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Netflix-Film "Kidnapping Stella": Jella Haase und Co. sprechen über verpassten Kinostart

Netflix-Film Kidnapping Stella Jella Haase
Netflix-Film "Kidnapping Stella": Jella Haase muss die Suppe auslöffeln Sender/Montage

Es ist der erste Film made in Germany von Netflix. Wir trafen die "Kidnapping Stella"-Stars Jella Haase, Clemens Schick und Max von der Groeben und sprachen mit ihnen über das Remake, das Potential eines weltweiten Streamingstarts und das Erwachsenwerden.

Ursprünglich sollte "Kidnapping Stella" im Mai im Kino starten. Als der Film plötzlich aus den Ankündigungen verschwand, herrschte Verwirrung.

Die Auflösung folgte einige Wochen später. Netflix hatte sich die Rechte an dem kammerspiel-artigen Werk, ein Remake des britischen Thrillers "Spurlos – Die Entführung der Alice Creed" (lief im April im Ersten), gesichert und bringt ihn jetzt (12. Juli) als erste deutsche Film-Eigenproduktion heraus. Eine Entwicklung, die dem Regisseur Thomas Sieben offenbar überhaupt nicht schmerzt. Im Gegenteil: Im Gespräch mit Spiegelonline gibt der Macher zu, dass sein Genrefilm bei Netflix sehr gut aufgehoben sei, vor allem da aktuelle Kinostarts in Deutschland mit schwindenden Zuschauerzahlen zu kämpfen hätten.

"Das Spannende an Netflix ist, dass die sich für Storytelling auf höchstem Niveau interessieren, für Geschichten ohne Kompromisse. Wie bei "Roma" um ein prominentes Beispiel zu nennen.", so Sieben. Konkret meint der Regisseur damit: Es mischen sich wenige Leute in die kreative Arbeit ein. "Kein riesiger Apparat aus Redaktionen, Verleih und Marketing" würde ins Drehbuch hineinreden, deshalb sei der Start von "Kidnapping Stella" in 190 Ländern via Netflix ein großer Gewinn. Auch die drei Stars zeigen sich begeistert: Max von der Groeben, Clemens Schick und Jella Haase, die als entführte Millionärstochter in den Händen der Kidnapper nicht das Opfer sein will, sprechen mit TV SPIELFILM über das ungewöhnliche Remake-Projekt.

Jella Haase, Clemens Schick und Max von der Groeben auf Netflix

Trailer zu "Kidnapping Stella" Trailer

Sie drei wirken sehr vertraut. War das vom ersten Tag an so?

Jella Haase: Mir geht es so, dass ich vor jedem Projekt aufgeregt und neugierig bin. In diesem Fall hatte ich das Glück, beide schon zu kennen, wodurch ich mehr Sicherheit hatte. Aber es gibt auch Projekte, wo man bei null anfängt. Das gehört dazu.

Clemens Schick: Das ist immer so. Die Menschen, mit denen man zu tun hat, entscheiden über unsere Lebensqualität. Das fängt an bei den Kollegen und Kollegin­nen, geht über die Garderobiere, die morgens die Sachen hinlegt, bis zu der Produktion, die einem das Leben organisiert. Da gibt es nie eine Garantie, dass es gut wird, es ist immer ein Prozess.

"Kidnapping Stella" ist ein Kammerspiel. Wie hält man die beklemmende Stimmung aufrecht, wenn die Crew um einen herumwuselt?

Haase: Allein wie die Wohnung aussieht, mit dem Bett in der Mitte als Zentrum: Die ist beklemmend. Und weil es so klein und eng war, haben wir mit ganz wenig Leuten im Set gedreht. In meiner Erinnerung ging es immer nur um uns drei. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich viel aufs Team geachtet habe.

Schick: Was ja auch Teil unseres Berufs ist: sein Team zu vergessen. Sich nur darauf zu konzen­trieren, was Teil der Szene ist.

Die Entführer tragen Masken, Stella hat einen Sack über dem Kopf. Dadurch können Sie ja die Mimik nicht einsetzen. Wie geht man als Schauspieler damit um?

Max von der Groeben: Das Schöne an den Masken ist, dass man sie auch nutzen kann. Ich weiß ja, dass man dadurch nur meine Augen sieht und sich die Stimme verzerrt. Dieses Wissen öffnet wieder eine neue Tür.

Schick: Aber wir haben lange darüber diskutiert. Es nimmt ja Ausdrucksmöglichkeiten, weil es sehr starr wirkt. Aber das ist wiederum ein tolles Mittel für Stellas Perspektive, weil sie auf etwas Gleichgeschaltetes schaut.

Jella, Sie sind dazu gefesselt. Fühlt man sich da eingeschränkt?

Haase: Nein, das unterstützt total die Szene. Das war das Schöne an dieser Arbeit. Wir tun nicht so, als würde was angewendet, sondern machen es wirklich. Von diesem Realismus lebt der Film.

Auch die Verletzung von Stellas Intimsphäre wirkt real. Wie wurde sichergestellt, dass Sie sich dabei sicher fühlen können?

