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Das Abendprogramm von Arte

Vom Pontifex zur Datenbrille

Papst Johannes Paul II.
Wieso war der polnische Pontifex auf den Ebenen der Doktrinen so konservativ?

Papst Johannes Paul II. unterhielt eine Brieffreundschaft zur verheirateten Philosophin Anna-Teresa Tyemienecka. Eine Free-TV-Premiere widmet sich dem bislang wenig beleuchteten Thema. Danach switcht Arte mit der Erstausstrahlung "Der digitale Patient" auf die Thematik der allsehenden Gesellschaft!

Über Programmplanungen lässt sich manchmal schmunzeln: Da nimmt Arte die neue BBC-Doku "Die Geheimnisse von Papst Johannes Paul II." ins Programm und setzt den geneigten Papst-Interessierten im Anschluss eine Doku über die gläsernde Gesellschaft vor die Nase. Der für TV-Sender so immens wichtige Audience Flow wird dabei auf eine harte Probe gestellt, denn auch umgedreht stellt sich die Frage: Ist die Beigeisterungsfähigkeit für den Papst bei den Leuten, die mehr über unseren Cyberalltag in "Der digitale Patient" erfahren wollen, groß genug?

Vielleicht nicht, allerdings kann man definitiv dazu raten, mal einen Abend lang Arte zu vertrauen. Sowohl die Einblicke in das Leben des wohl populärsten Papstes unserer Zeit als auch die Ausblicke auf neue Technologien in unserem Alltag sind lohnenswert! Zwei Besprechungen.
Spannend wird ein Thema immer dann, wenn etwas bewusst unter Verschluss gehalten wird. So auch beim Thema des Briefwechsels zwischen Papst Johannes Paul II. und der Philosophin Anna-Teresa Tyemienecka. Warum gewährt das Archiv der polnischen Nationalbibliothek keine Einblicke in die Briefe von Anna-Teresa Tyemienecka? Wieso dürfen Forscher und Journalisten nur die Antworten des Pontifex sehen? Weshalb hält sich der Vatikan bis heute bedeckt zu diesem Thema?

Als Kardinal Karol Wojtyla am 16. Oktober 1978 zu Papst Johannes Paul II. wird, pflegt er schon seit Jahren eine enge Freundschaft zur Philosophin Anna-Teresa Tyemienecka. 343 Briefe sollen es bis zu seinem Tod am 2. April 2005 werden, in denen die Beiden immer wieder philospohische Themen besprechen, wohl aber auch Emotionalitäten austauschen.

Ein heikles Thema für Johannes Paul II. Schon zu seiner Zeit als Weihbischof in Krakau observiert ihn die polnische Geheimpolizei. Damals noch, weil er in den Augen der sowjetischen Oberen enge Kontakte zu Dissidenten unterhält. Doch seine Verbindungen in den Westen, sein Austausch mit der in Amerika verheirateten Anna-Teresa befeuert den Argwohn der Sowjets nur noch mehr. Seine Wohnung ist verwanzt, sein Telefon wird abgehört, er wird verfolgt.

All diese Themen sind weit weniger populär als die Heiligsprechung des später wohl beliebtesten Papstes heutiger Zeit. Auch das auf ihn verübte Attentat im Mai 1981 spielte immer eine gewichtigere Rolle in der Berichterstattung um ihn. Doch der Film, den die BBC am Montag, dem 15. Februar zum ersten Mal zeigte, beleuchtet diese Facette des päpstlichen Lebens eingehend und "... lässt ihn in einem neuen Licht erscheinen", so der berühmte US-Journalist Carl Bernstein in der Dokumentation.

Spannend bleiben vor allem die am Ende weitestgehend unbeantworteten Fragen: Warum unterdrückte Papst Johannes Paul II. die Bewegung, weibliche Priesterinnen anzuerkennen? Wieso war er auf den Ebenen der Doktrinen so konservativ und im Privaten scheinbar viel offener und liberal gegenüber der Rolle des weiblichen Geschlechts? Und weshalb wurde der Part von Anna-Teresa aus der Geschichte von Johannes Paul förmlich herausgeschrieben, wenn sich die Beziehung zu ihr doch "in Geboten von Sitte und Anstand" verhielt?
Wie uns der Cyberalltag der Zukunft zur gläsernen Gesellschaft machen könnte, zeigt Arte in den beiden Dokus "Der digitale Patient" (21.30 Uhr) und "Ich weiß, wer Du bist" (22.10 Uhr).

Was wäre, wenn der Passant auf der Straße mit einem Blick in seine Datenbrille alles über seine Mitmenschen erfährt, was das Netz über sie weiß? Alter, Beruf, Hobbys, Beziehungsstatus, Kontostand, Erkrankungen, politische Einstellungen...Wenn Apps per Gesichtserkennung Promis, Sextäter oder Mitglieder von Datingportalen aufspüren? Netzjournalist Mario Sixtus geht in einer Reportage diesen Fragen nach und klärt, wie viel von dem gruseligen Science-Fiction-Szenario technologisch in greifbarer Nähe ist. Sixtus, der sich mit Blog und Web-TV als "Elektrischer Reporter" einen Namen machte, schaut hinter die Fassade der alles sehenden Gesellschaft, wägt Potenzial und Gefahren gegeneinander ab, indem er mit Fans der digitalen Evolution spricht, mit Datenschützern und Big-Data-Experten.

Zu Letzteren gehört Sebastian Thrun. Er hat getestet, wie Datenbrillen Gesichter erkennen und mit gespeicherten Informationen verknüpfen können. Dabei greift der smarte Nasenaufsatz auf Material zurück, das über uns ohnehin digital im Netz vorliegt, gesammelt von Onlineshops, sozialen Netzwerken etc. Thrun ist ein Guru der Szene, er leitete Googles Forschungsabteilung X, entwickelte selbstfahrende Autos, Street View und Google Glass. Die Brille, mit der man filmen, telefonieren, navigieren oder via App shoppen kann, wurde zwer gehypt, war aber eher Nerd-Spielzeug als alltagstauglich und flog vor einem Jahr wieder vom US-Markt. Vor allem die integrierte Kamera löste Datenschutzdebatten aus.

Um möglichen Missbrauch von Daten geht es auch in der Doku "Der digitale Patient", ab 21.30 Uhr im Arte-Themenabend. Seine Expertise beweist Reporter Sixtus demnächst im Experimentalfilm "Operation Naked" (22.2., 23.55 Uhr im ZDF). Die Auswirkungen der Datenbrille, die eine junge Frau trägt, sind so augenöffnend wie katastrophal.
Im Anschluss zeigt Arte übrigens die Doku "Der Glanz der Schattenwirtschaft". Hier geht es um Schwarzmärkte in Entwicklungsländern. Hunderte Menschen wühlen täglich im Abfall einer Millionenstadt nach Verwertbarem. Die Dokumentation stellt sich der Frage: Soll das ein Sinnbild einer ökonomischen Supermacht sein?

Wir stellen uns die Frage: Ob der Audience Flow das aushält?