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Nackt, splitternackt

FKK-Film "Barfuß bis zum Hals"

Mit Glied im FKK-Club: Die ostdeutschen Helden der Komödie "Barfuß bis zum Hals" muss man gesehen haben

"Es ist noch nie so einfach gewesen, einen Film zu besetzen." Produzent Ivo-Alexander Beck wirkt noch im Nachhinein ein bisschen überrascht, wie leicht es war, Darsteller für seine TV-Komödie "Barfuß bis zum Hals" zu finden. Denn der kryptisch-komische Titel war Programm für die Mehrheit der Darsteller: "Barfuß bis zum Hals" hieß nackt sein vor der Kamera, splitternackt.

Die charmante Komödie spielt in der Jetztzeit in einem ostdeutschen FKK-Club, dessen Grundstück von einem westdeutschen Textilfabrikanten aufgekauft wird, der keine Ahnung davon hat, dass es sich bei seinen neuen Mietern um Nudisten handelt. Er denkt, es sei ein Campingplatz. Der launige Film erzählt auch von zwei Vätern aus West und Ost, die bei ihren Kindern versagt haben, und von Kindern, die gegen ihre Eltern rebellieren.
Mit dem aberwitzigen Effekt, dass der Sohn des FKK-Vorstands sich von seinem Vater den altbekannten Satz "So gehst du mir nicht aus dem Haus!" anhören muss - weil er es wagt, angezogen vor die Tür zu treten.

Hose runter, Klamotten aus

Für die Mehrheit der Darsteller bedeutete dies also: Hose runter, Klamotten aus oder "full frontal nudity", wie es in Hollywood heißt. Seinen Hauptdarsteller Martin Brambach, der den überzeugten Ost-Nudisten Steiner spielt, musste Produzent Beck nicht zum Strip vor der Kamera überreden. "Ich hab Martin das Drehbuch zu lesen gegeben", erzählt Beck, "und erwartet, dass erst einmal Rückfragen kommen nach dem Motto: Wie stellst du dir das vor, so ganz nackt, wie soll denn das gehen?

Aber genau das Gegenteil war der Fall: Er hat das Buch gelesen, mich angerufen und gesagt: Spiel ich!" Brambach, dessen Name leider immer noch nicht so bekannt ist wie sein Gesicht, ist für Produzent Beck "ein stiller Star", der vielleicht nie ganz vorn stehen werde wie zum Beispiel ein Heino Ferch, obwohl er schauspielerisch problemlos mithalten könne.

Nackt ja, Sex nein

Ob Heino Ferch den Mut gehabt hätte, sich nackt vor die Kamera zu stellen, weiß man nicht. In anderer Hinsicht hätte er aber die richtige Voraussetzung mitgebracht, denn wie Brambach ist Ferch in der DDR geboren. Für Beck war es wichtig, einen Schauspieler mit Osthintergrund für die Rolle zu bekommen. Der in Dresden geborene Brambach kam als Jugendlicher in den Westen, kannte den Ost-Nudismus aber von vielen Besuchen an FKK-Stränden mit den Eltern.

Die Story in "Barfuß bis zum Hals" spiegelt auch einen Ost-West-Gegensatz wider. Die Freikörperkultur war in der DDR beinahe ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, in der alten Bundesrepublik dagegen eher Randerscheinung im wahrsten Sinne: Am Strand lagerten Nudisten meist in "sicherer" Entfernung vom "Normalbürger". Und ein bisschen ist dies auch die Geschichte des Ostlers Beck, der bis ins Teenageralter seine Sommer auf dem FKK-Gelände verbrachte - nackt, natürlich.

Beck hatte auch erwartet, dass es nicht einfach sein würde, solch eine Geschichte einem Sender zu verkaufen, doch auch in diesem Fall ging's erstaunlich problemlos: Drei Tage nachdem er Sat.1 das Drehbuch vorgelegt hatte, kam das "Go" des Senders. Ungewöhnlich in der Branche. Auch dass man sich nicht einmischte, als es um die Darstellung nackter Tatsachen ging: "Wir wollten nackte Menschen jeder Couleur als Komparsen und keine Modellkörper."

Eher begnadigte als begnadete Körper

Das hat man beherzigt - was hier über den Bildschirm turnt, ist vom Adonis so weit entfernt wie die nostalgisch verklärte Erinnerung mancher Ostler an die Realität des DDR-Regimes. Also eher begnadigte als begnadete Körper. Ob man die zur Hauptsendezeit im deutschen Fernsehen überhaupt zeigen darf, war vorab mit dem Jugendschutz geklärt: Das sei dann kein Problem, so Beck, "wenn Nacktheit nicht in Verbindung mit sexuellen Inhalten gebracht wird und keine erigierten Geschlechtsteile zu sehen sind".

Fast wäre "Barfuß bis zum Hals" sogar im Kino gelandet. Nachdem die Reaktionen bei Testvorführungen so exzellent waren, erwog man den Sprung auf die Leinwand. Gescheitert ist es am Ende "am lieben Geld", wie Beck bestätigt: "Ich wollte keinen Kinofilm, der mit 20 Kopien nur 20 000 Zuschauer erreicht, dazu ist mir das Thema zu wichtig. Da mach ich lieber einen guten Fernsehfilm als einen Kinofilm, den keiner sieht!"

Bleibt zu wünschen, dass die Zuschauer nicht die Augen vor den nackten Fakten verschließen. Sie würden was verpassen.

Volker Bleeck