Tabletten gegen Traurigkeit. Vor dem Hintergrund grassierenden Pillenmissbrauchs kreiert Regisseur Steven Soderbergh einen provokanten Pharmathriller, in dem sich tiefe seelische Abgründe auftun. Auf der Berlinale 2013 feierte Side Effects seine Deutschland-Premiere, TV SPIELFILM traf die beiden Hauptdarsteller
Jude Law und Rooney Mara in Berlin zum Gespräch.

TV SPIELFILM Für jedes Problem die passende Pille. Höchste Zeit, darüber einen Film zu drehen?

JUDE LAW
Tatsächlich ist der verschwenderische Umgang mit Psychopharmaka ein aktuelles Thema, über das wenig gesprochen wird. Der Film erzählt davon; aber vor allem ist er ein packender Thriller, der unterhalten will. Dass er das Gespräch über unser Verhältnis zu Medikamenten anregt, ist ein sehr positiver Nebeneffekt.
Der Film erinnert von seiner Machart her stark an Hitchcock-Filme. Gerade lief "Hitchcock" mit Anthony Hopkins im Kino. Dürfen wir uns auf ein Hitch-Revival in Hollywood freuen?

ROONEY MARA
Oh, das wäre schön! Steven hat sich tatsächlich stark von Alfred Hitchcocks Filmen inspirieren lassen. Er riet uns Schauspielern, die alten Klassiker als Vorbereitung auf die Dreharbeiten anzuschauen.

JUDE LAW Überraschende Wendungen, wie Hitchcock sie in seiner Arbeit so meisterhaft einsetzte, findet man heute im Film kaum noch. In den 80ern war das mit Filmen wie "Heißblütig - Kaltblütig" viel präsenter. Dem Kino bleiben kaum Möglichkeiten, den Zuschauer noch zu überraschen, heutzutage wird über Twitter, Facebook und Blogs ständig alles ausgeplaudert. Das gilt auch für Filmprojekte - jedes Foto vom Dreh wird irgendwo veröffentlicht, jede spannende Entwicklung vorab verraten. Das ist wirklich eine Schande. Ich würde mir wünschen, dass es bei "Side Effects" anders ist, dass die Zuschauer anderen, die den Film noch sehen wollen, die Überraschung lassen.
Mr. Law, dies ist nach "Contagion" Ihre zweite Zusammenarbeit mit Steven Soderbergh. Was können Sie heute über ihn sagen?

JUDE LAW
Steven ist außergewöhnlich - auf der einen Seite ist er sehr offen, bespricht sich detailliert mit seinen Schauspielern und fragt sie um Rat. Andererseits will er Szenen unmittelbar umsetzen und in einem Rutsch drehen. Da musst du als Schauspieler extrem gut vorbereitet sein.

ROONEY MARA Steven hat einen fantastischen Humor, extrem sarkastisch. Und er begeistert alle um sich herum mit brillanten Ideen.

JUDE LAW Während andere Filmemacher immer mehr wollen - mehr Equipment, mehr Kameras, mehr Statisten - kann Steven alles anhand einer Tasse Tee erzählen. Diese absolute Reduzierung, das ist Wahnsinn. Es gibt eine Szene, in der ich drei Seiten Monolog spiele - Steven hat dabei nur meine Hände gefilmt.
Ihre Figur kämpft im Film um die Wahrheit, und zwar um jeden Preis. Für Sie nachvollziehbar?

JUDE LAW
Nach der Lektüre des Drehbuchs rief ich Steven an und fragte: "Ist Dr. Banks gut oder böse?" Und Steven antwortete: "Exakt!" Die Ambivalenz war ihm wichtig. Als Psychiater ist es Banks' Aufgabe, Probleme zu lösen. Als sein eigenes Leben aus den Fugen gerät, entwickelt er eine Obsession, um sein Leben wieder zurückzubekommen. Solch eine extreme Erfahrung habe ich in meinem Leben bisher zum Glück nicht machen müssen. Aber die Besessenheit kann ich nachvollziehen. Wenn ich eine Rolle ausarbeite, erreiche ich irgendwann einen Punkt, an dem ich voller Zweifel bin. Der einzige Weg da raus ist, noch tiefer einzusteigen.

Sony Pictures Releasing GmbH

Rooney Mara als Lisbeth Salander in David Finchers "Verblendung", 2011

Miss Mara, nach Lisbeth Salander in "Verblendung" ist Emily Ihre zweite Hauptrolle und ebenfalls ein komplizierter Fall. Ziehen Sie solche Rollen an?

ROONEY MARA
Es ist doch wie im wahren Leben: Menschen sind superkompliziert. Schwarz, weiß, gut, böse: Diese einfachen Muster funktionieren nie. Es gibt furchtbare Leute, die auch gute Seiten haben. Und so gibt es eben auch gute Leute, die sehr schlimme Dinge tun. Ich bin unglaublich froh, dass ich so spannende Charaktere spielen darf, die Schauspielerinnen heute einfach immer noch viel zu selten angeboten werden. 

Interview: Verena Manhart

JUDE LAW (40) spielte in Steven Soderberghs "Contagion" und Dr. Watson neben Robert Downey jr. in zwei "Sherlock Holmes"-Filmen.

ROONEY MARA (27): Auf eine Nebenrolle "The Social Network" folgte die Hauptrolle der Lisbeth Salander in David Finchers Stieg-Larsson-Verfilmung "Verblendung"