Schon der schwachsinnige deutsche Verleihtitel macht de utlich, wie unsicher die Filmindustrie im Jahre 1970 dem als gewagt geltenden Thema Homosexualität gegenüberstand. Bis dato waren homosexuelle Charaktere meist unangenehme, oft lächerliche und bemitleidenswerte Randfiguren oder, wenn sie im Zentrum der Han dlung standen, psychisch gestörte Neurotiker, wie in INFAM, LILITH oder THE FOX, die »kuriert« werden mussten. Besonders beliebt waren (und sind) Homosexuelle – egal ob männlich oder weiblich – als Bösewichter, etwa in LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU (Lotte Lenya als fiese Lesbe Rosa Klebb) und, besonders extrem, in Veit Harlans Hetzstreifen ANDERS ALS DU UND ICH. Wenn doch einmal ein ernsthafter Versuch unternommen wurde, Schwule oder Lesben als komplexe, menschliche Charaktere darzustellen, wie in DAS DOPPELLEBEN DER SISTER GEORGE, wurde das Ergebnis als repräsentativ für die gesamte Homo-Szene aufgefasst, als handele es sich um einen Dokumentarfilm. Das gleiche Schicksal erfuhr auch The Boys in the Band, der dennoch einen Meilenstein in der Darstellung von Homose xualität im Kino darstellt. Basierend auf dem Theaterstück von Mart Crowley, der auch das Drehbuch schrieb, erzählt der Film von acht New Yorker Schwulen, die sich auf einer Geburtstagsparty für Harold (Frey) treffen. Überraschend stößt Alan (White), der s cheinbar heterosexuelle Studienfreund von Michael (Nelson) zu dieser Runde. Er wird Zeuge von Auseinandersetzungen, Selbstzweifeln und Quälereien unter den Männern. Schließlich bekennt er selbst seine latente Homosexualität. Das Erscheinen des Films fiel z usammen mit der Etablierung der amerikanischen Schwulen-Bewegung, die sich nach den Ereignissen um die New Yorker Kneipe »Stonewall« formiert hatte und verstärkt an die Öffentlichkeit gegangen war. Regisseur William Friedkin verließ sich ganz auf Mart Crow leys bissige, oft brillante Dialoge, so dass die Bühnenherkunft des Stoffes unübersehbar ist. Ebenso sind einige Darstellungen (alle Schauspieler wiederholten ihre Bühnenrollen) zu theatralisch und dick aufgetragen. Trotz dieser Mängel und der Etablierung etlicher Stereotypen ist The Boys in the Band ein mutiger, aufrichtiger und achtbarer Versuch, sich auf vernünftige Art mit modernem schwulen Leben in Amerika auseinanderzusetzen.
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