zusammenarbeiten, aber mit privaten Themen nur sehr zurückhaltend umgehen, hat man zwei Kriminaler aufs Land geschickt, um den Tod des Mädchens zu untersuchen.

Für Maria Voss, die - typisch für TV-Krimis - aus der Gegend stammt, ist es eine Rückkehr zu schwierigen Wurzeln. Offenbar hat das Aufwachsen hier wenig Spaß gemacht. Als Überbleibsel jener Zeit lässt sich Polizist Lars Klapproth (André Hennicke) identifizieren, den Maria wohl früher gut kannte, mit dem sie aber heute irgendein Problem hat. Nicht ganz transparent scheint auch das Leben auf dem Strand-Hof, auf dem das ehemalige "Pflegekind" Maik Strand (Jonas Laux) gemeinsam mit Frau Gunda (Marie Anne Fliegel) und seinem mittlerweile an Demenz erkrankten Pflegevater Johann Strand (Dietrich Hollinderbäumer) noch für ein paar wenige verbliebene Pflegekinder verantwortlich ist. Ohnehin ist der Tod von Bente, in deren Magen man bei der Autopsie einen Schlüssel findet, irgendwie seltsam: Warum hat ihr das Ehepaar Gunnar (Jörg Witte) und Gerti Nowack (Rosa Enskat), das in der Nähe eine Tankstelle betreibt, überhaupt Benzin in Kanistern verkauft - einer ortsbekannten Brandstifterin?

Alle Menschen verbindet ein Geheimnis

Den sich in Provinz- und Einöd-Motiven ergötzenden Kriminalfilm hat sich ein Duo erdacht: Martina Mouchot, die 2011 für den Aelrun-Goette-Film "Keine Angst" über ein Jugendgetto den Grimme-Preis gewann, hatte zuletzt den Bremer Brachial-Thriller-"Tatort: Liebeswut" (2022) geschrieben. Regisseurin Lena Knauss zeichnete 2020 verantwortlich für den viel beachteten Berliner "Tatort: Ein paar Worte nach Mitternacht", der zum Tag der Deutschen Einheit lief und diese kritisch thematisierte. Auch in "Das Mädchen von früher" geht es um deutsche Biografien, die in der DDR begannen und im vereinigten Deutschland endeten - wobei die wenigsten Figuren dieses Krimis in dieser Hinsicht etwas zu feiern hätten.

Was beim ZDF-Montagsfilm mal wieder auffällt ist, dass in der deutschen Drehbuch-Provinz wirklich jeder jeden kennt und alle Menschen ein irgendwie dunkles und stark verwobenes Geheimnis miteinander verbindet. Einerseits ist dies bei dramatischen Stoffen ein bisschen systemimmanent, andererseits übertreiben es die "Das Mädchen von früher"-Macherinnen hier ein wenig mit den zutiefst traumatischen und sinistren Verstrickungen, die natürlich auch nicht vor den Ermittlern Halt machen.

Apropos Ermittler: Mit Nina Kunzendorf, die mit dieser Rolle mal wieder an ihre Frankfurter "Tatort"-Zeit als Ermittlerin Conny Mey (2011-2015) erinnert, und dem stets großartigen Godehard Giese hat "Das Mädchen von früher" zwei großartige, facettenreiche Schauspieler zu bieten. Bisher ist laut Aussage von Nina Kunzendorf keine Kriminalreihe mit ihrer Figur geplant. Ausgeschlossen wird eine Fortsetzung im Erfolgsfalle aber wohl auch nicht.