Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Allerdings nicht immer. Riccardo Ehrman, Berlin-Korrespondent der italienischen Nachrichtenagentur ANSA, eilte am 9. November 1989 verspätet in eine Pressekonferenz des Zentralkomitees der SED, stellte Politbüro-mitglied Günter Schabowski eine Frage zum neuen Reisegesetz - und bekam dafür 2008 das Bundesverdienstkreuz.
Denn Ehrmans Nachhaken am Ende der lähmend langweiligen Konferenz hatte ungeahnte Konsequenzen: Schabowski verlas in der Folge einen Zettel, der DDR-Bürgern uneingeschränkte Reisefreiheit "nach dem Ausland" zusicherte. Dass das Dokument eigentlich erst am Folgetag hätte veröffentlicht werden sollen, übersah er in der Eile. Die neue Regelung gelte, so der konfus wirkende Schabowski damals, "sofort, unverzüglich."
Denn Ehrmans Nachhaken am Ende der lähmend langweiligen Konferenz hatte ungeahnte Konsequenzen: Schabowski verlas in der Folge einen Zettel, der DDR-Bürgern uneingeschränkte Reisefreiheit "nach dem Ausland" zusicherte. Dass das Dokument eigentlich erst am Folgetag hätte veröffentlicht werden sollen, übersah er in der Eile. Die neue Regelung gelte, so der konfus wirkende Schabowski damals, "sofort, unverzüglich."
Den chaotischen Verlauf dieses historischen Tages, an dessen Ende sich wildfremde Menschen aus Ost und West freudetrunken in den Armen lagen, schildert die aufwendige Doku "Schabowskis Zettel" mit nachgestellten Szenen, Zeitzeugen und (teilweise noch nie gezeigten) Originalaufnahmen, die Georg Mascolo - heute "Spiegel"-Chefredakteur - am 9. November 1989 mit einem Drehteam in Ost-Berlin gefilmt hat.
Es ist sicher eine Schwäche des Films, dass jener Riccardo Ehrman nur am Rande erwähnt wird. Zumal er im April 2009 noch einmal für Aufsehen sorgte, als er einräumte, dass ein SED-Funktionär ihn vor der Konferenz angerufen und gebeten habe, die Frage nach der Reiseregelung zu stellen. Dennoch sind die Augenzeugen insgesamt klug gewählt. Die Schilderungen damaliger Entscheidungsträger von Schabowski bis zum Gesandten der sowjetischen Botschaft verdeutlichen, dass der Tanz auf der Mauer zugleich ein Tanz auf der Rasierklinge war. Ein Grund mehr, den 20. Jahrestag des Mauerfalls als das zu feiern, was er ist: ein Glücksfall.
Frank Steinberg
Es ist sicher eine Schwäche des Films, dass jener Riccardo Ehrman nur am Rande erwähnt wird. Zumal er im April 2009 noch einmal für Aufsehen sorgte, als er einräumte, dass ein SED-Funktionär ihn vor der Konferenz angerufen und gebeten habe, die Frage nach der Reiseregelung zu stellen. Dennoch sind die Augenzeugen insgesamt klug gewählt. Die Schilderungen damaliger Entscheidungsträger von Schabowski bis zum Gesandten der sowjetischen Botschaft verdeutlichen, dass der Tanz auf der Mauer zugleich ein Tanz auf der Rasierklinge war. Ein Grund mehr, den 20. Jahrestag des Mauerfalls als das zu feiern, was er ist: ein Glücksfall.
Frank Steinberg