"Hoch im Norden" IM TV
Erst der Blick aus dem Hubschrauber macht klar, wie groß Skandinavien wirklich ist. Kilometer über Kilometer erstrecken sich die Wälder und Tundren, bis das Land an den Steilküsten jäh zum Meer hin abfällt. Die Weite, die sich auftut, fasziniert vorm Fernseher fast noch mehr als in der Natur. Denn die fünfzehnteilige Arte-Reihe "Europas hoher Norden" wartet mit einer Fülle von spektakulären Bildern aus der Vogelperspektive auf, die ein ganz neues Bild von Nordeuropa zeigen.

Dabei geht die Dokumentation nicht nur technisch neue Wege. Auch inhaltlich weicht sie von typischen Skandinavienreportagen ab. "Wir wollten mehr als nur prächtige Landschaften und Tiere zeigen", sagt Stéphane Monthiers, die das Projekt bei Arte betreut hat. "Über die Menschen und ihre Lebensart erfährt man sonst nur wenig. Das ist bei unserem Film anders."

Mit Wilfried Hauke hat der Sender einen der besten Skandinavienkenner in der deutschen TV-Branche verpflichtet. Der Regisseur spricht fließend Dänisch und kann sich auch auf Schwedisch und Norwegisch verständigen. Lange Dokus sind ihm ebenfalls vertraut. Er führte bei mehreren Folgen von "Deutschlands Küsten" (Arte, Oktober 2010, zehn Teile) Regie.

Von der Stoffentwicklung bis zur Ausstrahlung vergingen bei "Europas hoher Norden" gut zwei Jahre. "Wir haben für dieses Projekt sehr lange recherchiert, nicht zuletzt, um ungewöhnliche Menschen aufzuspüren", sagt Alexandra Hardorf, Producer bei der Hamburger Firma dmfilm.
In Kopenhagen begleitete ein Filmteam einen talentierten Nachwuchstänzer vom Königlichen Ballett. Auf der Insel Andoya im Atlantik traf es Sandra Blindheim, Leiterin eines Observatoriums. Und im hohen Norden machte es die Bekanntschaft mit einer Rentierärztin.

Weniger harmonisch verlief die Begegnung mit der skandinavischen Küche. Nirgendwo liegen kulinarische Lust und Qual so nah bei einander wie in Nordeuropa. Einerseits wurde das "Noma" in Kopenhagen 2011 zum zweiten Mal in Folge zum besten Restaurant der Welt gekürt. Andererseits verging selbst den neugierigsten Männern von der Filmcrew der Appetit, als sie mit einer isländischen Delikatesse konfrontiert wurden: vergammeltem Eishai.

Der Fisch hat keine Nieren, die Stoffwechselgifte werden stattdessen im Fleisch eingelagert. Das tote Tier stinkt schlimmer als ein Bahnhofspissoir, und auch nach zehn Wochen Entlüftung kostet es Mut, seine Zähne in den Gammelhai zu schlagen. Der deutsche Fernsehkoch Vincent Klink ("Koch-Kunst", SWR) hat es mal getan und beschrieb hinterher den Geschmack als einen Mix aus überreifem Käse und Pferdeurin.

Noch schlimmer schmeckt nur noch Surströmming, verfaulter Hering aus Schweden in Konservendosen, den das Filmteam ebenfalls dankend ablehnte. Dabei soll die Biowaffe bei der Vertreibung von Wühlmäusen wahre Wunder bewirken.

Rainer Unruh

Europas hoher Norden
MO 5.12. Arte 19.30