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Gerichtsdrama "Verleugnung"

"Trump war eine Inspiration"

Im Interview sprechen Rachel Weisz und Timothy Spall über den Prozess eines Holcaust-Leugners und die Parallelen zu heute.

Für die in London geborenen Schauspieler Rachel Weisz und Timothy Spall ist es der erste gemeinsame Film. Er spielt einen notorischen Holocaust-Leugner, sie die Historikerin, die er vor Gericht bringt. Hier sprechen die beiden über historische Verantwortung, persönliche Bezüge und Parallelen zum Zeitalter der Fake News.

Das Gerichtsdrama von Mick Jackson startet am 13.04.2017 in den deutschen Kinos. Hier findest Du unsere Filmkritik.
Interview zum Gerichtsdrama "Verleugnung"
Foto: © SquareOne/Universum, Mit Tom Wilkinson, Rachel Weisz und Timothy Spall weist "Verleugnung" einen überaus erfahrenen Cast auf
Rachel, Sie kommen aus einer jüdischen Familie, ist der Film für Sie auch eine persönliche Geschichte?
Rachel Weisz: Ja, sehr, der Holocaust war das Thema meiner Kindheit. Meine Mutter konnte noch rechtzeitig aus Wien, mein Vater aus Budapest flüchten. Bei uns zu Hause wurde ständig über den Holocaust geredet. Aber das Thema des Films geht uns letztendlich alle an. Nur weil ich jüdisch bin, betrifft es mich nicht mehr als andere. Denn "Verleugnung" ist kein klassischer Holocaust-Film, es geht vielmehr darum, wie wichtig es ist, zwischen Fakten und Meinungen zu unterscheiden und Lügen nicht als Tatsachen zu verbreiten.

Ein sehr aktuelles Thema in unserer heutigen "postfaktischen" Zeit.
Rachel Weisz: Und wie, die Trump-Situation war sicherlich eine Inspiration für Drehbuchautor David Hare. Da gibt es eine Menge Parallelen. Eine Lüge folgt auf die andere, bis die Leute Fakten nicht mehr von Lügen unterscheiden können. Redefreiheit ist extrem wichtig, vor allem in den USA, aber man muss auch für Lügen zur Rechenschaft gezogen werden können. Ich hoffe, das wird bei Donald Trump auch passieren. Es wäre toll, wenn der Film gerade im derzeitigen fremdenfeindlichen Klima Zuschauer inspiriert, sich gegen Bigotterie und Rassismus einzusetzen.

Wie ernsthaft geht es eigentlich bei solchen Themen am Set zu?
Timothy Spall: Ach, wir haben auch oft gelacht. In Drehpausen redet man meist über irgendwelchen Unsinn. Je ernsthafter der Film, desto heiterer geht es manchmal hinter der Kamera zu, das ist im Grunde wie eine Art Sicherheitsventil.

Fordert es Sie als Schauspieler mehr, eine reale Person zu spielen, oder
macht es die Sache sogar einfacher?

Rachel Weisz: Bei diesem Film war es extrem spannend, weil ich Deborah Lipstadt ziemlich gut kennengelernt und viel Zeit mir ihr verbracht habe. Das ist für die Vorbereitung natürlich eine großartige Grundlage. Aber im Allgemeinen ist mir eigentlich total egal, ob ein Film auf Tatsachen basiert oder nicht.

Sie waren also gar nicht nervös, was Lipstadt von Ihrer Performance hält?
Rachel Weisz: Doch, schon. Mir war natürlich wichtig, dass sie mit dem Film zufrieden ist. Es war eine große Verantwortung. Ich wollte sie auf keinen Fall imitieren, sondern durch und durch verkörpern. Aber diese immense Verantwortung, den Film nicht zu ruinieren, spüre ich ehrlich gesagt bei jedem Dreh. (lacht)
Trailer zu "Verleugnung"
Mr. Spall, für viele sind Sie der Bad Guy, der Bösewicht des Films. Wie einfach ist es, in seine Haut zu schlüpfen?
Spall: Ja, er ist der Antagonist, der Auslöser dieser massiven Suche nach der Wahrheit. Aber ich gehe diese Rolle nicht anders an als andere. Mein Job ist es nicht, mit der Figur zu sympathisieren, die ich spiele, sondern hervorzuheben, was sie ausmacht: und zwar von ihrem Blickpunkt aus, wie unangenehm und unerfreulich ihre Ansichten für viele Menschen auch sein mögen. Es ist sehr wichtig, einen Hauch Menschlichkeit darin zu finden. Gerade bei einer Rolle mit solch kontroversen, erschütternden Ansichten kommt es darauf an, sie nicht mit einem Label zu versehen. Es ist sehr leicht, ihn einfach als Monster darzustellen, nicht als Mensch.

...der sich mit seinen Ansichten selbst isoliert hat.
Spall: Ja, auch im Film ist das so. Vor den Gerichtsszenen bekamen wir jeder einen eigenen Raum, um uns vorzubereiten, und meiner war wirklich bizarr, eine Art Vorzimmer, in dem alle Fenster mit schwarzer Folie abgeklebt waren, weil an der Fassade gearbeitet wurde. Als ich den Raum verließ, fühlte ich mich völlig isoliert, ich war Mr. No-Friends. Das war nicht geplant, aber es passte.

Rachel, konnten Sie sich persönlich mit Deborah Lipstadt identifizieren?
Rachel Weisz: Auf jeden Fall. Ich versuche bei jeder Rolle herauszufinden, was ich mit der Person gemeinsam habe. Das passiert instinktiv. Bei Deborah und mir gab es einige Parallelen. Wir sind beide sehr leidenschaftlich, ein bisschen sperrig und gelegentlich schwierig, reden zu viel und sind ziemlich eigensinnig. Und wir haben beide einen großen Sinn für Unabhängigkeit. Deborah noch viel mehr als ich. Dafür bewundere ich sie sehr. Sie haben viel über sie erfahren.

Haben Sie ihr im Gegenzug auch Einblick in Ihr Privatleben gewährt?
Rachel Weisz: Ja, das war ein wechselseitiger Prozess. Ich habe sie zu mir nach New York eingeladen, und wir haben hier einige Tage zusammen verbracht. Ich war sehr gerührt, wie gut sie sich mit meinem Sohn verstanden hat.

Kann ein Film mit einem so düsteren Thema die Menschen überhaupt
noch inspirieren?

Spall: Wenn der Film etwas tut, dann ist es zu provozieren, und zwar zum Nachdenken. Hier geht es um die größte menschliche Tragödie unserer Geschichte. Man muss bedenken, dass Zeit immer die Erinnerungen an bestimmte Geschehnisse auszuhöhlen droht. Deshalb ist es so wichtig, das Gedenken daran wachzuhalten. Jedes Element einer solchen menschlichen Tragödie muss in Erinnerung bleiben.

Interview: N. Sieger/S. Orlin