.

"Aktenzeichen XY": 50 Jahre True Crime

4586 Kriminalfälle wurden bei "Aktenzeichen XY... ungelöst" öffentlich gemacht. Stolze 1853 Delikte konnten davon geklärt werden. Die ZDF-Institution ist das einzig wahre True-Crime-Format, auch oder vor allem wegen seiner (vielen!) Zuschauer.

Die Urmutter des deutschen True Crime, "Aktenzeichen XY..." hilft seit einem halben Jahrhundert tatsächlich, Täter zu finden und Verbrechen aufzudecken. Im Verbund mit der Polizei dient die Sendung so durchaus dem Gemeinwohl. Alle anderen True-Crime-Formate erzählen nur abgeschlossene Fälle. Erkenntnisgewinn gibt es nirgends so, wie in der ZDF-Sendung mit Rudi Cerne.
Foto: ARD, Rudi Cerne im neuen Design von "Aktenzeichen XY...ungelöst"
Alles fing an mit ­einem Haus ohne Dach. Der Schwedenhütte, die sich der junge Eduard Zimmermann bestellt hatte, fehlte ein wichtiges Teil. Dieser Betrug wurmte den Journalisten so sehr, dass er 1964 das Aufklärungsmagazin "Vorsicht, Falle!" ins Fernsehen brachte. Ein Volltreffer. Das große Interesse der Zuschauer an wirklichen Verbrechen ermunterte das ZDF, eine weitere Sendung dieser Art ins Programm zu nehmen: Am 20. Oktober 1967 feierte "Aktenzeichen XY...ungelöst" Premiere.

"Die Idee, das Publikum in die Fahndung einzubinden, war genial", sagt der derzeitige Moderator Rudi Cerne. Bereits 14 Minuten nach Ausstrahlung des Debüts wurde der erste Kriminelle gefasst. Ein Zuschauerhinweis brachte die Polizei auf die Spur eines Melkmaschinenbetrügers. Die Polizei nahm den Mann beim Kegeln in Bad Neuenahr (Eifel) fest. Meistens sind es Schwerverbrecher, nach denen gefahndet wird. Spektakulär der Fall von Lolita Brieger, deren Mörder nach 29 Jahren gefasst wurde; eine Zuschauerin gab den entscheidenden Tipp, nachdem Rudi Cerne in der Sendung vom 24. August 2011 über die seit November 1982 verschwundene Frau berichtet hatte.
Am Kern der Sendung hat sich in den 50 Jahren wenig geändert. Den Mix aus Filmen, in denen Schauspieler ein Verbrechen nachstellen, und Fahndungsaufrufen im Studio gab es von Anfang an. Alle Einspieler werden in München und Umgebung binnen drei bis fünf Tagen gedreht. Das spart Geld. Und es verhindert, was Eduard Zimmermann wichtig war, dass Verbrecher, die in der Nähe des Tatorts leben, gewarnt werden. Die Spielszenen aus den Siebzigern genießen heute Kultstatus. Das ungelenke Agieren der Schauspieler und die biederen Dialoge verstärken den Eindruck, es handele sich um ein reales Geschehen. Verwechslungen von Täter-Darsteller und Täter hat es dennoch so gut wie keine gegeben; Ina-Maria Reize-Wildemann, Chefin der Redaktion von Eduard Zimmermann, kann sich nur an zwei Fälle in 50 Jahren erinnern.

Heute kommen Darsteller und Regisseure meistens aus ZDF-Krimireihen, aber die Dramaturgie blieb gleich. Anfangs wird Empathie für das Opfer erzeugt, eine kleine Geschichte nimmt ihren Lauf, die Spannung steigt, schließlich folgt die Tat, die bei einer Ausstrahlung um 20.15 Uhr (FSK 12) mehr angedeutet als ausgemalt wird. Die beliebten Liveschalten in Studios nach Wien und Zürich endeten 2003 und 2004. 2005 wurde die Sendung optisch erneuert, in diesem Jahr wurden erstmals 3D-­Grafiken eingesetzt.

Mit rund fünf Millionen Zuschauern ist "Aktenzeichen XY... ungelöst" enorm erfolgreich. Versuche, das Format zu kopieren, wie zuletzt mit "Ungeklärte Fälle - Deine Hilfe zählt" (RTL II), scheiterten. Der Mix aus Suspense und Seriosität ist nicht kopier- und nicht kaputtbar.