Götz George alias Schimanski rüpelte vor mehr als zwanzig Jahren als Duisburger Kommissar durch den Pott. Jetzt kehrt ein Team ins Revier zurück. In Dortmund gehen gleich vier Ermittler an den Start - mit zwei Folgen pro Jahr. Der WDR etabliert damit neben dem Münster- und dem Köln-"Tatort" schon das dritte Schnüfflergespann in NRW. Zwei der Neuen, Fernsehpreisträger Jörg Hartmann ("Weissensee") und Shootingstar Aylin Tezel ("Almanya") verraten, was am "Tatort"-Phänomen und an der Ruhrgebietsmentalität dran ist.

TV SPIELFILM: Herr Hartmann, Sie leben in Potsdam, und Sie, Frau Tezel, in Berlin. Wie viel Ruhrpott steckt noch in Ihnen?

AYLIN TEZEL Fang du mal an, in dir steckt mehr Ruhrpott.

JÖRG HARTMANN Ich habe bis zu meinem 21. Lebensjahr in Herdecke bei Dortmund gelebt. Die wichtigen Jahre verbrachte ich also im Pott. Immer wenn ich wieder hierher komme, merke ich, wie vertraut mir alles ist - die Leute, die Mentalität.

AYLIN TEZEL Ich bin aus Bielefeld. In mir steckt also viel Ostwestfalen. Mit dem Ruhrpott verbinde ich vor allem Kindheit, da meine Großeltern in Recklinghausen und in Marl gewohnt haben.

Als Ostwestfalin wird man in NRW ja gern mal verspottet.

AYLIN TEZEL Da gibt es diesen ganz tollen Spruch: Kommste nicht von dieser Welt, kommste bestimmt aus Bielefeld.

Wie lässt sich das Ruhrgebiet am besten beschreiben?

JÖRG HARTMANN Ein Schauspielkollege, der lange Zeit in Dortmund gelebt hat und nun in Wiesbaden wohnt, erzählte mir mal: Wenn er in Wiesbaden zum Kiosk geht um Zeitung zu holen, dann ist er nach zwei Minuten wieder zu Hause. In Dortmund dauert das Ganze dann zwei Stunden.

Was ist dran am Massenphänomen "Tatort"?

AYLIN TEZEL "Tatort" ist ein Stück weit Kult, ein Format, mit dem man aufwächst und das aus der deutschen Fernsehlandschaft nicht wegzudenken ist.

JÖRG HARTMANN Der "Tatort" schafft es, dass die Familie zumindest einmal die Woche noch mal zusammenkommt.

Schauen Sie selbst regelmäßig "Tatort"?

JÖRG HARTMANN Ich war nie einer, der am Sonntag ab Viertel nach acht nicht gestört werden darf. In meiner Jugendzeit prägten mich natürlich die "Schimanski"-Episoden. Jetzt im Vorfeld zu den Dreharbeiten habe ich viel geschaut - man will ja wissen, was die Kollegen treiben.

Was ist anders oder neu am Dortmunder "Tatort"?

JÖRG HARTMANN Erstmals ermitteln vier Kommissare. Es gibt abgesehen von der Eingangssequenz keine Szene ohne Ermittler. Der Zuschauer ist immer an ihnen dran und weiß niemals mehr als diese.

Dortmund soll als Stadt im Umbruch präsentiert werden. Was kann der neue "Tatort" im Ruhrgebiet bewirken?

JÖRG HARTMANN Natürlich können wir nicht das Ruhrgebiet mit einem Krimi verändern. Aber den Leuten zu zeigen, dass Dortmund mehr hat als Schwarz-Gelb - dafür schlägt schon mein lokalpatriotisches Herz. Wenn wir das hinbekommen, würde ich mich tierisch freuen.

Bei Ihren Kollegen vom "Tatort" Münster spielt Humor eine tragende Rolle. Wie viel Witz lässt der Dortmunder "Tatort" zu?

JÖRG HARTMANN Der Münsteraner ist natürlich einzigartig auf dem Gebiet. Da versuchen wir gar nicht erst ranzukommen. Unserer wird ernster sein, aber natürlich kommt der Humor nicht zu kurz. Wir sind ja hier im Pott, und da geht man nicht zum Lachen in den Keller.

Til Schweiger schlug vor, den Fadenkreuz-Vorspann ab zuschaffen. Hätten Sie auch Neuerungsvorschläge?

AYLIN TEZEL Jörg, so wie du die "Tatort"-Melodie jeden Tag am Set mitgesummt hast, kannst du ja schon mal nicht dafür sein. Ehrlich gesagt wäre ich nicht besonders traurig, wenn eine neue Melodie kommt. Aber natürlich hätte die einen beschwerlichen Weg vor sich, ehe sie einen ähnlichen Kultstatus erreicht.

JÖRG HARTMANN Es ist müßig, darüber zu spekulieren. Wichtiger erscheint mir doch, was in den 90 Minuten danach passiert.

Macht es den "Tatort"-Job nicht auch geiler, wenn man weiß, dass mindestens sieben Millionen Leute zuschauen?

AYLIN TEZEL Bei welchem Format hat man das schon, so viele Leute auf einmal erreichen zu können?! Dieses große Interesse ist für uns ein Geschenk.

JÖRG HARTMANN Es ist ein Privileg. Selbst wenn wir die Erwartungen nicht auf Anhieb erfüllen sollten, sind wir nicht sofort weg vom Fenster.

Benjamin Seibring

Tatort: Alter Ego
SO 23.9. ARD 20.15 Uhr