Emily Atef ist eine Exotin. Nicht wegen ihrer französisch-iranischen Eltern, nicht wegen ihrer Kindheit zwischen Berlin, Los Angeles und Frankreich. Sondern weil sie eine Frau ist - und von Beruf Regisseurin.

Denn damit zählt sie zu einer Minderheit. Auf dem Regiestuhl nehmen auch im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert überwiegend Männer Platz. Doch damit soll nun bitte Schluss sein, die Regiefrauen haben die Nase voll. 2014 gründeten sie den Lobby-Zusammenschluss "Pro-Quote Regie". Er soll öffentliches Problembewusstsein schaffen und den Frauenanteil auf dem Regiestuhl sichtbar steigern.

Es gibt viele Regie-Absolventinnen, aber wenige arbeiten als Regisseurin

Nicht nur Emily Atef gibt der Kampagne ihr Gesicht. Praktisch alle renommierten Regisseurinnen machen mit, Doris Dörrie, Caroline Link, Hermine Huntgeburth, Maren Ade, Stars wie Maria Furtwängler zählen zu den Unterstützern. Der Verein peilt konkrete Ziele an: eine nach Geschlechtern ausgeglichene Besetzung der Filmförderungsgremien, eine Frauenquote bei Regieaufträgen in Film und Fernsehen von zunächst 30 Prozent.

Der Handlungsbedarf liegt auf der Hand. Diverse Erhebungen dokumentieren, dass der Frauenanteil unter Regisseuren von Kino- und Fernsehfilmen grob gesagt zwischen 7 und 15 Prozent schwankt. Am besten steht hier noch die ARD da, das ZDF schwächelt, und die Privaten vergeben höchstens Serien und niedrig budgetierte Filme an Frauen.

Die Quote für Frauenregie

Dabei ist aktuell fast jeder zweite Absolvent (42 Prozent) einer deutschen Filmhochschule eine Sie. Nur mündet das selten in ausbildungsadäquate Karrieren. Wenn sie es überhaupt ins Filmbusiness schaffen, finden sich Frauen oft neben oder hinter dem Regiestuhl wieder: als Regieassistentinnen, vielleicht auch als Produzentinnen.

Eine Situation, die einem Teufelskreis gleichkommt. Bislang können Männer bessere Arbeitsergebnisse vorlegen, also kriegen sie auch eher den nächsten Auftrag. Auch mögen alte Klischeevorstellungen eine Rolle spielen, etwas dass den Ladys nicht zugetraut wird, am Set die Zügel in der Hand und das Budget im Zaum zu halten. Oder dass sie nicht die "Cochones" haben für die harte Welt der Krimifilme, nach wie vor das wichtigste Genre im deutschen TV-Film.

Die Quote für Frauenregie soll also helfen, ein tief verwurzeltes Missverhältnis aufzubrechen. Doch die Forderung riecht für viele miefig. NDR-Spielfilmchef Christian Granderath etwa meinte, es sei "lächerlich, Inhalte und Filme nach dem Geschlecht der Regisseure zu planen". Ein Geschlechterdisput entbrannte um den Dreiteiler "Ku'damm 56", der den femininen Aufbruch in den Fifties verhandelte. Da hätte es vielleicht nahegelegen, auch eine Frau mit der Regie zu betrauen, aber Produzent Nico Hofmann und das ZDF buchten einen Mann. Später verteidigte sich Hofmann etwas lahm, "die zehn führenden deutschen Regisseurinnen" hätten keine Zeit für seinen Film gehabt.

Die ARD-Degeto geht voran

Am Talent der Regiefrauen kann die Misere kaum liegen: Nach einer Studie der Uni Rostock gewinnen deutsche Spielfilme von Frauen überproportional viele Preise und laufen auch erfolgreicher auf Festivals. Beispiel Schweden: Dort gibt es seit fünf Jahren eine Frauenquote, ohne dass ein Qualitätsverlust sichtbar wäre. Immerhin, langsam zeigt die Initiative Wirkung.

Als erste verpflichtete Degeto-Chefin Christine Strobl ihre öffentlich-rechtliche Traumfabrik auf eine Frauenregiequote von 20 Prozent. In diesen Tagen besetzt Emily Atef den wichtigen Platz des ARD-Mittwochsfilms mit gleich zwei Erstausstrahlungen. Und wer "Wunschkinder" oder "Königin der Nacht" gesehen hat, der sieht Frau Atef nicht als Exotin. Sondern einfach als Filmemacherin mit Zukunft.

Autor: Kai Nungesser