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Der Name der Rose: So waren die Dreharbeiten zur neuen Sky-Serie

John Turturro und Damian Hardung
Eine Szene aus "Der Name der Rose". Foto: Sender

23 Jahre nach dem Film wird aus Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" eine Serie für Sky. TV SPIELFILM war beim Dreh dabei.

Auf ein wenig Schnee ­hatten alle gehofft, vielleicht sogar Gebete in den Himmel geschickt. "Der Name der Rose"-Regisseur Giacomo Battiato und seine Crew stehen im Februar 2018 auf einem Platz in Roms Studiokomplex Cinecittà. Sie sollen die Pappkulissen in ein mittel­alterliches Kloster verwandeln, genauer: in das Kloster in der rauen Bergwelt des Apennin, in dem im November 1327 die Geschichte von "Der Name der Rose" beginnt. 26,5 Millionen Euro haben die Produzenten, darunter die Tele München Gruppe, für acht Folgen lockergemacht. Jetzt muss Battiato liefern.

Schnee-Katastrophe in Rom verzögert den Dreh

Doch das Wetter macht ihm ­einen Strich durch die Rechnung. Statt einiger Flocken, die sich dekorativ von den dunklen Kutten der Mönche abheben, fällt die weiße Pracht tonnenweise auf die Stadt. Der Verkehr bricht zusammen, Flüge werden gestrichen, Busse und Bahnen fahren nicht mehr. Es ist so kalt, dass Hauptdarsteller John Turturro nicht mehr draußen drehen kann, weil ihm die nackten Zehen in seinen Mönchssandalen zu erfrieren drohen. Dabei fiel die Entscheidung, rund sechzig Prozent der Serie im Studio zu ­filmen und den Rest in Umbrien und den ­Abruzzen, auch deshalb, um kontrollierter und schneller drehen zu können. "Wir waren plötzlich nur noch die Hälfte des Teams, die anderen haben sich nicht he­rausgetraut oder haben es nicht geschafft", erinnert sich Damian Hardung. Die Dreharbeiten dauerten zwei Wochen länger als geplant. Nicht nur, aber auch wegen des Wetters.

Hardung, bekannt aus der Vox- Serie "Club der roten Bänder", bildet zusammen mit Turturro das Ermittlerduo in Kuttenkluft, das geheimnisvolle Todesfälle in der entlegenen Abtei aufklären soll. Gedreht wurde auf Englisch. Für den Zwanzigjährigen kein Problem, hat er doch ein Jahr in den USA gelebt. Vor seinem erfah­renen Kollegen, der demnächst mit Oscar-Preisträ­gerin Julianne Moore in "Gloria Bell" im Kino zu sehen ist, hatte Hardung großen Respekt: "Ich war neunzehn, als der Dreh anfing. Da ging es erst einmal darum, die Klappe zu halten und zu lernen." Allmählich wurde der Novize, der sich in einer Benediktinerabtei in Süddeutschland auf die Rolle vorbereitet hatte, mutiger und machte eigene Vorschläge.

Der Regisseur kennt anders als die beiden Hauptdarsteller den Kinofilm von 1986, in dem Sean Connery und Christian Slater die Rollen spielen, die John Turturro und Damian Hardung in der Serie übernehmen. Battiato schätzt das Werk von Jean-Jacques Annaud, sagt aber auch, dass es eigentlich unmöglich sei, Umberto Ecos Roman von 1980 in zwei Stunden angemessen zu verfilmen. "Das Buch ist nicht nur ein Roman. Es ist ein Labyrinth, so wie die Bibliothek, die in dem Buch beschrieben wird. Geschichte und Politik, Religion und Philosophie, Eros und Gewalt, Ironie und Wahnsinn – all das kommt in dem Buch vor." Und dank der Serie mit ihren acht ­Folgen jetzt auch im Fernsehen.

Setdesigner Francesco Frigeri teilt die Begeisterung des Regisseurs für Umberto Eco. Kein Wunder, hat er doch als Student Vorlesungen des Professors für Semiotik besucht. Frigeris Büro in Cinecittà ist übersät mit No­tizen. An den Wänden hängen Zeichnungen. Immer wieder taucht das Motiv der Bibliothek auf. Klar ist: Der verwinkelte Irrgarten, in dem sich jeder verläuft, hat nichts mit realen Gebäuden des Mittelalters zu tun. Er er­innert eher an "Die Bibliothek von Babel", die der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges in seiner gleichnamigen Erzählung von 1941 schildert: eine fantastische Bibliothek aus sechseckigen Galerien, die keinen Anfang und kein Ende hat. Der Setdesigner hat sich bei der Gestaltung seiner Bibliothek an diesem Modell orientiert. Stolz erzählt er, dass die Regielegende Bernardo Bertolucci (1941–2018), ein alter Freund, ­seine Überlegungen zum Aufbau des Labyrinths überzeugender fand als die Variante, die im Film von 1986 gewählt wurde.

