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3-D-Animation

Nachrichten von Morgen

ZDF, neues Studio, Steffen Seibert
ZDF und Jan van Endert

Ab 17. Juli sendet das ZDF aus seinem neuen, rund 30 Millionen Euro teuren virtuellen Nachrichtenstudio. TV SPIELFILM hat es sich vor Ort erklären lassen.

Nikolaus Brender, Chefredakteur des ZDF, ist ein Mann, der auch in turbulenten Zeiten Haltung bewahrt. Selbst als sich in den letzten Monaten um seinen Verbleib im Amt ein politisches Ränkespiel entspann, blieb er äußerlich gelassen. Doch wenn Brender das Nachrichtenstudio N1 auf dem Lerchenberg betritt, verliert er augenblicklich die Orientierung.

Kein Wunder. Im 690 Quadratmeter großen Raum ist ein schrilles Apfelgrün die alles beherrschende Farbe, Wände und Boden gehen ohne rechte Winkel in sanftem Bogen ineinander über. Der gewöhnungsbedürftige Nebeneffekt: Der Untergrund scheint zu schwanken. "Wenn Sie da reingehen können, ohne dass Ihnen schwindlig wird, ziehe ich den Hut", grinst Brender und kokettiert: "Für alte Männer wie mich ist das eine 'grüne Hölle', aber aber ich werde mich schon noch dran gewöhnen."

News aus der Besenkammer

Gedauert hat es auch, bis sich die Verantwortlichen entschlossen hatten, mit der Zeit zu gehen und einen Studiokomplex zu bauen, der die technischen Möglichkeiten voll ausschöpfen kann. Neben Studio N1 ist auch das identisch ausgestattete 340 Quadratmeter große Studio N2 im 30 Millionen Euro teuren Neubau untergebracht.

Mehr als 20 Jahre lang hatten die Mainzer Journalisten mit erheblich weniger Platz auskommen müssen, denn sie sendeten aus einem 230 Quadratmeter großen Raum, der ursprünglich als Büro gedacht war. Die Decke war mit 3,50 Meter Höhe so niedrig wie in keinem anderen TV-Nachrichtenstudio, die Moderatoren nannten es nur "die Besenkammer".

Konkurrenz zu RTL

Für eine "heute"-Sendung pro Tag mag das genügt haben, aber inzwischen kommt das ZDF auf täglich 22 und jährlich rund 9000 News-Sendungen, die alle aus der Besenkammer gefahren wurden. Renovierungsbedarf bestand auch aus einem anderen Grund. Konkurrent "RTL Aktuell" hat den ZDF-News in den vergangenen Jahren viele, vor allem junge Zuschauer weggefischt. Zwischen September 2008 und Mai 2009 schalteten im Schnitt 1,53 Millionen der 14- bis 49-Jährigen ein, wenn Peter Kloeppel um 18.45 Uhr die News verlas, nur rund 500 000 wollten um 19 Uhr die "heute"-Nachrichten sehen.

Um nicht den Anschluss an die Konkurrenz zu verlieren, gaben die Mainzer im Frühjahr 2005 den Startschuss. Der ehrgeizige Plan: das modernste News-Studio Deutschlands zu realisieren. Projektleiter Robert Sarter: "RTL baut gerade, die ARD wird nachziehen, aber eine Zeitlang werden wir die Einzigen sein, die ein virtuell animiertes Nachrichtenstudio haben." Da dessen Hintergrund aus einer grünen Wand, dem sogenannten Greenscreen, besteht, kann man die jeweilige Kulisse einfach hineinprojizieren und so verschiedene Formate aus ein und demselben Raum senden, ohne jedes Mal eine neue Dekoration bauen zu müssen.

3-D-Animationen im Studio

Real in der virtuellen Umgebung ist einzig der Tisch, an dem die Moderatoren stehen. Im Studio N1 ist das ein gewaltiges, futuristisch anmutendes dreiflügliges Möbel aus Nussbaum, mit Seitenlängen von 5,60 und 6,50 Metern. Jeder Sendung sind Moderations- und Expertenplätze zugeordnet. So wird die "heute"-Crew am rechten Flügel stehen, die Moderatoren vom "heute-journal" auf der linken Seite. "Der Tisch ist der Kreuzungspunkt unserer Informationssendungen", sagt Heiner Butz aus der Chefredaktion, "wir hoffen, dass ihn die Zuschauer als Wiedererkennungselement annehmen werden."

Neu ist auch, dass die Moderatoren sich künftig an ihrer Arbeitsstätte frei bewegen können. "Wir müssen nicht mehr wie angetackert an unserem Platz bleiben", sagt Steffen Seibert, der am 17. Juli die Premiere leiten und dabei auch den virtuellen "Erklärraum" nutzen wird, in dem er und seine Kollegen anhand animierter 3-D-Modelle komplizierte Sachverhalte leichter verständlich machen können.

Elmar Theveßen, Leiter Aktuelles beim ZDF: "Aus Umfragen wissen wir, dass wir quer durch alle Altersgruppen als die 'erklärenden' Nachrichten gesehen werden. Diesen Schwerpunkt bauen wir seit Jahren aus. Der 'Erklärraum' ist also nur eine logische Konsequenz." Allerdings birgt er auch Tücken.

Der Fake bleibt immer Fake

So müssen die News-Macher lernen, sich so zu bewegen, dass sie mit den eingespielten 3-D-Animationen nicht kollidieren. Sie selbst sehen diese Computerkonstrukte nämlich spiegelverkehrt auf einem Monitor vor sich. "Alles eine Frage der Übung", macht sich Steffen Seibert Mut. Die grafisch aufwendigen Animationen werden von einem aufgestockten Team von Grafikredakteuren gebaut, das derzeit schon heftig tüftelt. Technisch ist beinah alles möglich. So könnte man etwa zum 40. Jahrestag der Mondlandung (21. Juli 1969) eine täuschend echte Nachbildung von Apollo 11 im Studio landen lassen.

"Machen wir aber nicht", sagt Heiner Butz. "Nachrichten leben von Glaubwürdigkeit. Die würden wir mit solchen Mätzchen aufs Spiel setzen. Bei uns wird der Fake immer als Fake zu erkennen sein. Die 3-DAnimation soll informieren, nicht entertainen."

Susanne Sturm

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