Der folgende Text gibt die persönliche Meinung eines Autors wieder und steht deshalb nicht repräsentativ für TV SPIELFILM.

Hollywood fasziniert am meisten immer noch Hollywood. Die Film- und Starschmiede der USA macht wahrlich keinen Hehl daraus, sich selbst zu beweihräuchern, zu feiern, auch zu hinterfragen und in schöner Regelmäßigkeit einen mal mehr mal weniger romantisch verklärten Blick auf die eigene Historie zu werfen, um sich selbst und der Welt zu zeigen: Ja, so war das damals bei uns, so haben wir Filme gemacht.

Schon Meister ihres Fachs wurden von der liebevollen Nostalgie für die guten alten Zeiten angetrieben; in der jüngeren Vergangenheit fallen einem Beispiele wie "The Artist" von Michel Hazanavicius (eigentlich kein Kind Hollywoods), "Once Upon A Time... In Hollywood" von Quentin Tarantino oder "Café Society" von Woody Allen ein. Aber die Liste ist unendlich lang, beinhaltet auch zeitgenössische Filme, die die alte Traumfabrik zitieren wie "La La Land" und natürlich Serien wie "Hollywood".

Dabei ist ein Ende noch lange nicht in Sicht, ganz im Gegenteil, es werden einfach immer neue vergessene wie unbekannte Geschichten aus der reichhaltigen Vergangenheit entstaubt und im besten Fall durch eine handwerklich perfekt positionierte Linse mit aktuellem Bezug für die Gegenwart frisch gemacht. Vorhang auf - oder besser: Knopfdruck für - David Finchers Netflix-Opus "Mank".

 

Gary Oldman: Eine Urgewalt

"Mank", das ist der Spitzname für Herman J. Mankiewicz, der einst als Drehbuchautor tätig war und einen Oscar für das beste Skript zum Überklassiker "Citizen Kane" gewann. In Finchers Film ist er der Protagonist, dessen exzentrische Persona näher vorgestellt wird und der zugleich anhand seines Wirkens in den 30er- und 40er-Jahren als Tourguide durch Filmsets, (film-)politische Machtspiele in schicken Büros und Partys fungiert.

Finchers Werk springt dabei permanent zwischen den beiden Dekaden hin und her, wobei in der erzählten Gegenwart die Entstehung des Drehbuchs von "Citizen Kane" im Fokus steht. Ein wegen eines Unfalls ans Bett gefesselter Mank schreibt oder diktiert die Zeilen, während er ständig versucht, einen gewissen Alkoholpegel aufrechtzuerhalten. Auch mit stark beschränktem Aktionsradius ist Hauptdarsteller Gary Oldman gleich zu Beginn eine schauspielerische Urgewalt, die allein den Film schon sehenswert macht. Sein Mankiewicz ist ein völlig verlebter Trinker, der unerschütterlich seinem Weg folgt, dem aber auch die Vergangenheit regelrecht ins Gesicht geschrieben steht.

 

Mank: Authentisch unperfekt

Während er an seinem Meisterwerk feilt, werden immer wieder Details von früher angedeutet, die mitunter in den vielen Rückblenden (die passenderweise mit Drehbuchzeilen eingeleitet werden) aufgegriffen werden. Besonders in ihnen entfaltet sich das damalige System Hollywood mit all seinem Glanz, Glamour und auch langweilig anmutenden Diskussionen. An einem stetig voranschreitenden, dramatischen Plot ist Fincher insgesamt nicht interessiert. "Mank" funktioniert am besten als fiktionaler Schnappschuss der damaligen Ära, als die Weltwirtschaftskrise die USA fest im Griff hatte und man trotzdem Millionen für Filmproduktionen ausgab.

Zuschauer, die besonders gut in Filmhistorie bewandert sind, freuen sich über zahlreiche Auftritte bekannter Persönlichkeiten von damals, die teilweise auch nur flüchtig durchs Bild huschen, oder über Hinweise unter anderem zur sich neu formierenden "Writers Guild of America". Und natürlich ist "Mank" handwerklich ein Fest für Cinephile: Die schwarz-weißen Bilder von Kameramann Erik Messerschmidt ("Mindhunter") sind edel und erwecken nicht nur wegen ihrer Farbgebung ein nostalgisches Gefühl. Mitunter gibt es durch bestimmte Kameraeinstellungen visuelle Anlehnungen an Klassiker wie eben "Citizen Kane" und auch die Lichtsetzung sowie die teils sehr weichgezeichnet wirkenden Bilder lassen "Mank" maximal authentisch erscheinen. Die Tonspur steht dem in nichts nach: Die Musik der Oscargewinner Trent Reznor und Atticus Ross ("The Social Network") klingt oft beschwingt-jazzig wie man es früher oft vernehmen konnte und selbst die Tonqualität und Abmischung der Dialoge klingen auch mal angestaubt und unperfekt.

 

Hohe Einstiegsbarriere für "Mank"

Durchschnitts- und Spontangucker bei Netflix werden aber mit diesen Verweisen kaum etwas anfangen können und womöglich von den vielen bisweilen mondän anmutenden Dialogen über geplante Produktionen oder über Politik überfordert sein, die einem viel Aufmerksamkeit abverlangen. Die sind immerhin geschliffen und werden vom gesamten Ensemble stark gespielt und sind perfekt inszeniert. Den wirklich klaren Erzählfaden gibt es aber nicht, bzw. eher nur, wenn man auch stets "Citizen Kane" im Hinterkopf präsent behält und Orsen Welles' Meisterwerk überhaupt kennt, um etwaige Parallelen ausfindig machen zu können. Einzig die Titelfigur hält alles zusammen. Aufgrund seines Außenseiterstatus entlarvt Mankiewicz Mechanismen und Machenschaften im alten Hollywood und Gary Oldmans Darbietung ist spektakulär und wird ganz sicher noch für den ein oder anderen Preis in Betracht gezogen. Doch obwohl er seinen Mank mit jeder Menge alkoholgetränkten Leben füllt, so kann auch er in seinen besten Momenten nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Mank" einzig nur für diejenigen was fürs Herz ist, die das Kino dort schon längst fest eingeschlossen haben und sich ihm mit größter Hingabe widmen. Ähnlich wie Tarantinos "Once Upon A Time... In Hollywood" ist "Mank" ein besonders stark von seinem eigenen gewählten Erzählkontext abhängiger Film - wer darüber nicht bestens Bescheid weiß, bleibt aller Voraussicht nach draußen.

Alle anderen unternehmen eine authentische, handwerklich meisterhafte Zeitreise, die auch erschreckend aktuell wirkt: Die kalifornische Gouverneurswahl nimmt einiges an Zeit in "Mank" ein, die Debatten über Republikaner und Demokraten sowie Fake News zur Beeinflussung der Wählerschaft sind gerade jetzt nach der US-Präsidentschaftswahl noch sehr präsent.

Fazit: "Mank" ist meisterlich inszeniertes Kino über Kino und Hollywood, das besonders Puristen verzücken wird. Wer sich aber nicht gerade selbst als Filmakademiker bezeichnen würde, kann David Finchers Rückkehr zum Spielfilm beruhigt links liegen lassen.