Wenn es im deutschen Kino um das Leben von Nichtdeutschen hierzulande geht, dann gibt es meistens zwei Möglichkeiten. Klamauk und Augenzwinkern, wie bei "Türkisch für Anfänger" oder dem nun auch schon ein Jahrzehnt zurückliegenden "Almanya - Willkommen in Deutschland" - oder harte Straßengewalt und dramatische Probleme wie in "Gegen die Wand".
Für sechs Oscars nominiert
Ruhiger Einwanderer-Alltag oder die Suche nach einer neuen Identität nach der Ankunft sind kaum zu sehen. Aus den USA kommt nun mit "Minari - Wo wir Wurzeln schlagen" ein Film in die deutschen Kinos, der besonders in der südkoreanischen Community in den Vereinigten Staaten große Begeisterung ausgelöst hat und für sechs Oscars nominiert war.
Autor und Regisseur ist der 42-jährige Lee Isaac Chung, der sein melancholisches Familiendrama lose auf den eigenen Erfahrungen seiner Kindheit basieren lässt. Er erzählt von der vierköpfigen südkoreanischen Familie Yi, die in den 1980er Jahren aus Los Angeles auf eine Farm in Arkansas zieht. Vater Jacob hofft dort auf Erfolg als Landwirt, doch seine Frau Monica und die Kinder Anne und David haben Probleme, sich an die ländlichen USA zu gewöhnen. Schließlich zieht die leicht exzentrische Großmutter Soon-ja aus Korea ein und versucht, neuen Zusammenhalt in der Familie zu stiften.
Trockener Humor
Chung schafft zusammen mit Kameramann Lachlan Milne nicht nur ausgeruht-elegische Bilder, sondern hat für diese Figuren auch ein gleichberechtigtes Ensemble gefunden: Steven Yeun ("The Walking Dead") hat bereits im Drama "Burning" als moderner Gatsby einen vielschichtigen Kommentar zu seinem Land geliefert und beweist hier nun als Vater, warum er zu den aufregendsten asiatisch-amerikanischen Schauspielern seiner Generation zählt. Han Ye-ri verleiht der Ehefrau eine Mischung aus Würde, Resignation und Wut, während Alan Kim und Noel Cho als Kinder natürlich, charmant und nie überkandidelt spielen.
Yuh-Jung Youn als Großmutter wiederum hat zu Recht den Oscar als beste Nebendarstellerin gewonnen und bei den Preisverleihungen mit zur Figur passendem, trockenem Humor die Herzen Hollywoods erobert. Sie alle schaffen es, die Zuschauer für sich zu gewinnen und gleichzeitig weit genug auf Distanz zu halten, um nicht in erbaulichen Einwanderer-Kitsch abzugleiten.
"Minari" wächst und gedeiht
Die Gefahr besteht, weil der Plot des Dramas eigentlich altbekannt ist. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich aber nicht nur bei der gar nicht mal so matriarchalen Oma tiefere Schichten, sondern auch im subtil von Klassenunterschieden geprägten Verhältnis der Eheleute. Auch die Landwirtschaft, in der die Yis etwas anbauen, was sie erst später ernten können, ist als Symbol für Einwanderung nicht zu sehr überstrapaziert. Dafür sind ihr Leben und ihre Arbeit in einer Hühnerfabrik mit stets klammen Finanzen auch zu nüchtern dargestellt.
Am Rand ihrer eigenen Farm bauen die Yis "Minari" an, eine koreanische Petersilie, die erst langsam und schließlich immer besser gedeiht - und genau davon handelt dieser Film letztlich: Wie bewahrt man die eigene Geschichte an einem vollkommen fremden Ort? In diesem Fall gelingt ein solch sensibles Nachdenken zu dieser Frage, wie es dem deutschen Film auch einmal zu wünschen wäre.
Minari - Wo wir Wurzeln schlagen, USA 2020, 116 Minuten, FSK 6, von Lee Isaac Chung, mit Steven Yeun, Han Ye-ri, Yuh-Jung Youn