Erfolgreiche deutsche Thriller-Reihen gibt es selten. Eine diese Regel bestätigende Ausnahme liefert alle Jahre wieder Jan Josef Liefers mit seiner Anwaltsfigur Vernau, die nun bereits zum achten Mal auf mehr oder minder eigene Faust ermittelt. Auch wenn - oder gerade weil - der Hauptcharakter in seiner Süffisanz durchaus Liefers' "Tatort"-Ermittler Boerne ähnelt und der deutsche Thriller bekanntlich dann doch oft klassische Krimizüge aufweist: Vernau funktioniert, das Publikum goutiert.
Das dürfte auch im aktuellen Film der ZDF-Reihe, die auf den Romanen der Autorin Elisabeth Herrmann basiert, kaum anders sein: In "Versunkene Gräber" verschlägt es den verschrobenen Juristen nach Polen, wo Ex-Kollegin Marie-Luise Hoffmann (Stefanie Stappenbeck) unter Mordverdacht steht. Wie findet sich Vernau zwischen Anschuldigungen, dunklen Friedhöfen und historischen Geheimnissen zurecht?
"Wir leben in schwierigen Zeiten. Was früher als unbedenklich galt, das ist heute, aus irgendwelchen Gründen, nicht mehr akzeptabel", lauten Vernaus erste Sätze, die sich als Übung vor dem Spiegel zur Vorbereitung auf einen Prozess entpuppen. So provokationsfreudig der Jurist abermals von Regisseur und Autor Josef Rusnak ins Drehbuch geschrieben wurde, so spontan ist der etwas affektierte Vernau auch: Prompt lässt er die Verhandlung sausen und fährt nach Polen, um Kollegin Hoffmann aus dem Krankenhaus abzuholen.
Die nämlich ist in einer düsteren Gruft auf einem polnischen Friedhof neben einer - wohlgemerkt frischen - Leiche aufgewacht und kann sich an nichts erinnern. Nun wird sie verdächtigt, den deutschen Gelegenheitsarbeiter Horst Schwertfeger umgebracht zu haben. Während ihre Erinnerungen aus dem Suff in dunklen Rückblickszenen langsam zurückkehren, glaubt Vernau - trotz eindeutiger Indizien - nicht eine Sekunde an Hoffmanns Schuld.
Außerpolizeiliche Ermittlungen entpuppen sich als kompliziert
Weil auch Hoffmanns Freund Jacek unter Mordverdacht steht und dessen Anwältin überhaupt nicht von Vernaus Anwesenheit und Schnüffeleien begeistert ist, entpuppen sich die außerpolizeilichen Ermittlungen als überaus kompliziert. Jacek schweigt und seine Verteidigerin kooperiert nur ungern, weil sie eigentlich der Deutschen die Schuld anhängen will. Nicht mit Vernau, der sich das gesamte Umfeld des Opfers vornimmt.
Was hat der grimmige, mit einer AK-47 bewaffnete Friedhofswächter Marek Jankowski (Wiesław Zanowicz) zu verbergen, und was des Opfers zwielichtiger Stiefbruder (Samuel Weiss), ein Auktionär ("Zwei meiner Ehen sind dran gescheitert"), der dem später Ermordeten 50.000 Euro geliehen hatte? Was weiß die Berliner Familie des Toten - und welche Rolle spielt ein alter Brief in Sütterlinschrift, der auf ein Geheimnis im Kontext der deutsch-polnischen Geschichte hindeutet?
Thriller hat sich zu viele Handlungsstränge vorgenommen
Rätselhafte Amnesie, geheimnisumwobene Historie und düstere Szenen neben Grabsteinen: Das geläufige Thriller-Repertoire wird jedenfalls auf den ersten Blick ausgeschöpft. Auf den zweiten Blick ist der Film, der sich ein wenig zu viele Handlungsstränge vorgenommen hat, dann aber doch kein zweites "Sieben": Dafür sorgt Liefers, der seine Figur - wie meist - etwas over the top und augenzwinkernd verkörpert, während er zwischen schönen polnischen Landschaften, Marzahner Plattenbauwohnungen und Auktionshäusern am Ku'damm ermittelt.
Bisweilen turnt er auch auf Balkonen umher und wird - so wie in einer absurden Szene - von den verdutzten Bewohnern gefragt, ob er nicht den Kühlschrank reparieren könne. Nicht minder humorvoll geben sich Figuren wie Sidekick Hüthchen (Carmen-Maja Antoni), die mal wieder aushilft - und sich diesmal gemeinsam mit Winfried Glatzeder undercover auf eine Alt-68er-Silent-Disko im Altenheim begibt.
Wie schon die Vorgängerfilme nimmt sich auch "Versunkene Gräber" nicht allzu ernst - ein charmanter Zug, der mit dem Thrillergenre eben nur teilweise zu vereinen ist.
Versunkene Gräber: am Montag, 27.11., um 20.15 Ur im ZDF.
Das Original zu diesem Beitrag "Versunkene Gräber: "Tatort"-Star Jan Josef Liefers ermittelt als Anwalt auf dem Friedhof" stammt von "Teleschau".