Im 15. Stock der Frankfurter "Taunusanlage 11" residiert ­eigentlich eine Anwaltskanzlei. Auf der Website fragt sie: "Ist Ihre Firma fit für den Brexit?" Vom Konferenzraum mit dem endlos langen Tisch überblickt man das Frankfurter Bankenviertel. Imposant. Allerdings sind viele Hochhäuser in der Nachbarschaft noch viel höher... Macht, Reichtum, Fallhöhe, Konkurrenzkampf - alle Elemente, die man von einem Finanzthriller erwartet, sind hier schon zu sehen.

Fehlt nur noch Gier. Christian Schwochow ("Der Turm", "NSU - Heute ist nicht alle Tage"), der hier im Januar 2017 seine Serie "Bad Banks" dreht, fallen aber zuerst ganz andere Merkmale ein, wenn er über Banker spricht. "Ich habe mich mit 17-, 18-, 19-Jährigen unterhalten, die angehende Investmentbanker sind. Die lesen schon mit zwölf den Wirtschaftsteil der "FAZ" und überlegen dann nachts, wie man Griechenland retten kann. Die begreifen die Zusammenhänge von Politik und Wirtschaft als eigene Aufgabe. Und das macht erst mal Mut."

Bad Banks im Podcast

Aus der Sicht der Bänker: Die Grundversorger

"Bad Banks" will Klischees vermeiden. Weil sie Schwochow in seinen Recherchen nicht bestätigt fand. Schwierige Recherchen. Alle offiziellen Versuche, in das Innere einer Investmentbank zu gelangen, wurden abgelehnt. Gleichzeitig sei das Interesse vieler Banker aber groß gewesen, ihre Arbeit und ihr Selbstverständnis einmal fair dargestellt zu sehen. Von ­ihnen wurde der Regisseur in Frankfurt, London und Luxemburg heimlich in die extrem ge­sicherten "Trading Floors" eingeschleust, wo gewaltige Geldmengen mit einem einzigen Anruf verschoben werden. Sein Resümee: "Die sehen sich selbst als Grundversorger. Die Banker sind nicht anders, nicht schlimmer als jeder globale Großkonzern, der auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist. Und wir alle unterstützen natürlich diese Art von System."

In sechs einstündigen Folgen erzählt "Bad Banks" von der jungen Struktu­riererin Jana, deren Aufgabe es ist, sich immer neue Finanzprodukte auszudenken. Sie lernt schnell, dass die geforderte Leistung nur mit Selbstaufgabe und schmutzigen Tricks zu erreichen ist. "Sobald die jungen Banker in das System kommen, geht es nicht mehr um Moral, sondern darum, was noch legal ist", sagt Schwochow. "Der Markt ist gottgegeben und wird nicht hinterfragt."

Es gibt Manipulation in "Bad Banks", es gibt Ellenbogen, es gibt Arbeit bis zum Umfallen, aber es gibt keinen Glamour, keine gelhaarigen Gordon Gekkos. Drehbuchautor Oliver Kienle versucht nicht, Finanzprodukte zu erklären, die selbst Experten kaum verstehen. Es geht darum, Menschen zu lesen - und um simple Bilanzfälschung: Die Bank kauft durch eine Strohfirma ihre eigenen Schrottprodukte, um auf dem Papier gut dazustehen. Kann man leicht verstehen.

Auf der anderen Seite mutet die Serie dem Zuschauer auch mal Irritationen zu, die nicht ­augenblicklich aufgelöst werden. Warum arbeitet der Banker im Anzug in einer Suppenküche für Arme? Wohltätigkeit oder Sozialstunden? Wie kommt auf einmal die Blessur ins Gesicht von Verkäufer Adam? Erstaunlich, wie spannend und sinnlich man so ein sprödes Setting wie Bank erzählen kann.

Finanzwelten wie Religionen, Gebäude wie Kirchen

Ortswechsel bei den Dreharbeiten. Auf zum "Main Triangel", einem anderen Hochhaus, einige Straßen weiter. Das Gebäude der Filmbank "Deutsche Global Invest" ist genauso Fiktion wie der Name der Bank. Es setzt sich zusammen aus diversen Hochhäusern in Hamburg, Berlin, Luxemburg. Was nicht weiter auffällt, denn die Architektur ist völlig austauschbar. Geldhäuser werden weltweit ausschließlich aus Glas und Metall gebaut. Auch der an der Fassade angebrachte Fahrstuhl, mit dem wir nach oben fahren, ist vollständig aus Glas. Das Gefühl der Macht, der Draufsicht auf die Welt ist ebenso allgegenwärtig wie das, stürzen und sehr tief fallen zu können.

