ZDF/Kerstin Stelter

Franziska (Sophie von Kessel) ist manchmal ärgerlich über Markus' (Tim Bergmann) vermeintliche Arroganz. Ihr Mann Andreas (Wotan Wilke Möhring), der mit Markus eng befreundet ist, versteht seine Frau nicht.

Gut sieht er aus, sportlich und sehr lässig im grau-weiß karierten T-Shirt, brauner Sporthose und weißen Tennisschuhen. Tim Bergmann hat die Figur eines Leichtathleten, aber die Finger, die gerade durch das Fell von Mischlingshund Henry gleiten, der zu seinen Füßen liegt, sind für einen 1,90-Meter-Hünen erstaunlich schlank und schmal.

Pianistenhände, denkt man unwillkürlich, und auch die vollen, weichen Lippen passen besser zu einem leidenschaftlichen Künstler als zu einem verbissenen Leistungssportler. Der 36-Jährige verkörpert die perfekte Mischung aus Stärke und Sinnlichkeit, wie geschaffen für die Rolle des Frauenschwarms.

Bilder Tim Bergmann im Film

Und so kennt man ihn auch aus dem Fernsehen: als den Traummann, der in der Bestseller-Verfilmung "Mondscheintarif" eine Großstadtneurotikerin um den Verstand bringt, und der im Remake "Die Zürcher Verlobung - Drehbuch zur Liebe" Lisa Martinek in Verwirrung stürzt.

Aber der Münchner hat auch eine harte Seite. Er gibt den verbitterten Kommissar ("Racheengel - Die Stimme aus dem Dunkeln") genauso überzeugend wie den Kirmesboxer mit Hang zur Poesie ("Zärtliche Sterne"). Bergmann ist ein Fernsehroutinier. Als gelernter Theaterschauspieler versteht er sein Handwerk. Was ihm bislang fehlte, war eine Rolle, die ihm alles abverlangt. Eine Figur, die ihn zwingt, sich die Seele aus dem Leib zu spielen. So etwas, was der "Taxi Driver" für Robert De Niro oder der Joker für Heath Ledger im neuen "Batman"-Film war.

Eine Rolle, die alles von ihm verlangt

Diese Rolle hat er jetzt gefunden. In dem Drama "Ein riskantes Spiel" ist Bergmann als Architekt zu sehen, der an Leukämie erkrankt, just nachdem er seine Krankenversicherung gekündigt hat, weil er sie aus Mangel an Aufträgen nicht mehr bezahlen konnte. Sein bester Freund Andreas, ebenfalls Architekt und gespielt von Wotan Wilke Möhring, nimmt ihm die Sorge um die Behandlungskosten und leiht ihm seine Versicherungskarte.

Ein riskantes Spiel - ZDF, Mo., 20.10.2008, 20.15 Uhr: Hier vormerken!

Was er ihm nicht nehmen kann, ist die Angst vor dem Tod. Tim Bergmann spielt die Verzweiflung des Krebskranken mit einer Intensität, die verstört. Fahl und erschöpft sieht man ihn nach der Chemotherapie in der Klinik, den Kopf kahl, die Wangen zerfurcht. "Ich habe mir alle Haare abrasieren lassen", sagt der Schauspieler beim Interview.

In dem Fernsehfilm erscheint Tim Bergmann als ein Mensch, der am Ende ist, verzweifelt und vom Schicksal gezeichnet. Es fällt schwer, diese Bilder mit der gut gelaunten Person zur Deckung zu bringen, die einem an diesem sonnigen Spätsommertag in München gegenübersitzt. Die Haare sind längst nachgewachsen, der Latte Macchiato schmeckt, und aus Tim Bergmann sprudelt es nur so heraus, als könne er es kaum erwarten, über diesen Film zu sprechen, von dem er vielleicht ahnt, dass es der wichtigste seiner Karriere ist.

Ein Regisseur, der seinen Schauspielern alles abverlangt

Was ist es, das einen guten Schauspieler dazu bringt, seine Reserven anzuzapfen und über sich hinauszuwachsen? Im Fall von "Ein riskantes Spiel" kam einiges zusammen: ein genau recherchiertes Drehbuch der "Stern"-Autorin Frauke Hunfeld mit Dialogen, die nicht nach Papier, sondern nach echten Personen klingen. Ein Schauspielerkollege, Wotan Wilke Möhring, der sich auf das hoch emotionale Spiel einließ und dem beim Dreh die echten Tränen aus den Augen schossen. Und nicht zuletzt ein Regisseur, Johannes Fabrick, der von seinen Schauspielern ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit fordert und ihnen alles abverlangt.

Johannes Fabrick ist dafür bekannt, dass er mit Schauspielern eine Familienaufstellung durchführt. Das Verfahren stammt aus der Familientherapie: Der Patient wählt fremde Personen als Stellvertreter für seine Angehörigen, mit denen er sich auseinandersetzt. Ängste und Wut drängen aus ihm heraus. Manche brechen zusammen.

Bei der Vorbereitung eines Drehs ist alles weniger schlimm, weil sich die Schauspieler in ihren Rollen gegenüberstehen. Aber es geht auch hier um echte Gefühle, die zwischen ihnen entstehen. Die Anweisungen aus dem Drehbuch vermischen sich mit dem, was der Schauspieler gegenüber seinen Kollegen in ihren Rollen empfindet.

Den Schauspieler reizt der Widerspruch

Manche Darsteller halten das für ein überflüssiges Psychospiel. Nicht so Tim Bergmann. Das Thema ist ihm so wichtig, dass seine Augen blitzen und er so heftig mit den Armen gestikuliert, dass der Hund zu seinen Füßen verwundert den Kopf hebt. Den Schauspieler reizt der "Widerspruch zwischen dem, was gesagt werden muss, und was durch die Erfahrung der Aufstellung gefühlt werden kann".

"Ich hasse dich", als Satz ausgesprochen, kann auf der Gefühlsebene bedeuten "Ich liebe dich". Die Kunst besteht darin, beides in einem Moment zu vereinen. Damit der Schauspieler vor der Kamera nicht wie ein Automat agiert, sondern wie ein Mensch, in all seinen Widersprüchen. Tim Bergmann gelingt das.

Rainer Unruh