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ZDF-Fernsehrat

Gremlins 15

ZDF
Jung, bunt, vielfältig? Der ZDF­-Fernsehrat wirkt eher wie ein Club der grauen Herren und Damen

Im neuen ZDF-Fernsehrat bleibt vieles beim Alten. TV SPIELFILM hat die erste Sitzung der TV-Aufseher besucht

Ein großes P prangt auf den Namensschildern der vier Pressevertreter. Die zehn privaten Interessenten, die sich herverirrt haben, sind mit einem B für Besucher markiert. Rotes Absperrband trennt das Häuf­lein Öffentlichkeit von den Akteuren, die in den großen Konfe­renzsaal des ZDF auf dem Main­zer Lerchenberg strömen.

Man fühlt sich in "Die Tagesschau vor 20 Jahren" gebeamt: Die Ex­ministerpräsidenten Klimmt und Beck nehmen Platz, die ehemaligen Bundesminister Rudolf Seiters und Franz Josef Jung schüt­teln Hände, dann eröffnet Ex­-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz die letzte Sitzung des 14. ZDF­-Fernsehrats.
Ein Querschnitt der Gesellschaft Ü-40
Als "Gremlins" schmähte Gün­ther Jauch einmal die Mitglieder dieser Art Gremien, die unseren öffentlich­rechtlichen Rundfunk beaufsichtigen und das Pro­ gramm überwachen. Eigentlich sollen sie einen Querschnitt der Gesellschaft repräsentieren.

In Wirklichkeit repräsentiere der ZDF­-Fernsehrat vor allem Par­teien und Politik, befand das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2014 und erklärte die Zusammensetzung des 77­-köpfigen Gremiums für verfassungswidrig. Der Rat wurde auf 60 Mitglieder gestutzt, der Einfluss der Politik beschnitten. Und: Das ZDF wurde zu mehr Transparenz verdonnert. Jahrzehntelang tagte der Fernsehrat hinter verschlossenen Türen, seit Neuestem darf die Öffentlichkeit rein.
Das große Grau in Grau
"Jünger und bunter" solle der neue Fernsehrat werden, ver­spricht der scheidende Vorsitzende Polenz zu Beginn der Sitzung. Doch das Bunteste im Saal sind einstweilen die Gläser mit Obstsalat auf den Tischen. Ansonsten blickt man auf viel Grau: graue Haare, graue Anzüge.

Einzig Ronald Voigt tanzt modisch aus der Reihe. Er vertritt den Gesellschaftsbereich "Zivil­ und Katastrophenschutz" und steckt in einer Feuerwehruniform. Voigt repräsentiert mit seinen 55 Jahren das Durchschnittsalter im Gremium. Im neuen Rat werden nur vier Mitglieder jünger als 40 sein. Offizielle Vertreterin der "Jugend" ist eine rüstige Siebzigerin, die der brandenburgische Seniorenrat entsandte.

Eine Stunde braucht der Fernsehrat, um 14 Tagesordnungspunkte routiniert durchzuhecheln. Meistens herrscht Einig­keit, sogar im Fall Böhmermann. Nachdem sich Reinhard Klimmt (SPD) als Fan und Stammzuschauer geoutet ("Meine Frau geht dann immer lesen") und Franz Josef Jung (CDU) pflichtschuldig die Grenzen von Satire angemahnt hat, wird die Linie des Intendanten mit ein paar wenigen Enthaltungen abgesegnet: Der Vertrag mit dem Comedian soll verlängert werden.
Der Rat in Zahlen
Mitglieder: 60
davon staatl. Vertreter: 20

Durchschnittsalter: 55*
Frauenanteil: 40 Prozent*

Aufwandsentschädigung: 6240 Euro pro Jahr plus 150 Euro Sitzungsgeld sowie Reisekostenerstattung

Sitzungsschwänzerquote 2015
: 31 Prozent

*Stand 8. Juli 2016
Vertreter für Muslime sind neu
Dann beginnt das große Stüh­lerücken: Der alte Fernsehrat geht, der neue nimmt die Plätze ein. Er besteht jedoch zur Hälfte aus Altmitgliedern. Ein Drittel sind Staatsvertreter aus Bund, Ländern und Kommunen - exakt so viele, wie der Spruch aus Karlsruhe gerade noch erlaubt. Aber der Arm der Politik reicht weiter: Rudolf Seiters sitzt fürs Rote Kreuz im Gremium, Rein­hard Klimmt ist, warum auch immer, Vertreter für "Kunst und Kultur".

Wer seit mindestens 18 Monaten kein politisches Amt innehatte, zählt nicht mehr als Politiker. Neu hinzugekommen sind u. a. Vertreter für Schwule und Lesben, für Muslime und fürs Internet. Ihre Sessel räumen mussten Abgesandte der Partei­en. Nach wie vor mitbestimmen dürfen der bemerkenswert zählebige Bund der Vertriebenen und die "Opfer des Stalinismus".
Im Schatten der Politik
Auch die Kirchen sind weiterhin stark vertreten. Ihre Stimme wird sogar an Gewicht gewinnen: Als die Wahl eines neuen Vorsitzenden auf der Tagesordnung steht, schlägt Franz Josef Jung Marlehn Thieme vor, die seit zwölf Jahren für die evangelische Kirche im Rat sitzt. Gegenvorschläge gibt es keine, die Kandidatin trägt ihre vorbereitete Bewerbungsrede vor. Dass sie auf Polenz folgt, war bereits im Vorfeld in den "Freundeskrei­sen" ausgekungelt worden. Ein Unions­-Freundeskreis, den Jung anführt, und eine SPD­-nahe Gruppe um Verdi­-Mann Frank Werneke treffen sich am Vorabend jeder Sitzung im Hotel und stimmen ihre jeweiligen Haltungen ab.

Den Verfassungsrichtern waren diese politisch dominier­ten Schattenfraktionen eigentlich ein Dorn im Auge. Deren Macht bleibt wohl auch in der 15. Amtsperiode ungebrochen. Marlehn Thieme wird mit 36 von 50 Stimmen gewählt und kündigt in ihrer vorbereiteten Antrittsrede an, das Amt im bewährten Stil ihres Vorgängers fortführen zu wollen. Derweil setzt sich der neue Internet-Vertreter einfach mal über das Fotografierverbot im Saal hinweg und twittert ein Handyfoto aus der Sitzung: "So sieht das übrigens aus im #Fernsehrat."

Wenn sich schon nicht viel ändert bei den ZDF­ Gremlins: Vielleicht wird ihre Arbeit zumindest ein bisschen transparenter.

C. Holst