"Diese Gebäude strahlen Macht aus, wie Kirchen. Jeder, der hier dazugehört, wird aufgewertet, wie durch eine Uniform", sagt Barry Atsma. "Wenn man allerdings in so einem Gebäude unglücklich ist, macht es dich noch unglücklicher."

Atsma spielt Gabriel Fenger, den Investmentchef, für Schwo­chow eine Figur "wie Fußball­trainer Pep Guardiola, der für drei Jahre in Manchester ist, dann in München, dann in Spanien. Der kommt nie irgendwo an." Folgerichtig wohnt Fenger auch - was von den Kollegen niemand wissen soll - auf einer leeren Etage des Bankgebäudes. Ein paar Luxusmöbel zwischen Kartons und alten Kopierern. Ein provisorisches, leeres Dasein.

Weiche deutsche Männer sind in "Bad Banks" nicht erwünscht

Atsma schreitet dynamisch durch den Raum, bringt sich in Fahrt für den nächsten Take. Nach einem wie ihm hat Schwochow lange gesucht. Und in Deutschland nicht gefunden. Atsma ist Niederländer und deutschen Zuschauern allenfalls aus dem Charlotte-Link-Krimi "Die letzte Spur" bekannt, der im Februar lief.

"Es gibt bei uns ein großes Problem, wenn man Politiker und Manager besetzen will. Denn dieser Typus Mann, dieses Alphatier, wird an den Schulen nicht aus­gebildet." Auch nach einer Schauspielerin, die schon in jugend­lichem Alter so viel Intelligenz ausstrahlt wie die Figur Jana, habe er lange suchen müssen. Shootingstar Paula Beer ("Frantz") ist die perfekte Besetzung. Ebenso wie Désirée Nosbusch als hinterhäl­tige Bankchefin, die sich damit quasi neu erfindet.

Arbeiten bis zum Umfallen, Wohnen in der Abstellkammer und keine Zeit, die erwirtschaf­teten Fabelgehälter auszugeben - man fragt sich, warum machen die Banker das? "Adrenalin!", ruft Barry Atsma. "Ich habe mit verschiedenen Bankern gesprochen. Die haben alle dieselbe ­Energie. Die sind abhängig davon. Das ist wie eine Droge."

Schwochow fügt hinzu: "Sie alle eint eine Liebe für den Wettbewerb. Viele ehemalige Sportler gehen ins Investmentbanking. Viele verausgaben sich kompetitiv."

Nur eine Kündigung lässt die Figuren aus diesem zerstörerischen Kreislauf ausbrechen und zur Besinnung kommen. Beim nächsten Jobangebot ist der Vorsatz, ein besseres Leben zu führen, allerdings wieder vergessen. Das Heroin dieser Junkies wird eben auf dem Trading Floor gedealt.

Dass die permanente Adrenalininfusion mit großer Aggres­sion einhergeht, ist sofort nachvollziehbar, wurde aber bisher noch nicht so erzählt. Die Frustrationstoleranz der Protagonisten ist niedrig. Wenn es in der knapp bemessenen Freizeit nicht den verdienten Spaß gibt, das Sexdate nicht zustande kommt, wird es sehr schnell sehr brutal. Die Gewaltausbrüche sind innerhalb der Handlung logisch, aber auch sehr explizit und wohl einer der Gründe, warum die Serie erst ab 21.45 Uhr läuft. Und dann um 22.00 Uhr und dann um 22.15 Uhr.

Kritik am Sendeschema: Zum Glück gibt es die Mediathek

Das Sendeschema mit Doppelfolgen zu drei je unterschiedlichen Startzeiten macht es dem ­Zuschauer nicht leicht. Arte zerlegt das Werk am 1. und 2. März in einen Vier- und einen Zweistundenblock. Es steht aber ab 22. Februar auch in Gänze in der Mediathek.

Die letzte Finanzkrise hat die Complianceabteilungen der Banken anschwellen lassen, neue Kontrollmechanismen sollen weitere Krisen verhindern. Mal sehen, ob das reicht. Eine Eigentumswohnung mit Skylinepanorama ist immer noch begehrtes Statussymbol, aber Schwochow hat auch Hoffnung auf ein Umdenken. "Die Work-Life-Balance spielt auch in der Bankenwelt eine immer größere Rolle. Die wollen jetzt auch mal am Wochenende freihaben."