In einer Studienreihe zu Angst und Albträumen vom Fernsehen führte das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) qualitative und quantitative Studien in Deutschland und 16 weiteren Ländern durch. Die Ergebnisse zeigen: Kinder erleben beim Fernsehen Ängste, die sie zum Teil Jahrzehnte später noch nicht verarbeitet haben. In Deutschland hatten sechs von zehn Acht- und Neunjährigen Angst beim Fernsehen, ein Drittel hatte Albträume, insbesondere von Sendungen, die nicht für ihr Alter freigegeben sind.
Es ist in Medienpädagogik und Forschung durchaus bekannt, dass Kinder Ängste und Albträume vom Fernsehen bekommen können. Was genau die Angst- und Albtraumauslöser beim Fernsehen sind, war bisher nur in Ansätzen erforscht. Das IZI ging dieser Frage, in Kooperation mit Partnern weltweit, in einer Studienreihe nach.

Ängste und Albträume vom Fernsehen finden sich vermehrt in der Kindheit mit einem Höhepunkt bei den 8-und 9-Jährigen

Studie 1: Bei der Befragung von 1.458 repräsentativ ausgewählten Kindern und Jugendlichen in Deutschland (6 bis 19 Jahre) wurde deutlich: Es sind vor allem die Kinder, die Angst beim Fernsehen erleben. 6 von 10 Acht- und Neunjährigen hatten Angsterlebnisse beim Fernsehen, jedes dritte Kind dieser Altersgruppe hatte Albträume vom Fernsehen.

Schon bei Preteens gehen Albträume auf jeden Fünften zurück und Jugendliche geben nur noch sehr selten an, Angst und Albträume vom Fernsehen bekommen zu haben. Eine positive Meldung zeigt der internationale Vergleich: Im Vergleich zu den 4.184 Sechs- bis Fünfzehnjährigen Kindern und Jugendlichen aus 16 weiteren Ländern1 der IZI-Studie, haben Kinder in Deutschland am seltensten Angst und Albträume vom Fernsehen.

Was macht Angst?

In Studie 2 ("Fear and Thrill from TV") erinnern sich fast alle der 631 Studierenden aus acht Ländern an Angsterlebnisse, die sie in ihrer Kindheit beim Fernsehen erfahren haben. Sie malten und erzählten, was sie gesehen hatten und wie sie mit dem Angsterlebnis umgegangen sind.
Anschließend wurden die Szenen im Originalfilm identifiziert und analysiert, um herauszufinden, was besonders angsterregende Momente sind.

Besonders häufig sind es bedrohliche Wesen, deren Aussehen oft schon reicht (wie z. B. die grüne Hautfarbe der Hexe aus Der Zauberer von OZ oder der einäugige Babykopf auf Metall-Spinnenbeinenaus Toy Story), um die Alarmsysteme des Körpers zu aktivieren. Symbolisieren Teile ihres Körpers eine besonders zerstörerische Macht (wie z. B. Freddy Kruegers Messerhand oder das riesige Maul des weißen Hais), versetzt dies die Kinder in Hochspannung.

Es sind aber nicht nur die eindeutig altersunangemessenen Sendungen, die mit nachhaltigen Angsterlebnissen einhergehen. Bei den Vorschulkindern beispielsweise entstammen die meistgenannten Filme (international und auch in Deutschland) u. a. der Marke Disney Classics, die fast alle ohne Altersbeschränkung freigegeben sind. Die Hexe bei Disneys Zeichentrickklassiker Schneewittchen (FSK 0) oder bei Arielle die Meerjungfrau (FSK 0) sind aufgrund ihrer dramatischen Inszenierung für viele Kinder angsterregend.

Wenn bei Bambi die Mutter erschossen wird oder Dumbo seine Mutter verliert, kann dies Ängste hervorrufen, die ein Kind an die Grenze des momentan Verkraftbaren bringen. Wie sehr Kinder emotional mitgehen, wird von Erwachsenen vermutlich oft unterschätzt. Kinder sind in ihrer Sensibilität sehr unterschiedlich und für die Eltern stehen hier zu wenig unterstützende Informationen zur Verfügung.

Wann kommt es zu Albträumen?

In Studie 3 ("Fun and Fear from TV") mit 510 Kinder zwischen 7 und 13 Jahren aus fünf Ländern können 8 von 10 Kindern einen Albtraum vom Fernsehen spontan benennen und in Details malen. Auch hier wurden die Sendungen identifiziert und die Szenen analysiert.

Das Ergebnis: Zu Albträumen kommt es, wenn Kinder bisher Unvorstellbares sehen, was sich Menschen oder Kreaturen gegenseitig antun können. Bilder, wie Menschen andere lustvoll quälen, Blut fließt, Menschen leiden und sterben, übersteigen bei Weitem das auf alltäglichen Erfahrungen beruhende Weltbild von Kindern. Die physischen Gewalthandlungenre-inszenieren Kinder dann in ihren Träumen. Sie sind dann selbst das Opfer oder beobachten, wie anderen etwas angetan wird.

Von welchen Sendungen kommen bei Kindern in Deutschland am häufigsten Angsterlebnisse und Albträume?

In der Repräsentativstudie (Studie 1) wurden die 1.458 Kinder und Jugendlichen, die Angsterlebnisse hatten, nach dem Sendungstitel gefragt. Die meistgenannte Serie, die Kindern so richtig Angst gemacht hat, ist The Walking Dead (23 Nennungen)mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahre. Es folgen Grimm (18 Nennungen) und Tatort (15 Nennungen). Auch bei den Jugendlichen ist The Walking Dead (18 Nennungen) die meistgenannte Angstsendung, gefolgt von Saw, wo zum Beispiel eine Frau bei lebendigem Leibe mit einer Motorsäge zerteilt wird. Hier kann es zu traumatisierenden Erlebnissen kommen, die Kinder zum Teil über Jahre emotional belasten.

Rund die Hälfte der Filme, die Angst und Albträume bei den unter Zwölfjährigen verursacht, trägt jedoch eine FSK- (bzw. FSF-) Angabe "frei ab 12 Jahren". Hier verbirgt sich ein strukturelles Problem des Jugendmedienschutzes, denn in Deutschland dürfen ab 20 Uhr Sendungen mit einer Freigabe "ab 12 Jahren" gesendet werden. Es sitzen am Wochenende aber rund eine Million Kinder unter 12 Jahren vor dem Fernseher.

(IZI)

Was Eltern von Altersfreigaben wissen

Das IZI ließ im Oktober 2014 für Studie 4 1.019 repräsentativ ausgewählte Eltern befragen. Weniger als die Hälfte wusste, dass die FSK-Kennzeichnung keine Empfehlung, sondern eine Altersfreigabe ist.

Besonders im Osten Deutschlands ist dies wenig bekannt, so weiß dies in Thüringen z. B. nur jede dritte Mutter. Bei der 20-Uhr-Grenze gehen die meisten Eltern (88 %) davon aus, Sendungen ab dieser Uhrzeit seien ab 12 oder gar 14 Jahren freigegeben. Trotzdem lassen sie ihre Kinder diese Programme sehen.