Ulrike Kriener ist eine Schauspielerin, die in Interviews oft betont, dass sie außerhalb ihres Berufs keine weiteren Hobbys hat, da dieser in seiner Vielfalt alle Interessen abdeckt. Obwohl sie sich darüber freut, dass ihre bekannteste Rolle "Kommissarin Lucas" endet und sie dadurch mehr Zeit für ihre Familie und Reisen hat, ist die 68-Jährige auch gespannt auf neue Filmprojekte.

Seit Jahrzehnten ist die vielseitige Schauspielerin, die einst mit "Männer" ihren Durchbruch feierte und bisher in über 80 Kino- und Fernsehproduktionen sowie unzähligen Lesungen zu sehen war, ein äußerst bekanntes Gesicht. Unvergessen ihr Auftritt als traumatisierte U-Bahn-Fahrerin in "Am Ende des Tunnels", für den ihr Mann Georg Weber das Drehbuch schrieb. Was kommt als Nächstes? Komödien, wie sie erzählt, dann dafür hegt Kriener eine besondere Leidenschaft. Zunächst aber ist das große Finale von "Kommissarin Lucas" am Samstag, 28. Oktober, 20.15 Uhr, im ZDF zu sehen.

teleschau: Frau Kriener, wie fühlt es sich an, die Rolle der Ellen Lucas nach 20 Jahren abzugeben?

Ulrike Kriener: Eigentlich gut. Natürlich habe ich auch eine Träne im Knopfloch, alles andere wäre auch komisch. Es war wirklich eine glückliche und privilegierte Zeit, in der ich diese Rolle spielen durfte. Ich habe das sehr, sehr gern gemacht und es genossen, mich mit meinen Kollegen und Kolleginnen immer wieder zu treffen, ob hinter oder vor der Kamera. Das ist der eigentlich schwere Abschied. Aber ich bin stolz darauf, dass uns die Reihe so gut gelungen ist und dass wir mit zwei so starken Folgen enden. 20 Jahre, das ist irgendwie eine runde Sache, und ich empfinde das als gut und richtig.

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an den Verlauf der Reihe denken?

Wir haben damals sehr stark angefangen. Sicherlich gab es zwischendurch auch mal einen schwächeren Film, aber die Entwicklung der Reihe insgesamt macht mich sehr stolz. Alle sind froh, dass es so ist, wie es ist: nämlich ein Riesenerfolg. Jetzt geben wir den Stab weiter an jüngere Kommissare oder an eine andere Kommissarin.

Ulrike Kriener: "Die Polizei geht mit 60 in den Ruhestand"

War das Ende zum jetzigen Zeitpunkt von langer Hand geplant?

Nein, das kann man so nicht sagen. Irgendwann fängt man an, darüber nachzudenken, was die Zukunft noch bereithält. Als ich 65 wurde, ging es mir so, denn mit der Rente beginnt eine andere Lebensphase. Ich wurde einmal von der Regensburger Polizei eingeladen, dem scheidenden Polizeipräsidenten eine Abschlussrede zu halten, da waren wir beide 60. Da wurde mir das erst bewusst: Die Polizei geht mit 60 in den Ruhestand.

Die weißhaarigen Kollegen vom Münchner "Tatort" witzeln gern, mit dem Rollator würde die Verbrecherjagd im Fernsehen unglaubwürdig. Sind Sie davon nicht noch zu weit entfernt?

Man kann immer irgendwelche Gründe finden, um noch ein bisschen weiterzumachen. Ich habe auch öfter gehört, Ulrike, du siehst doch noch so jung aus, du musst doch gar nicht aufhören. Nein, müsste ich vielleicht nicht, aber mir war immer wichtig, dass mein persönliches Alter und das der Rolle nicht furchtbar weit auseinander liegen. Es freut mich, wenn ich jünger wirke, aber ich bin 68 Jahre alt. 20 Jahre empfinde ich als guten Endpunkt für unsere erfolgreiche Reihe.

Sie hatten öfter gesagt, erschossen werden wollten Sie am Schluss auf keinen Fall. Inwiefern durften Sie über das Ende mitentscheiden?

