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Als Paul über das Meer kam

Von Kamerun nach Deutschland - ein Dokumentarfilm erzählt von der gefährlichen Reise eines Flüchtlings

Eigentlich wollte Jakob Preuss einen Film über die europä­ischen Außengrenzen drehen. Als er Paul Nkamani in Marokko kennenlernte, änderte das seinen Plan. Der Kameruner war auf dem Weg nach Europa. Die beiden verstanden sich gut. Als der Filmemacher ihn aus den Augen verlor und später in einer Nachrichtensendung als zitternden Überlebenden eines Bootsunglücks entdeckte, beschloss der Grimme-Preisträger, seine kri­tische Distanz aufzugeben und Nka­mani zu helfen. Preuss' wunderbare Doku "Als Paul über das Meer kam" dokumentiert diesen Prozess und die gemeinsame Reise.


Heute, anderthalb Jahre nach Beendigung des Films, lebt Paul in Berlin bei Jakobs Eltern im alten Kinderzimmer des Filmemachers. Jakob Preuss wiederum lebt in Afrika, im tunesischen ­Tunis. Das kann man kurz kurios finden - bis einem wieder einfällt, dass der Deutsche reisen und wohnen kann, wie es ihm beliebt, der Kameruner nicht.
Nkamanis Asylantrag wurde abgelehnt, Kamerun gilt als ausreichend sicheres Land. Ein Einspruchsverfahren läuft, aber die Chancen stehen schlecht. Fehlende Zukunftsperspektiven im Herkunftsland reichen nicht, um ein Bleiberecht zu erwirken. "Diese Situation kann man schlecht aushalten, mein Kopf ist nicht ruhig, ich habe immer Angst vor der ­Abschiebung", sagt der athle­tische 39-Jährige, der in einer ­Altenpflegeeinrichtung arbeitet.

Migranten gegen Flüchtlinge

Nkamani kam mit großen Erwartungen nach Europa. "Ich habe es verdient. Ich habe gekämpft, um hier anzukommen. Ich habe dem Tod getrotzt", sagt er im Film. "Soll das für nichts gut gewesen sein?" Auch bei den Zuschauern werden Erwartungen geweckt. Etwa dass einer, der eine derart traumatische Reise gemacht hat, mit seinen Leidensgefährten mitfühlt. Doch Nkamani findet, dass christliche Flüchtlinge wie er in Europa bevorzugt werden sollten, Syrer eher nach Saudi-Arabien gehen sollten.

"Pauls Antworten ärgern mich, er würde wohl die Grenzen dichtmachen, womöglich konservativ wählen", sagt Preuss im Film. Beim Interview, per Skype zugeschaltet, fügt er hinzu: "Man darf nicht denken, nur weil man ein gewisses Schicksal hatte, dass man deswegen solidarisch mit ­allen ist oder besonders migra­tionsfreundlich, das hat man auch beim Brexit in Großbritannien gesehen, ganz viele Migranten der ersten und zweiten Generation haben für den Brexit gestimmt, um zu verhindern, dass mehr Ausländer ins Land kommen."

Der Paul aus dem Film wirkt nachdenklich und kultiviert. Sympathisch. Der Paul in Berlin wirkt vor allem hoffnungslos. Als er sagt, dass Jakob einfach nicht genug für ihn tue, ist Preuss verblüfft. Und verärgert. Noch eine Erwartung: Wenn man jemandem hilft, erwartet man Dankbarkeit. Vielleicht hat sich Nka­mani auch einfach nur falsch ausgedrückt? Deutsch ist nicht seine Muttersprache. Freunde sind Preuss und Nkamani nicht geworden. "Paul ist eher wie ein Cousin, jemand, den man sich nicht so ganz ausgesucht hat, der aber dazugehört", sagt Preuss.

Ein Recht auf Migration
"Was Paul sagt, ärgert mich immer wieder. Aber das bedeutet nicht, dass ich aufhöre zu helfen." Preuss spricht von einem Grundrecht auf Migration, einer Idee, die bereits 1869 in den USA von dem ehemaligen Sklaven und ­Aktivisten Frederick Douglass geäußert wurde und dem Film als Zitat vorangestellt ist. Auch wenn diese Idee immer häufiger geäußert wird, so ist sie doch bisher nur eine Idee. In den nächsten Wochen wird das Einspruchs­verfahren beendet sein.
Nkamani schafft es nicht, für unser Foto zu lächeln.