Seit 11. Februar läuft die Serie "Inventing Anna" über die Hochstaplerin Anna Sorokin (31), auch bekannt als Anna Delvey, auf Netflix und ist bereits jetzt ein großer Hit. Sie handelt über die angebliche deutsche Millionärstochter Anna Sorokin, die es durch selbstbewusstes Auftreten und geschickte Lügen schaffte, sich eine reiche Identität zu geben und sich damit einen äußerst luxuriösen Lebensstil auf Kosten anderer zu manipulieren.
Die neueste Serie von Shonda Rhimes (52) versucht die Frage zu beantworten, die sich seit Bekanntwerden ihres Falles wohl jeder stellt: Wie schaffte es Sorokin 275.000 Dollar von Banken, Finanzinstituten und ihren Freunden zu stehlen? Jede der insgesamt neun Folgen beginnt mit dem Disclaimer "Die ganze Geschichte ist vollkommen wahr. Bis auf die Teile, die komplett erfunden sind." Die Handlung wirkt dabei so unglaublich, dass man sich als Zuschauer schnell die Frage stellt, was in "Inventing Anna" ist noch Realität und was Fiktion?
"Inventing Anna": Szenen spiegeln nicht die Realität wieder
Eine Frage, die sich nicht leicht beantworten lässt. Denn Anna selbst ist durch Tatsachenverdrehung eine unzuverlässige Quelle. Doch Fakt ist: Sorokin ist weder eine reiche deutsche Erbin noch eine Millionärin. Obendrein konnte ihr in ihrem Prozess 2019 nachgewiesen werden, dass sie, wie in der Serie dargestellt, einen Privatjet und 230.000 Dollar von Freunden und Bekannten gestohlen hat. All das tat sie, um die "Anna Delvey Foundation", einen Privatklub à la "Soho House" ins Leben zu rufen.
Einem Artikel der "New York Times" nach stimmt die Serie nicht immer mit der Realität überein. Aufhänger der Netflix-Serie ist eine investigative Recherche über Sorokin von der Journalistin Vivien Kent (Anna Chlumsky, 41). Diese ist in Ungnade gefallen, weil sie in einer Berichterstattung Tatsachen nicht ausreichend verifizierte, die sich später als falsch herausstellten. In der Realität basiert die Berichterstattung rund um den Fall Sorokin auf dem Artikel der Journalistin Jessica Pressler, die nun auch eine der ausführenden Produzentinnen der Serie ist. Auch Pressler selbst geriet 2014 in Kritik, nachdem sie im "New York Magazine" über eine gefälschte Behauptung berichtet hatte, nach der ein High-School-Schüler 72 Millionen Dollar an der Börse verdient habe. Später stellte sich die Aussage des Schülers als Lüge heraus und das "New York Magazine" entschuldigte sich öffentlich bei seinen Lesern. Der Unterschied zur Serie: In der Realität war die Reputation der Journalistin zum Zeitpunkt der Berichterstattung über Anna Sorokin längst wieder hergestellt gewesen.
Weiter führt die Autorin des "New York Times"-Artikels, die mehrfach mit Sorokin, deren Anwalt und Freundin sprach, aus, dass auch weitere Serien-Szenen nicht mit der Realität übereinstimmen. Denn die echte Journalistin Jessica Pressler habe Anna niemals Unterwäsche ins Gericht gebracht, oder bei der Sichtung der Akten geholfen. Auch die Entscheidung von Anna, vor Gericht zu gehen, sei ihre eigene gewesen. Das behauptete zumindest Sorokins Anwalt gegenüber der Autorin.
Sorokin gab vor Peter W. Hennecke zu sein
Wie in der Serie suchte sich Anna auch in der Realität für ihren Privatklub und ihre Kunststiftung das Church-Missions-House an der Park Avenue aus. Durch Kontakte kam sie an die Investmentgesellschaft Fortress, bei der sie sich den benötigten Kredit leigen wollte. In vermeintlich stetigem Austausch mit ihrem angeblichen, in Deutschland sitzenden Vermögensverwalter Peter W. Hennecke. In der Serie benutzt Anna eine virtuelle Simkarte und einen Stimmenverzerrer, in der Realität konnte die Staatsanwaltschaft Anna darüber auch nachweisen, dass sie Briefe, E-Mails und wichtige Dokumente fälschte. Der ganze Spuk flog auf, als Fortress zur Sicherheit eigene Leute nach Zürich schickte, um sich mit ihrem Vermögensverwalter zu treffen.
Rachel Williams stellte Sorokin eine Falle
Eines der Betrugsopfer von Sorokin ist ihre ehemalige Freundin Rachel Williams. Bei einem Hotelaufenthalt in einem der luxuriösesten Hotels Marokkos konnte Anna die Hotelrechnung von 62.000 Dollar nicht begleichen. Rachel sah sich gezwungen, die Kosten mit ihrer privaten Kreditkarte und der ihres Arbeitgebers "Vanity Fair" zu begleichen.
Die echte Rachel Williams machte ihrem Ärger schließlich in zahlreichen TV-Auftritten und ihrem Buch "My Friend Anna" Luft. Dort berichtete sie, dass sie an der Verhaftung von Anna, maßgeblich beteiligt war. Wie in der Serie dargestellt, befand sich Sorokin zu diesem Zeitpunkt in einer Entzugsklinik in Los Angeles. In ihrem Buch schreibt Rachel, dass sie sich mit Anna zum Mittagessen verabredet hätte, sie aber stattdessen die Polizei informiert habe. Anna wurde daraufhin am 3. Oktober 2017 verhaftet, als sie die Entzugsklinik verließ, um Rachel zum vermeintlichen Mittagessen zu treffen.
Anna Sorokins Familie hat keinen Kontakt zu ihr
Anna Sorokin reagiert auf "Inventing Anna"
Anna Sorokin sitzt heute im Gefängnis
Wie die Autorin des "New York Times"-Artikels schreibt, hatte Anna die Hoffnung, bis zu der Ausstrahlung von "Inventing Anna", mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen zu haben. Doch stattdessen sitzt Sorokin wieder in Haft. 2019 wurde sie von einem New Yorker Gericht zu vier Jahren Haft verurteilt. Wegen guter Führung und der angerechneten zwei Jahre in Untersuchungshaft in der New Yorker-Skandal Haftanstalt Rikers Island, kam sie im Februar 2021 wieder auf freien Fuß. Doch ihre Freiheit dauerte nur sechs Wochen an. Kurz darauf wurde sie wieder verhaftet — von Agenten der Einwanderungsbehörde. Denn Sorakin hätte nach Verbüßen ihrer Haftstrafe das Land verlassen müssen.
Anna hat gegen ihre Abschiebung nach Deutschland Berufung eingelegt und wartet derzeit auf eine Entscheidung.
Der So sieht das Leben der Fake-Erbin Anna Sorokin heute aus wird veröffentlicht von BUNTE.de.