Als "Blade Runner" 1982 in die Kinos kam, war er ein Flop, die Kritiken mau, das Zuschauerinteresse ebenso. Aber mit den Jahren entwickelte sich der philosophische Science-Fiction-Thriller um einen wortkargen Replikanten-Jäger, der sich in eine dieser menschähnlichen Maschinen verliebt, zum Kultobjekt. Regelmäßig landet Ridley Scotts dritte Regiearbeit auf All-Time-Bestenlisten, in puncto Ausstattung und Look ist der Film bis heute stilbildend.

Jetzt drehte der Kanadier Denis Villeneuve ("Arrival") die Fortsetzung, Ridley Scott ist als ­Produzent dabei: "Blade Runner 2049" (zur Filmkritik) spielt dreißig Jahre nach dem Original und Ryan Goslings Officer K ist auf der Suche nach dem ­verschwundenen Deckard, gespielt von Harrison Ford.

Blade Runner: Villeneuve im Interview

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Die Originale treffen auf die Neuen: Denis Villeneuve, Ridley Scott, Harrison Ford und Ryan Gosling (v.l.n.r.)

Haben Sie gleich zugesagt?
Denis Villeneuve: Nein. Ich erinnere mich, ich drehte gerade meinen Film "Prisoners", und mein Produzent hatte plötzlich ein Meeting mit Ridley Scott. Ich wusste nicht mal, worum es eigentlich ging. Aber eine Fortsetzung zu "Blade Runner" zu machen, das war für mich schon ­damals die aufregendste, fan­tastischste und vielleicht auch dämlichste Idee seit Langem.

Also wollten Sie nicht?
Ich gebe zu, ich hatte ziemlichen Bammel, aber ich war auch sehr neugierig auf das Drehbuch. Und es hat mich ziemlich bewegt, dass das Studio mir derart vertraute, dass sie dachten, ich ­könnte das. Es war keine einfache Entscheidung, dieses Uni­versum musste erst mein eigenes werden.

Es hat Sie überrascht, dass man Sie gefragt hat?
Ich bekam eine Menge Projekte angeboten, speziell nach "Prisoners". Auch sehr große Sachen, Blockbuster, die ich alle abgelehnt habe. Ich wollte kein Mietregisseur sein und auch kein Sündenbock. Wenn das Schiff sinkt, gehe ich als Kapitän ja mit unter. Und wenn man meinen Film nicht mag, ist das mein Fehler, nicht der des Studios. Aber als ich das Drehbuch las, spürte ich, dass es das Risiko wert ist. Außerdem hatte ich Ridleys Segen.

Wie war Ihr erstes Treffen mit Ridley Scott, was hat er gesagt?
Ich traf ihn in seinem Büro in Los Angeles. Im Grunde hat er mehr über den ersten Film gesprochen als über den neuen. Dann sagte er, es wäre mein Film, was ich sehr großzügig fand. Er sei immer für mich da, wenn ich einen Rat brauchte, ansonsten würde er sich aber raushalten, er drehte gerade "Alien: Covenant". Zum Schluss nahm er meine Hand, sah mir in die Augen und meinte: "Wenn du deine Hausaufgaben richtig machst, kann es fantastisch werden, wenn nicht, ein Desaster. Viel Glück." (lacht)

Hat er mit Ihnen über die damals nicht einfache Zusammenarbeit mit Harrison Ford gesprochen?
Man spürt Ridleys Zuneigung zu ihm, auch wenn sie eine schwierige Zeit am Set hatten. Er sagte mir: "Du wirst viel Spaß mit Harrison haben, er hat einen fantastischen Sinn für Humor, er ist sehr intelligent und wird dir helfen, den Charakter so zu entwickeln, wie er sein soll. Dafür brauchst du Harrison."

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Was bedeutet Ihnen persönlich der erste Film "Blade Runner"?
Er war sehr wichtig für mich, weil ich damit auch meine Passion fürs Kino verbinde. Ich war 13 oder 14 Jahre alt und träumte davon, Regisseur zu werden. "Blade Runner" hat uns umgehauen, mich und meine Freunde, wir waren regelrecht süchtig. Ich könnte stundenlang über den Film reden.

Haben Sie Philip K. Dicks Roman gelesen?
Ja. So sehr sich Ridley mit dem ersten Film vom Buch entfernt hat, empfand ich den Roman eher als Guide, der mir zeigt, ­wohin es in der Zukunft gehen kann. Das half mir auch bei meinem Deckard-Problem: Fragt man Harrison Ford, ist Deckard ein Mensch, keine Frage. Aber für Ridley Scott ist Deckard ein Replikant, auch in der finalen Fassung des Director's Cut wird es angedeutet. Harrison und Ridley streiten noch heute darüber!

Wie wichtig war Harrison Ford? Wie kamen Sie auf Ryan Gosling?
Zunächst war Harrison vor mir da. Als Ridley und Drehbuchautor Hampton Fancher ihre Storyidee hatten, riefen sie gleich Harrison an, er gehört zur DNA dieses Projekts. Tatsächlich musste Harrison mich gutheißen, nicht umgekehrt! (lacht) Zu Ryan kann ich nicht viel sagen, tatsächlich war er Hampton Fanchers Idee, er hatte schon an ihn gedacht, als er das Drehbuch schrieb.

Bleibt Ihr Film stilistisch nahe am Original-"Blade Runner"?
Ja. Mein Film ist vielleicht ein wenig dynamischer in dem Sinn, dass es mehr Action­sequenzen gibt, aber die gab es im Original auch. Meine Version bleibt definitiv dem Geist des ­ersten Films treu. Es ist immer noch eine existenzielle Detektiv­geschichte, die sich als Film noir entwickelt.

Was erzählt uns der Film über unsere Zukunft?
Die gute Nachricht ist wahrscheinlich, dass wir Menschen noch da sind im Jahr 2049. (lacht) Für mich ist gute Science-Fiction immer auch eine Er­kundung der Gegenwart. Mich interessiert dabei nicht so sehr, was ein Film über die Zukunft, sondern was er über unsere Welt von heute sagt.

Würden Sie nach zwei großen Sci-Fi-Produktionen als Nächstes gern ein Kammerspiel drehen?
Ich erinnere mich, dass ich mit meinem Cutter im Schneideraum saß und wir überlegten, man müsse irgendwas Kleines drehen, mit drei Leuten in einem Raum. Am nächsten Tag meinte ich, dass ich demnächst "Dune" verfilme. (lacht) Wird also nichts. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie lange ich in Hollywood willkommen bin. Aber ein bisschen bleibe ich noch, denke ich.