Nach zwanzig Jahren hat es "Will & Grace" geschafft: Die Serie findet den Weg in die deutsche Primetime. Denn der US-Sitcom-Hit debütierte 2001 bei Pro Sieben im Nachmittagsprogramm. In den USA eine Unmöglichkeit, schließlich hätte die ungleiche WG eines schwulen Anwalts (Eric McCormack) und einer heterosexuellen Innenarchitektin (Debra Messing) ja die Kinder verrohen können. Dass sich diese Homophobie (leicht) gebessert hat, ist auch Will, Grace und ihren Freunde Jack (Sean Hayes) und Karen (Megan Mullally) zu verdanken, über die der ehemalige US-Vizepräsident Joe ­Biden sagte, sie hätten "mehr für die Aufklärung der amerikanischen Öffentlichkeit getan als jeder andere". Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Fortsetzung elf Jahre später. Die Autoren hatten zuvor nur ein Problem aus der Welt zu schaffen: was tun mit dem Zeitsprung am Ende der Serie, in dem die getrennte Wege gehenden Protagonisten Kinder haben, die sich ineinander verlieben, während Jack und Karen ihren Lebensabend miteinander verbringen? Die Darsteller verraten es.

Ein Interview mit Eric McCormack, Debra Messing, Sean Hayes und Megan Mullally

Wissen Sie noch, wie Sie sich gefühlt haben, als die Serie 2006 in der achten Staffel endete?
Megan Mullally: Es gibt ein tolles
Foto von Debra und mir, wie wir in Tränen aufgelöst sind und uns die Mascara im Gesicht runterläuft.
Sean Hayes: Die Sache war ja: Das war unsere Heimat, und wir waren eine Familie von 300 Leuten.
Eric McCormack: Es war, als würde man aufs College gehen. Wir wussten, dass es irgendwann passieren wird. Es war ein großes Kapitel, das man zuschlägt. Und wir waren aufgeregt, was danach kommen würde.
Debra Messing: Das Bizarre war: Zwei Jahre zuvor hatten wir vier beschlossen, dass wir noch zwei Jahre machen. Wir hatten also genug Zeit, um uns vorzubereiten. Und dennoch fühlte es sich an, als sei jemand gestorben.

Waren Sie mit dem damaligen Ende eigentlich zufrieden?
Messing: Ich habe es bis heute nicht einmal gesehen. Ich war zu traurig.
Mullally: Mein Ende habe ich geliebt. Die Szene, in der Jack und Karen ­singen, war wunderschön.
McCormack: Es gab diesen einen Moment, der sehr rührend war. Als die beiden ihre Zimmer am College suchten, dachten alle, es sei ein Flashback zu unserem ersten Treffen. Und dann stellt sich heraus, dass es unsere Kinder sind. Die offenen Münder des Publikums war es wert.
Hayes: Es war sehr clever. Aber ich fand auch clever, wie die Autoren es in den ersten 45 Sekunden der neuen Serie einfach ausradiert haben.
Messing: Das war ja die zentrale ­Frage, als wir zurückkamen: Wie ist das überhaupt möglich?
McCormack: Ich habe immer gesagt, es geht nicht, weil wir ja bereits gesehen haben, wie sie mit 65 sind.
Messing: Genau. Wir dürften eigentlich erst mit 70 eine Reunion machen. Wie "Golden Girls". (lacht)
McCormack: Aber die Autoren ­haben doch eine Möglichkeit gefunden. Nämlich so zu tun, als sei das ­alles nur ein Traum gewesen.

Sind Sie froh, dass Sie besser gealtert sind als in dem Zeitsprung?
Messing: (lacht) Ja, das bin ich. Vielen Dank, dass Sie das sagen.
McCormack: Das war auch ein Erfolgsgeheimnis. Einige haben wirklich gefragt, ob wir das vor zehn Jahren gedreht und aufbewahrt haben. Glücklicherweise haben wir gute ­Gene und sind nicht zu sehr gealtert.

Vor der offiziellen Rückkehr gab es einen "Will & Grace"-Wahlwerbespot für Hillary Clinton. Wussten Sie da schon, dass die Serie zurückkommt?
Messing: Absolut nicht. Ich habe es einfach als Chance gesehen, noch einmal in die Sandkiste zu klettern und mit meinen Freunden zu spielen.
McCormack: Es fühlte sich an wie ­eine einmalige Sache. Nur Megan hatte so eine Ahnung.
Hayes: Megan hat viele Ahnungen...
Mullally: Ich hatte einen übernatür­lichen Moment, als ich das Drehbuch las. Irgendwie wusste ich, wir könnten die Serie wieder aufnehmen.