Einen sentimentalen Schluss mit einer erschossenen Polizistin, so einen Heldentod, das mochte ich nicht. Darüber haben wir mit den Autor:innen, der Redaktion und der Produktion gesprochen. Wir haben einen Schluss entwickelt, der wirklich gut zum Charakter der Ellen Lucas passt. Das ist dem Können unseres Autors Christian Jeltsch zu verdanken, der schon viele grandiose Bücher geschrieben hat und den ich sehr schätze.

Was war Ihnen dramaturgisch und inhaltlich wichtig?

Wir haben uns Gedanken gemacht wie: Was ändert sich, wenn ich merke, ich werde älter? Der vorletzte Film zeigt diese Reflexionen der Kommissarin: Bin ich noch die, die ich früher war? Kann ich noch das, was ich früher konnte? Ist meine Intuition vielleicht nicht mehr so stark wie früher? Wo könnte ich Fehler machen? Wie lange kann ich mit meiner Erfahrung das kompensieren, was die anderen an Neuem und an Schnelligkeit mitbringen? Alles Fragen, die sich jeder irgendwann im Laufe des Lebens in Bezug auf die Anforderungen seines Berufs stellt. Aber auch auf andere Bereiche trifft das zu: Mein Mann ist Drachenflieger, er ist genauso alt wie ich. Und auch hier stellt sich irgendwann die Frage: Wann höre ich auf? Wie lange habe ich die Kraft und die Konzentration, das Ding zu tragen, fliegen, landen und starten?

Sind Sie auch schon mal mit einem Drachen geflogen?

Nein. Das ist gar nicht mein Ding, Risikosportarten. Mein Mann sieht das auch nicht als Risikosportart, aber er macht das auch schon sehr lange.

Was machen Sie statt des Drachenfliegens für Sportarten oder Hobbys?

Ich lese gerne, ich gehe gern spazieren. Sport mache ich notgedrungen, weil man es doch irgendwie machen sollte. Aber mein Beruf ist mein Hobby. Der deckt alle meine Interessen ab.

Sind Sie ein Familienmensch?

Na klar, sehr. Von meinem Mann aus erster Ehe gibt es auch Enkelkinder.

Gibt es etwas, das Sie aus Ihrer Zeit als Kommissarin Lucas vermissen werden?

Das sind die Menschen, mit denen ich die letzten Jahre gearbeitet habe, ohne Frage. Ein großer Teil des Teams war fast die ganze Zeit mit dabei. Wir haben uns sehr gut verstanden. Mit einigen habe ich immer noch Kontakt. Sehr genossen habe ich auch unser Catering, ich musste nicht kochen (lacht). Man brauchte nur zu arbeiten, großartig. Zum Glück kocht mein Mann sehr gerne. Aber ich genieße die Zeit, mit dem ganzen Team zusammen zu sein, man sitzt draußen auf Biergartenbänken und isst zusammen. Aber das habe ich natürlich auch bei anderen Filmen.

Kochen Sie nicht gerne, jetzt da Sie Zeit haben?

Ich bin nicht so eine wahnsinnig begeisterte Köchin, eher so eine Ausprobiererin. Es gibt aber auch Tage, an denen es mir Spaß macht. Ich lese gerne Rezepte und entdecke Sachen. Mein Mann kocht viel, und darüber bin ich auch sehr froh.

Man kennt Sie aus so vielen unterschiedlichen Rollen, aber die meisten Zuschauer bringen Sie sicher mit der Kommissarin in Verbindung. Wie viel von Frau Lucas steckt in Ihnen?

Schwer zu sagen. Ich glaube, ich bin eine relativ klare Person und sage, was ich denke. Das ist die Lucas bestimmt auch. Aber ich bin nicht so verkapselt wie sie, so abgeschlossen, so gehemmt darin, Gefühle zu zeigen. Sie ist relativ raubeinig und gibt knallharte Anweisungen an ihr Team. Sie ist nie konziliant und besonders vermittelnd, dabei sehr selbstverständlich in ihrem Führungsanspruch. Das wird ihr ja auch öfter vorgeworfen. Ich habe das sehr gern gespielt, weil ich es sehr Frauen-untypisch finde. Aber ich selbst bin überhaupt keine Chef-Ansagerin. Ich bin harmoniebedürftiger als sie und ich habe viel mehr Humor. Den hat sie gar nicht (lacht).

