Es ist das erste Mal, dass Meryl Streep und Julia Roberts für einen Kinofilm gemeinsam vor der Kamera standen. In der Filmversion des preisgekrönten Theaterstücks "Im August in Osage County" gehen sich die beiden Stars als Mutter und Tochter in der Sommerhitze Oklahomas an die Gurgel. Eine schauspielerische Leistung par excellence, wofür jede der Ausnahmeschauspielerinnen völlig zu Recht für einen Oscar nominiert war, auch wenn's diesmal nicht geklappt hat.
Roberts war schon zum vierten Mal nominiert, einmal hat's bislang geklappt (2001 für "Erin Brockovich"). Darüber kann Streep allerdings nur milde lächeln: Sie hat rekordverdächtige achtzehn Nominierungen auf der Uhr und drei der Goldstatuen (aus 1980, 1983 und 2012) zu Hause stehen.

TV SPIELFILM Haben Sie Tracy Letts' Theaterstück am Broadway gesehen?

MERYL STREEP
Ja, das ist vielleicht acht Jahre her, und es war ein äußerst lebhaftes Theatererlebnis. Ich weiß noch genau, dass die dreieinhalb Stunden wie im Flug vergingen, so dicht gepackt war es mit Action, sprich: Dialogen. Kein Wort durfte man verpassen. Als bekannt wurde, dass aus dem Stück ein Film werden soll, habe ich gedacht: Das auf normale Filmlänge zu bringen, wird ganz schön schwierig.
Ist zu viel verloren gegangen?

MERYL STREEP
Man muss immer auf etwas verzichten, keine Frage. Beim ersten Treffen zwischen Schauspielern und Regisseur hatte jeder seine Kopie des Theatertextes dabei, weil wirklich jeder eine Lieblingsszene hatte, die im Film fehlte. Die Filmversion ist reduziert, ja, aber nur im Format, sie ist trotzdem komplett. Es ist die Version, die unser Regisseur John Wells erzählen wollte.

JULIA ROBERTS Ich habe das Stück auch am Broadway gesehen und war gebannt, fasziniert. Es war sehr lang, das stimmt, mit zwei Pausen. Aber es war keine Frage, dass ich bei dem Film dabei sein wollte, allein schon wegen der Chance, mit Meryl zu arbeiten, mit George (Clooney), der ja Produzent ist, und mit Dermot Mulroney, ein guter, langjähriger Freund. Es war einfach eine große Freude, und das ist auch nötig, wenn man sich den ganzen Tag vor der Kamera anschreit und an die Gurgel geht. Da braucht man diesen "Schutzschirm" von Freunden.
MERYL STREEP Ehrlich gesagt war ich erst gar nicht scharf auf die Rolle, aber dann hat mir eine sehr, sehr gute Freundin zugeraten. Sie meinte: "Meryl, du hattest eine großartige Mutter. Sie hat dir alles mitgegeben: deine Neugier, deinen Sinn für Humor. Deine Mutter sang in der Küche, meine schlug mich. Du musst diesen Film für Mädchen wie mich machen, die schlechte Mütter hatten und es trotzdem geschafft haben - und für die, die es nicht geschafft haben." Da war mir klar, dass es das wert sein würde.
Haben Sie bei diesem Mutter-Tochter-Zwist auf eigene Erfahrungen zurückgreifen müssen?

JULIA ROBERTS
Zum Glück nicht. Es war aber auch alles schon im Stück, die Dialoge sind so präzise, ich musste gar nicht über diese Komposition hinausschauen, um zu verstehen, wie es um das Verhältnis zwischen Violet und ihren Töchtern bestellt ist.

MERYL STREEP Meine Töchter würden auch gar nichts wiedererkennen, wenn sie den Film zu sehen bekämen. Das hat bislang nur meine Jüngste, und sie meinte: "Mom, du bist toll, aber jeder wird dich hassen."

Ist das zwischen Barbara und Violet ein typisches Mutter-Tochter-Verhältnis?

JULIA ROBERTS
Nein, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es sich gar nicht um Mutter und Tochter dreht, sondern ganz speziell um diese beiden Menschen, Barbara und Violet, und wie sie sich gegenseitig antreiben, immer weiter, und das in dieser gottverdammten Hitze.

Haben Sie lange geprobt?

MERYL STREEP
Nein, aber lange gedreht. (lacht) Für mich fühlte es sich manchmal an wie mehrere Kreise der Hölle. Es gibt zum Beispiel zwei Essensszenen im Film, schon die erste ist sehr zugespitzt. Ich habe solche Familientreffen selbst erlebt, wo alle nur darauf aus sind, richtig vom Leder zu ziehen, aufgestauten Ärger aus zwanzig Jahren rauszulassen. Da reicht ein kleines Wort, und alles fliegt in die Luft.
Worum ging's in Ihrer Familie?

MERYL STREEP
Zum Beispiel um den Vietnamkrieg, daran erinnere ich mich. Ich war damals Teenager und bin lieber abgehauen, sonst wäre ich durchgedreht.

Julia, kennen Sie auch solch explosive Familiensituationen?

JULIA ROBERTS
Ich koche sehr gern und liebe es, die ganze Familie zum Essen um den Tisch zu versammeln. Ich weiß auch nicht, woran es liegt, aber manchmal wird dieser Tisch dann zum Ort der Offenbarungen, regelrecht zum Pulverfass - aber auch sehr fröhlich und nahrhaft. 

INTERVIEW: Scott Orlin