Würde sie ohne den Wahlsieg von Trump existieren?
Hayes: Sicherlich. Wir würden nur andere Witze machen.
McCormack: Es hätte eine feierlichere Stimmung gehabt. Jetzt fühlt es sich an, als ob wir der Widerstand sind.
Messing: Als Hillary verloren hatte, war ich am Boden zerstört. Ich war so depressiv, dass ich mir nicht einmal vorstellen konnte, eine Sitcom zu machen. Aber dann haben wir festgestellt, wie gut es wäre, den Menschen jede Woche eine halbe Stunde Pause von dem Ganzen zu bescheren.

Wie schwierig war es für Sie, in Ihre Figuren zurückzufinden?
McCormack: Überraschend einfach. Wir haben es so lange gemacht, und in Wills Wohnung zu sein fühlt sich für mich auch nach so vielen Jahren ganz natürlich an.
Mullally: Bizarrerweise kam es mir vor, als wären wir nur für ein Wochenende weg gewesen. Ich klinge jetzt vermutlich wie die neue Shirley MacLaine. Aber irgendwo in meinem Gehirn hat Karen wie in einem Paralleluniversum weiterexistiert.
Messing: Bei mir war es etwas holpriger. Erst in der zweiten Episode hatte ich das Gefühl, wieder in der Haut von Grace zu stecken. Ich war sehr zaghaft. Und ich glaube, es lag daran, dass so viele Dinge in den elf Jahren passiert sind, dass ich mich wie ein ganz anderer Mensch fühlte.

"Will & Grace" war Wegbereiter für homosexuelle Charaktere im TV. Ist die Serie noch so relevant wie früher?
Hayes: Die alte Serie hat der Welt schwule Männer vorgestellt. Es war ein wenig wie in einem Zoo, wo man angestarrt wird. Mittlerweile können wir einfach zeigen, wie sie leben, und sie als normale Menschen sehen.
Messing: Mir kommt es vor, dass ­unsere Serie auf andere Art sehr relevant ist. Wir haben schon immer kommentiert, was in der Gesellschaft vor sich geht. Und deshalb kommentieren wir heute die Einreisesperre für Muslime, sexuelle Belästigung oder was in Puerto Rico passiert.
McCormack: Und letztlich muss man sagen: Angesichts dessen, was im letzten Jahr in Trumps Amerika passiert ist, ist all das, was wir für überflüssig hielten, wieder brandaktuell geworden. Frauenrechte, Schwulenrechte, gleichgeschlechtliche Ehe, Rassenproblematik: Alles ist zurück.
Mullally: Ich glaube, es war immer da, aber aufgrund unseres ruchlosen Präsidenten kommen diese Menschen jetzt aus ihrem Versteck gekrochen. Diese abstoßenden Rassisten haben das Gefühl, dass sie jetzt laut und stolz ihre furchtbaren Vorstellungen herausposaunen dürfen.

Die Serie bekam früher viele Zuschauerbriefe. Sind Ihnen welche in Erinnerung geblieben?
Messing: Einer, der mich tief berührt hat, kam von einem Teenager, der schrieb, er sei schwul und seine Eltern und sein bester Freund würden nicht mehr mit ihm reden. Und er wünscht sich gerade nichts mehr, als eine Grace in seinem Leben zu haben. Ich saß nur da und weinte.
McCormack: Mehr als die Briefe berührten mich Gespräche. Will war ein Schwuler, den viele nicht kannten. Er verkleidet sich nicht schrill. Er führt ein normales Leben und sucht die Liebe. Nur eben einen Mann. Und ich denke, das hat die Tür für ein ­besseres Verständnis geöffnet. Angst erzeugt Hass. Und ausgerechnet eine Sitcom hat ihnen ein positives Beispiel geliefert.
Mullally: Keiner hätte vermutet, dass wir Briefe von Männern und Frauen bekommen, die sich bedanken, dass wir ihnen beim Coming-out geholfen haben oder dass sie an Suizid dachten, aber durch die Serie realisiert haben, dass sie nicht allein sind.
Hayes: Es klingt übertrieben, aber die Serie hat wirklich Leben gerettet. Und wir müssen weiter positive Botschaften aussenden, denn es gibt noch viele Orte, die andere sexuelle Präferenzen nicht akzeptieren.

Hat "Will & Grace" also auch Ihr ­soziales Gewissen geschärft?
Hayes: Ich war ehrlich gesagt zu jung, um über so etwas nachzudenken. Ich war froh, einen Job zu haben.
McCormack: Als wir die erste Staffel gedreht haben, wurden Debra und ich von Project Angel Food geehrt, die Menschen mit HIV mit Essen versorgten.
Messing: Ich hatte 1993 meinen Schauspiellehrer durch Aids verloren. Ich hatte mich über die Krankheit informiert und gespendet.
McCormack: Und plötzlich habe ich realisiert, dass man mit dieser albernen Serie Gutes tun kann, und mich für zahlreiche Projekte engagiert.
Messing: Wir alle hatten das Gefühl, dass wir die Verpflichtung haben, uns mehr gegen Diskriminierung zu engagieren und diese Gemeinschaft zu feiern, die das Herz unserer Serie ausmacht.