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Das große Tatort-Special - Kolumne

TATORT: DAS ZWEITE GESICHT

Unlogische Eiszeit

Das Haar in der wirklich vorzüglichen Tatort-Suppe war unübersehbar

TATORT: DAS ZWEITE GESICHT (ARD, Sonntag, 20.15) Das war doch wieder ein gelungener Tatort. Jan Josef Liefers konnte seine Paraderolle als snobistischer und miesepetriger Pathologe Professor Karl-Friedrich Boerne voll ausspielen. Auch der Vater von Kommissar Thiele, vom Beruf Hanfbauer und Taxifahrer, vergnügte sich und zwar mit der kettenrauchenden Staatsanwältin in deren Schlafzimmer. Zudem wurde das von geheimnisvollen Strahlen durchwebte Milieu der Wahrsager trefflich persifliert. Okay, es war früh zu erahnen, wer denn der Mörder war, was aber der guten Unterhaltung keinen Abbruch tat.

Trotzdem ein Haar in der wirklich vorzüglichen Tatort-Suppe war unübersehbar. Der Running Gag des gesamten Films war die Eiseskälte, die in der pittoresken Universitätsstadt Münster herrschte. Es war so kalt, dass Thiele schließlich bei Professor Boerne auf der Wohnzimmercouch nächtigte, weil dieser es in seiner Eigenschaft als Vermieter versäumt hatte, die schrottreife Heizung rechtzeitig zu erneuern (göttlich waren Boernes Verhandlungen mit den Heizungsbauern). Die Eiseskälte im zweistelligen Bereich unter Null langte sogar dafür, einen Obdachlosen zu töten, indem er mit Wasser übergossen wurde. Der Leichnam war dermaßen durchgefroren, dass er wie ein Brett in den Sarg gelegt werden konnte. Trotzdem sind sowohl der erste Tatverdächtige als auch Boerne und Thiele mit einem Spaten in den Wald gegangen, um dort in gut einen Meter Tiefe zwei verweste Skelette zu finden. Nun ja, wenn es wirklich über Wochen Minusgrade hat, dürfte die Erde wohl so gefroren sein, dass ohne Presslufthammer nichts möglich wäre. Aber diese kleine Schlamperei am Drehbuch hat natürlich nichts am Tatort-Genuss versaut.