Deswegen auch der Hang zu Komödien? Schauen Sie die privat gerne an?

Ja. Sehr gerne, unbedingt. Man lernt dabei so viel. Und gute Komödie ist richtig, richtig schwer.

Sie engagieren sich für Kinder und Kinderhospize. Warum ist gerade das ein besonderes Anliegen für Sie?

Ich habe selbst ein Kind verloren. Dadurch habe ich das Gefühl, dass ich etwas mit den Eltern teilen kann, wenn ich mit ihnen Kontakt habe. Ich weiß einfach, um was es da geht. Das Sterben von Kindern ist ein sehr schweres, trauriges Thema, das man gern meidet. Und ich kann hier als prominente Person und Schirmherrin etwas bewirken und dieses Thema in die Öffentlichkeit holen.

Ulrike Kriener: Ich möchte gern meine schauspielerischen Möglichkeiten ausloten

Wie sieht Ihre Unterstützung aus? Gehen Sie selber in Hospize und besuchen die Kinder?

Unser Dienst hat nicht ein Hospiz als festes Haus. Das Besondere und Gute und Unterstützenswerte an dem Dienst ist: Wir haben ehrenamtlich ausgebildete Helferinnen, Sterbebegleiterinnen, die Kurse und Schulungen gemacht haben, die die Familien vor Ort betreuen. Die Eltern pflegen das Kind, solange es geht, zu Hause. Wenn es in ein Hospiz geht, dann ist es schon die letzte Phase. In diese Familien gehen unsere Begleiter:innen und kümmern sich vor allen Dingen um die Geschwisterkinder, um die Familien. Sie sind da, damit die Eltern mal eine Pizza essen gehen, Behördengänge erledigen, zum Frisör gehen oder mal was mit den anderen Kindern unternehmen können. Ich spreche über diesen Dienst, war auch schon in Familien, treffe die Ehrenamtlichen. Aktuell plane ich wieder einen Vorlesekurs für die Ehrenamtlichen, weil sie Spaß daran haben, von mir zu lernen, wie man lebendiger vorlesen kann.

Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?

Ich möchte gern meine schauspielerischen Möglichkeiten ausloten. Ich möchte wissen, was ich kann, und auch zeigen, was ich kann. Mein Herzblut geht zurzeit in Richtung Komödie. Außerdem würde ich gern eine jüngere Generation von Regisseurinnen und Regisseuren kennenlernen. Ich habe einfach noch riesige Lust zu arbeiten. Und dann möchte ich reisen, ich möchte meinen Sohn öfter sehen, und ich möchte mehr Freiheit.

Wenn Sie von Reisen sprechen: Wohin zieht es Sie?

Zum Beispiel nach Japan, weil mich das Land interessiert. Außerdem zieht es mich nach Brasilien, wo ich eine Freundin besuchen möchte, die ein Hilfsprojekt ins Leben gerufen hat, das ich unterstütze. Ich möchte gerne die Brasilianerinnen, die darin arbeiten, und die Frauen, die in dem Projekt unterstützt werden, besuchen. Natürlich immer wieder Lanzarote und Italien. Außerdem habe ich auch im nächsten Jahr zwei Filme in Aussicht. Ich verlagere einfach das Gewicht ein bisschen. Etwas mehr Freizeit, etwas mehr eigene Entscheidungen, etwas mehr Unbekümmertheit und Spontaneität.

Gibt es ein ganz konkretes Projekt, das jetzt ansteht?

Ja, gibt es. Ich werde am 26. Oktober in der Kreuzkirche Essen eine Lesung machen. Danach fange ich im November mit den Dreharbeiten für eine Komödie in Hamburg an.