Dieser Film - ein Mix aus Spiel- und Dokumentarfilm, Pamphlet und Appell - "versetzte homo- wie heterosexuelle Zuschauer in Wut und Schrecken". So beschreibt es der Westdeutsche Rundfunk, der das Werk 1969 in Auftrag gab.
Gemeint ist "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" von Rosa von Praunheim. Vor 50 Jahren (3. Juli) feierte das 65-Minuten-Werk - ein herausragendes Beispiel für einen Film mit gesellschaftspolitischer Wirkung - seine Premiere bei der Berlinale 1971. Anlässlich des Jubiläums wiederholt das WDR Fernsehen den Film am 4. Juli abends.
Im Anschluss wird auch eine TV-Debatte mit den Autoren Rosa von Praunheim und Martin Dannecker ausgestrahlt. Sie ist von 1973, als der Film zum ersten Mal im Ersten Programm gezeigt wurde, wobei sich der Bayerische Rundfunk aus Protest gegen den Schwulenfilm aus dem ARD-Gemeinschaftsprogramm ausgeklinkt hatte.
Film als Startschuss für eine linke, politische Bewegung.
Mit dem Film bekam das kleine Wort "schwul" eine neue Bedeutung, etwa 90 Mal fällt es im deklamatorischen Kommentar des Stummfilms. Von da an eigneten sich in erster Linie junge Homosexuelle das einstige Schimpfwort als Kampfbegriff und stolze Selbstbeschreibung an.
Im Film geht es um den jungen Daniel, der bislang flüchtige Erlebnisse mit Männern hatte. In der Großstadt lernt er den älteren Clemens kennen. Beide sehnen sich nach einer Beziehung. Sie ziehen zusammen, doch bald erweist sich ihr intensives Alltagsleben als kitschige Parodie einer Hetero-Ehe.
Daniel begegnet einem älteren Mann, von dessen Weltgewandtheit er fasziniert ist. Doch dessen kalte Art und übergriffige Freunde stoßen ihn bald ab. Er verliert seine Hemmungen und sucht das Glück bei schnell wechselnden Sexualpartnern. Dann gerät er in ein Szene-Lokal mit Lederkerlen und Transvestiten. Von dort gelangt er zu einer Gruppe junger Männer, die mit emanzipativem Auftreten ein neues Bewusstsein in der Gesellschaft entwickeln wollen.
Diskret lebende Homosexuelle fühlten sich damals von dem Film, der den Schwulen eine selbstverschuldete Unsichtbarkeit vorwarf, verunglimpft. Junge Männer an den Universitäten nutzten den Film jedoch als Startschuss für eine linke, politische Bewegung. Dannecker und Praunheim zogen damals durch die Lande, an einigen Hochschulen wurden Aktionsgruppen gegründet, eine offene Szene entstand.