Eine Fake-Bibliothek ohne echte Bücher

Die Bibliothek, die auf dem ­Gelände von Cinecittà steht, ist verblüffend klein. In den Regalen stehen keine Bücher, sondern ­Attrappen, wie man sie aus Möbelhäusern kennt, allerdings im Mittelalter-Look. In Plastik ein­geschweißt liegen Pakete mit den Fake-Büchern auf dem Boden, immer in der gleichen Kombination und Größe. Auch dies hat wenig mit der Realität echter Klosterbibliotheken zu tun, entspricht aber vermutlich dem Geist des Eco'schen Romans, der vom postmodernen Gedanken einer unendlichen Kombinierbarkeit von Texten inspiriert zu sein scheint.

Immerhin war ein echtes Buch stets am Set: Ecos Roman. "Das Buch war vor und während des Drehs meine Bibel", sagt Damian Hardung. "John Turturro und ich sind immer wieder den Text durchgegangen auf der Suche nach Stellen, die für die Serie wichtig sein könnten."

Man spürt beim Gespräch, dass "Der Name der Rose" für Hardung weitaus mehr als bloß die Romanvorlage für eine Serienverfilmung war. Obwohl es in Buch und Serie um theologische Diskussionen zwischen Papst und Franziskanern im fernen 14. Jahrhundert geht, liegen den religiösen Debatten Werturteile zugrunde, mit denen wir uns auch heute noch auseinandersetzen müssen. So stellt sich beispielsweise die Frage, in welchem Maße irdische Güter zu unserem Glück beitragen, neu im Zeichen der ökologischen Krise der Gegenwart.

"Es ist eine Fortsetzung des ­damaligen Streits zwischen Benediktinern und Franziskanern, zwischen der Idee von Ora et labora, bei der das Religiöse in die Arbeit aufgenommen wurde, einerseits und der Abkehr von der Welt und dem Armutsgelübde andererseits", erläutert Hardung. "Ich kann beiden Gedanken etwas abgewinnen." Ganz ähnlich sieht das der Regisseur. Er betont, dass die Themen von Ecos Geschichte universell seien und ­keinerlei ­Patina angesetzt hätten. Gleich zu Beginn legt er William von Baskerville, dessen Figur Züge des Philosophen William von Ockham (um 1285–1347) trägt, die Worte in den Mund: "Die Welt ist wie ein großes Buch. Wir müssen lernen, es korrekt zu lesen. Es gibt nur einen Weg, Ignoranz und Dummheit zu bekämpfen: Studiere die Geheimnisse der Natur und nutze dein Wissen, um die Menschheit zu verbessern." Allerdings ist William von Baskerville keine Figur des Mittelalters, ­sondern eine Kopfgeburt von Umberto Eco. Ein Mönch mit den Eigenschaften von Sherlock Holmes und Ansichten, die das Zeitalter der Aufklärung vorwegnehmen – wenn ein solch scharfsinniger und kriminalistisch begabter Diener des Herrn wirklich ­gelebt hätte, dann hätten dies ­sicherlich schon die Zeitgenossen bemerkt und notiert.

Nicht minder wichtig als Ockham ist für die Serie Aristoteles. Er ist 1327 zwar schon mehr als 1500 Jahre tot, aber seine Gedanken irrlichtern durch die Köpfe der Mönche. Ein von dem Philosophen geschriebenes Buch ist in der Serie das obskure Objekt der Begierde, das die Handlung vorantreibt und, wie William von Baskerville irgendwann messerscharf schließt, von zentraler Bedeutung ist für die unerklärlichen Todesfälle in der Abtei.

Beim Gang durch die in Cinecittà nachgebaute Bibliothek schweift der Blick über die aus­liegenden Bücher. Hat sich vielleicht ein Ausstatter einen Scherz erlaubt und ein Manuskript mit dem zweiten Buch der Poetik des Aristoteles irgendwo abgelegt? Leider nein. Es wäre das einzige Exemplar auf der Welt, denn Aristoteles hat das Buch zwar an­gekündigt, aber es ist uns nicht überliefert. Wir wissen nur, dass es von der Komödie handeln ­sollte. Und Lachen, das ist laut Eco für Strenggläubige eine Sache Satans. Hätte die Verbreitung dieses Buchs die christliche Welt wirklich so erschüttert, wie der Autor es suggeriert? "Wenn wir über etwas lachen, dann haben wir davor keine Angst", sagt Battiato. "Und keine Angst zu haben erschüttert die Fundamente aller Arten von Fundamentalismus. Vergessen wir nicht, dass sich der erste Terrorangriff des IS in Paris gegen eine Zeitung richtete, die sich über vieles lustig machte: ,Charlie Hebdo‘."
Das Interview mit John Turturro zu "Der Name der Rose"
Für John Turturro ist "Der ­Name der Rose" keine Serie wie jede andere. Der 62-Jäh­rige stand nicht nur vor der Kamera, er hat auch am Drehbuch mitgeschrieben und war ­einer der Produzenten.