Haase: Ich habe mit Max und Clemens einfach zwei großartige Spielpartner. Ich weiß, dass ich ihnen hundertprozentig vertrauen und mich fallen lassen kann. Ich glaube, das ist essenziell, und davon lebt auch der Film. Dass wir keine Angst hatten, uns auszuliefern.

Schick: Das ist eine Szene, in der jemand in eine Bettpfanne pinkelt. Grundgütiger. Aber in einer anderen Szene liefert sich Jella seelisch völlig aus. Wir gucken in dem Film in andere Abgründe, als dass jemand pinkeln muss.

Streaming-Starts ermöglichen weltweite Aufmerksamkeit

Foto: Netflix, Clemens Schick legt sich für "Kidnapping Stella" auf die Lauer

Jella, Sie haben vor drei Jahren mal gesagt, Sie fühlen sich nicht erwachsen. Ist das jetzt anders?

Haase: Nein, ich glaube nicht. Ich bin sicher reifer geworden und in manchem Bereich sehr erwach­­sen. Aber für mich ist man erwachsen, wenn man um die vierzig ist.

Ich finde das spannend. Ich bin 42 Jahre und habe auch nicht das Gefühl, erwachsen zu sein. Clemens, würden Sie sagen, Sie sind erwachsen?

Schick: Wenn erwachsen dafür steht, dass man nicht mehr sucht, bin ich nicht erwachsen. Weil ich bis zum letzten Atemzug nach Antworten und Abenteuern suche. Aber wenn es darum geht, ob ich Erfahrungen sammele und einen anderen Blick auf die Dinge bekomme, würde ich schon sagen, dass ich erwachsener werde.

Haase: Ich liebe Clemens' Blick auf die Dinge. Deshalb stelle ich ihm auch sehr gern Fragen.

Schick Das ist auch das Tolle an unserem Beruf. Ich bin älter und habe viel länger gearbeitet als die beiden. Und dennoch sitzt man neugierig voreinander und fragt, was die Motivation ist, diesen Weg zu gehen.

Wie sind Sie eigentlich zur Schauspielerei gekommen?

Von der Groeben: Ich habe angefangen, das neben der Schule zu machen. Und dann träumt man natürlich irgendwann davon, Schauspielstar zu werden. Nach dem Abitur habe ich mich intensiver damit auseinandergesetzt und entschieden, mich an den Schauspielschulen zu bewerben und das voll durchzuziehen, wenn ich genommen werde.

Schick: Ich wollte mit zwölf ­Jahren zum Zirkus, und jetzt sitze ich hier mit Max und Jella.

Haase: Auch eine Art Zirkus.

Schick: Stimmt. Mein Traum ist wahr geworden. (lacht)

Gab es einen Plan B, falls es mit Schauspielerei nicht klappt?

Haase: Ich finde, es gibt so viele interessante Studiengänge. Ich hatte keinen Plan B, das Leben ist der Plan B.

Schick: Klappen ist ja auch eine Definitionsfrage. Was heißt das? Ich komme vom Theater. Da bekommt man das erste Engagement, und dann kämpft man. Dann kommt eine Durststrecke, dann kämpft man weiter. Dann kommt ein Erfolgserlebnis, dann kommt wieder eine Durststrecke. Dann fängt man an, Filme zu machen. Das ist ein ganz lebendiger Prozess, bei dem man sehr viel Durchhaltevermögen braucht.

Ist Theater und Film eigentlich für Schauspieler gleich? Oder ist das eine ganz andere Disziplin wie hundert Meter und Marathon?

Schick: In beiden Fällen, und das ist auch mein Antrieb, erzählt man eine Geschichte. Das ist das, was mir Spaß macht. Aber natürlich ist die Arbeitsweise anders. Am Theater entwickelt man ein Stück und hat dann teilweise ­jahrelang Vorstellungen, die man immer wieder verändert. Ich habe einen Soloabend, den ich seit acht Jahren spiele. Drehen ist ein anderer Prozess. Die Kamera kommt mir so nah, wie kein Theaterzuschauer je kommen kann. Das ist ein totaler Luxus. So kann man auf eine Art und Weise reduziert spielen, was im Theater nicht geht, weil keiner mehr was sieht.

Der Film startet weltweit gleichzeitig bei Netflix. Hoffen Sie, dass sich so auch Angebote aus dem Ausland ergeben?

Haase: Ich glaube, alle Sachen, die neu sind, sollte man sich grundsätzlich offenhalten. Ich find's total cool: Ich habe Freunde in Australien, die oft fragen, wo sie mich sehen können. Und dann kann man sie darauf verweisen. Das ist toll.

Von der Groeben: Ich denke auch, dass die Filmwelt immer mehr zusammenwächst. Auch US-Produktionen kommen nach Europa und besetzen europäische Schauspieler. Bestes Beispiel ist "Game of Thrones".

Schick: Für mich passt das total zu meinem Lebensgefühl. Ich arbeite seit Jahren im Ausland, ich habe in Amerika, in Frankreich und in Brasilien gedreht. So empfinde ich auch mein Leben. Ich ­sehe die Welt als eins und finde, dass diese Geschichte überall gezeigt werden kann.