.

Ex Machina: Flirt mit einem Roboter

Ex Machina: Flirt mit einem Roboter
Universal Pictures

Im klugen Sci-Fi-Drama "Ex Machina" (ZDF, 23.05) spielt der Mensch Gott und schafft sich ein Ebenbild. Immer gefährlich, wie die Filmgeschichte zeigt.

"Du bist der Angelpunkt des größten wissenschaftlichen Ereignisses in der Geschichte der Menschheit!", prophezeit Internetmogul Nathan (Oscar Isaac) sei­nem Programmierer Caleb. "Eine Maschine zu konstruieren, die Bewusstsein aufweist, ist kei­ne Geschichte der Menschheit, sondern eine Geschichte der Götter!", kontert Caleb (Domhnall Gleeson). Er soll für seinen Chef das Ro­botermodell Ava (Alicia Vikander) testen, ob es den Sprung von künstlicher Intelligenz zum Bewusstsein schafft. Ava spricht zunächst wie auswendig gelernt, aber bald versteht sie es, das Eis zu brechen, und kitzelt Empfindungen, Empathie und Sehnsüchte aus Caleb heraus. Das sich anbahnende manipulative Psychoduell zwischen Mensch und Maschine steuert der britische Roman-­ und Drehbuchautor Alex Garland ("Alles, was wir geben mussten", "Dredd") in eine Katastrophe hinein.
Künstliche Intelligenz als Dauerbrenner der Filmgeschichte
Das mythologische Thema ist nicht neu und in der Filmgeschichte immer wieder durchgespielt worden. Schon in Fritz Langs legendärer Utopie "Metropolis" (1927) schuf ein Größen­wahnsinniger eine Menschenmaschine für seine Allmachtsfantasien. Zum Klassiker wurde Stanley Kubricks: "2001: Odyssee im Weltraum" von 1968, in dem ein Raumschiff­computer den Menschen als Schwachpunkt ausmacht. Die Cyberthriller-­Trilogie "Matrix" (1999-2003) der Wachow­ski­-Schwestern malte die Diktatur der Maschinen über die Menschheit aus. In Steven Spielbergs "A. I." (2001) ist ein adoptiertes Roboterkind davon überzeugt, ein besserer echter Junge zu sein. Und Spike Jonze (Oscar für sein Drehbuch) lässt in seinem Zukunftsszenario "Her" Programmierer eine Intelligenz aus Bits and Bites erschaffen, die tief ins emotionale Innere der Menschen vordringt...
Turing-Test geknackt
Foto: Universal Pictures, Nathan (Oscar Isaac, l.) und Caleb (Domnhall Gleeson)
Alex Garland erzählt, er sei schon als Kind von der Wissenschaft besessen gewesen, und es verginge kaum ein Tag, an dem er nicht mit Freunden debattiert. Zum Beispiel über "Das Blaue Buch" des Philosophen Ludwig Wittgen­stein (als Hommage gibt er Nathans Suchmaschinenunternehmen diesen Namen).

Die Idee zu "Ex Machina" schwirrte schon in seinem Kopf herum, bevor er 1996 den Best­seller "The Beach" veröffentlichte. Vor zehn Jahren begann er, an dem klaustrophobischen Kammerspiel über die Hybris des Menschen zu schreiben. Gemessen an der technologischen Entwicklung, schien das Szenario nicht mehr weit hergeholt: In den letzten Jahren gab es gewaltige Fortschritte bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz, IBM oder Google investieren Milliarden. Gespeist von gigantis­chen Datenmengen, lernen die Maschinen selbstständig permanent dazu. 2014 knackte erstmals eine Software den be­rühmten Turing-­Test, gaukelte also einer Testperson im Chat vor, sie sei ein Mensch. Im März 2016 siegte ein Google-Algorithmus beim komplexen Brettspiel Go mit 4 : 1 über den Südkoreaner Lee Sedol, einen der weltbesten Spieler. Und vor zwei Jahren saßen bei einem kleinen Konzert von Damon Albarn im Tokioter Miraikan Museum die Androiden Otonaroid und Telenoid in der ersten Reihe des Publikums, wippten im Takt und sangen mit.
"Niemand sollte Gott spielen"
Was also, wenn Roboter, die nicht mehr nur in Autowerken oder Operationssälen, sondern immer häufiger in unseren Alltag dringen, eigenständig denken und tatsächlich ein Bewusstsein entwickeln? Wenn man der Maschine erzählt, dass die Eltern gestorben sind und sie mitleidig und vol­ler Anteilnahme reagieren? Muss man sie dann als gleichwertige Wesen behandeln und ihnen gesetzliche Rechte gewähren? Die Sorge um die menschliche Zukunft ist bei Garland schon ausgeprägt: "Wird künstliche Intelligenz irgendwann die biologische Variante ab­lösen?" In den mes­serscharfen Wortgefechten seines Regiedebüts um Technik und Ethik bringt er viele Befürchtungen unter: "Suchmaschi­nen sind heutzutage keine Sammlungen von dem, was Men­schen denken, sondern wie sie denken. - Und niemand sollte Gott spielen!"

Vielleicht sind die Menschen aber ja selbst Fake! Schon 1748 philosophierte das Enfant terrible der französischen Aufklärung Julien Offray de La Mettrie in seinem Werk "Der Mensch als Maschine" über die Maschinenhaftigkeit seiner Zeitgenossen - eine durchaus weitsichtige Betrachtung, die einiges antizipiert! Auf alle Fälle soll­ten wir Nathans Warnung an Caleb beherzigen: "Immer den Reset-­Knopf im Auge behalten und den Intellekt einschalten."
Holger O. Wiechmann
Trailer zu "Ex Machina"