Damian Hardung hat erzählt, wie stolz er darauf war, Ihr Partner zu sein. Wie war das für Sie, mit einem so jungen Schauspieler zu drehen?
John Turturro: Es war für mich eine große Freude. Damian ist ein unglaublich guter Schauspieler, ein sehr intelligenter junger Mann, und er arbeitet hart und diszipliniert. Sein Englisch ist exzellent. Er hat das Buch von Umberto Eco sorgfältig studiert, und wir haben viel Zeit zusammen verbracht. Ich habe an dem Drehbuch mitgeschrieben, und Damian hat viele Vorschläge gemacht. Eine Sache, die ich an Damian schätze, ist, dass er nicht beleidigt reagiert, wenn man ihn kritisiert. Er ist offen für Ratschläge. Wir hätten keinen besseren Schauspieler für Adson finden können.

Sie haben den Kinofilm von 1986 mit Sean Connery nicht gesehen. Warum nicht?
Ich habe den Film nicht gesehen, als er herauskam, und ich glaube, es wäre nicht sehr hilfreich gewesen, wenn ich ihn jetzt gesehen hätte. Es handelt sich um die zweieinhalbstündige Version eines Buchs mit 530 Seiten, da muss einfach vieles fehlen. Ich liebe Sean Connery, aber als ich anfing, das Buch zu ­lesen, wurde mir klar, wie besonders die Figuren von Eco sind. Ich wollte eine geistige Begegnung mit Eco haben und keinen Sean Connery, der mir nicht aus dem Kopf geht und mich ständig ablenkt.

William von Baskerville ist ein bemerkenswerter Charakter. Was zeichnet ihn aus Ihrer Sicht aus?
William ist ein großer Ermittler, aber er ist auch ein Mann der Wissenschaft und des Glaubens, ein Philosoph und ein Mensch der Tat. Er ist ­voller Widersprüche. Er hat als Inquisitor gearbeitet, aber auf Folter verzichtet. Er ist ein Mann, der den Wert und die Menschlichkeit von Frauen ­erkannt hat in einer Zeit, in der Frauen gefürchtet und dämonisiert wurden. In diesem Sinne sind seine Ansichten sehr modern. Er glaubt auch, dass Wissen ein Schild ist, der uns vor Macht, Absolutismus und Fanatismus schützt.

Gab es beim Dreh eine Szene, die in Ihrer Erinnerung heraussticht?
Die Szenen mit William und Adson im Labyrinth fand ich besonders spannend. Unsere beide Gehirne arbeiten zusammen, und obwohl wir die Lösung aus dem Drehbuch kennen, müssen wir doch so spielen, als würden wir sie erst herausfinden, mit der Freude an der Entdeckung als Höhepunkt.

Was macht eine Geschichte, die voller theologischer Diskussionen des Mittelalters ist, relevant für uns im Jahr 2019?
Leider ist die Geschichte heute sehr relevant. Der Klima­wandel ist da, und Franz von Assisi wäre heute wahrscheinlich ein Klimaaktivist. William von Baskerville kämpft gegen Ignoranz und absolute Herrschaft. Und wir leben in einer Welt, in der Menschen andere unterdrücken oder Ideen ­verfälschen. Diktatoren töten immer zuerst die Intellek­tuellen, weil sie unbequeme Fragen stellen
Der Roman und der Kinofilm
Umberto Ecos 1980 ver­öffentlichter Roman "Der Name der Rose" ist ein ­ungewöhnlicher Bestseller. Der Wälzer des Semiotik-­Professors aus Bologna ist gespickt mit Anspielungen auf theologische Diskus­sionen im Mittelalter, die nur Experten verstehen. Trotzdem hat er eine Weltauflage von 50 Millionen. Der Kinofilm, sechs Jahre später von Bernd Eichinger (1949–2011) produziert, mit Sean Connery und Christian Slater in den Hauptrollen (Foto), konzentrierte sich auf den Kriminalfall und war leichter konsumierbar als das Buch. Mit 5,9 Millionen Zuschauern gehörte der Mittelalter-­Thriller zu den erfolgreichsten europäischen ­Filmen der Achtziger.