Um 20:15 Uhr beginnt in der deutschen TV-Landschaft eine besondere Zeit: die "Primetime". Zur besten Sendezeit strahlen viele Sender Blockbuster und andere aufwendige Produktionen aus.

Doch das Privileg, "Interstellar", "Navy CIS" oder "Two and a Half Men" am Stück zu schauen, hat man nur, wenn der Film im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (oder aber im Pay-TV) ausgestrahlt wird. Bei den privaten Sendern muss man sich wohl oder übel damit begnügen, dass jeder noch so spannende Film irgendwann von streitenden IKEA-Familien oder Joko und Klaas mit Limoflaschen in den Händen unterbrochen wird.

Dass die großen Werbemengen im privaten Fernsehen die meisten Zuschauer mehr nerven als freuen, ist kein Geheimnis. Schnell fragt man sich, wie viel Werbung eigentlich erlaubt ist - nicht zuletzt deswegen, weil kommerzielle Pausen im Vergleich zu den vorangegangenen Filmblöcken scheinbar ewig dauern. Wie Werbung rechtlich geregelt ist und was Sender tun, um noch mehr herauszuholen, ist trickreicher als gedacht.

 

Werbung im ZDF, Kabel Eins & Co.: Unterschiede und Ausnahmen

Hinsichtlich der Werberegelungen unterscheiden sich privater und öffentlich-rechtlicher Rundfunk wesentlich voneinander. ARD und ZDF dürfen den Vorgaben im Rundfunkstaatsvertrag zufolge an Werktagen im Jahresdurchschnitt lediglich zwanzig Minuten Werbung senden. An Sonn- und Feiertagen sowie täglich ab 20 Uhr ist ihnen die Ausstrahlung kommerzieller Spots nicht erlaubt.

Im Gegensatz dazu haben private Sender mehr Werbezeit zur Verfügung. 4 Stunden und 48 Minuten dürfen die Verantwortlichen im Privatfunk dazu nutzen, kommerzielle Spots auszustrahlen - das sind rund 20 Prozent der täglichen Sendezeit. Diese Regelung gilt allerdings nicht für Produktplatzierungen oder Werbung für das eigene Programm.

Das bedeutet, wenn Joko und Klaas beim "Duell um die Welt" das dazugehörige Spiel anpreisen, zählt das nicht als Werbung, und es ist offiziell auch kein Kommerz, wenn RTL zehn Minuten mit Trailern zu "GZSZ" oder "Verdachtsfälle" füllt. Hier handelt es sich um Schlupflöcher, die die Sender gezielt nutzen, um ihre Werbezeit zu dehnen.

 

Deshalb werden Filme künstlich in die Länge gezogen

Besonders clever ist zudem ein anderer Trick, den private Sender gern anwenden, um mehr Zeit für kommerzielle Spots herauszuholen. Denn wer gedacht hat, die Wiederholung der letzten ein oder zwei Minuten des Filmblocks, der vor der Werbung gelaufen ist, wäre ein Service, um dem Zuschauer den "Wiedereinstieg" in den Blockbuster zu erleichtern, irrt sich. Durch solche Wiederholungen werden Filme künstlich in die Länge gezogen und ermöglichen mehr Werbung.

Denn im Rundfunkstaatsvertrag ist geregelt, dass Kino- und Fernsehfilme mit einer Länge von 30 Minuten lediglich einmal unterbrochen werden dürfen. Ist ein Film beispielsweise 86 Minuten lang, fehlen den Verantwortlichen lediglich vier Minuten, um einen weiteren Werbeblock einspielen zu dürfen. Die sind schnell reingeholt, indem man einfach ein paar Sequenzen des vorangegangenen Filmblocks nochmal zeigt.

Bei aller Genervtheit von Yogurette-Frauen, die durchs Bild schaukeln und Lieferservice-Typen im Superheldenkostüm muss man aber auch berücksichtigen, dass private Sender mangels Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag auf Werbung angewiesen sind und daher natürlich versuchen, alles herauszuholen, was geht. Im Zweifel kann man in der Werbepause immer noch umschalten, lesen oder nach draußen gehen. Oder doch der IKEA-Familie beim Streiten zuschauen.

Der Beitrag erschien zuerst bei Chip.de.