Ein Stück Fernsehgeschichte geht zu Ende. 22 Jahre hat Sabine Postel als Tatort-­Kommissarin Inga Lürsen in Bremen ermittelt. Oliver Mommsen, als Hauptkommissar Stedefreund seit 2001 der Mann an ihrer Seite, bringt es auf 18 ­Jahre. Am Ostermontag läuft ihr letzter Fall. "Wo ist nur mein Schatz geblieben?", gedreht von Florian Baxmeyer, der fast so etwas wie der Hausregisseur der Bremer ist. Ein Gespräch über Krimis, Geld und Konkurrenz.

Ihr letzter gemeinsamer Fall: Durften Sie sich zum Abschluss etwas wünschen?
Oliver Mommsen: Wir haben uns etwas gewünscht und es auch bekommen: Florian Baxmeyer als Regisseur. Wenn jemand Inga Lürsen und Nils Stedefreund kennt, dann Florian.
Sabine Postel: Ich habe über die Jahre gelernt, dass ich Florian vertrauen kann. Wenn er etwas anfängt, dann kommt was Gutes dabei heraus.
Mommsen: In diesem Fall nicht einfach nur was Gutes, sondern eine Rockoper.

Warum hören Sie eigentlich auf?
Postel: Wir wollten beide noch mal was anderes machen. Zwei Folgen Tatort und 13 Episoden "Die Kanzlei" pro Jahr, damit war ich voll ausgelastet. Ich habe seit zehn Jahren keinen Urlaub mehr gemacht.
Mommsen: Achtzehn Jahre bin ich schon dabei, habe meinen Dienst an der Plastikwaffe absolviert, ich bin jetzt volljährig und sollte gehen.
Postel: Viele haben unseren Entschluss nicht verstanden. Natürlich leckt man sich als Schauspieler danach die Finger, Tatort-Kommissar zu werden. Aber irgendwann ist auch die Zeit für Veränderungen gekommen.

Es gibt inzwischen 23 Tatort-­Teams. Hat das Amt des ­Kommissars dadurch an Bedeutung eingebüßt?
Mommsen: Tatort bedeutet immer noch: Du kriegst die besten Regisseure, die besten Kollegen und ziemlich gute Arbeitsbedingungen: Sehr viel besser geht nicht in Fernsehdeutschland.
Angesichts der vielen Krimis fragt man sich, ob man noch neue Storys erzählen kann.
Florian Baxmeyer: Das stimmt, selbst eine Serie wie ­"Babylon Berlin" ist eine Polizei- und Kriminalgeschichte. Aber was den Tatort aus Sicht des Regisseurs auszeichnet, ist die relativ große Freiheit, die man genießt. Man kann einer Episode seinen Stempel aufdrücken. Bei anderen Formaten im Fernsehen gibt es sehr viel mehr Vorgaben, die den Look, die Tonalität und die Story betreffen.

Welche Bremer Episode ist Ihnen besonders im Gedächtnis haften geblieben?
Mommsen: "Brüder" (Fall von 2014 um einen arabischen Clan) hat eine enorme Wirkung gehabt. Nach "Brüder" haben mir fremde Menschen auf die Schulter geklopft und gesagt: "Hammer!" Es passiert mir heute noch, dass Autos neben mir an der Ampel halten, einer kurbelt das Fenster runter und schreit: "Ey, ‚Brüder‘ war geil!"
Postel: Ich denke immer noch gern an "Schiffe versenken" (2009) zurück, das war ein ungewöhnlicher Film, der zu großen Teilen an Bord eines Schiffs spielt.

Ist auch mal eine Folge in die Hose gegangen?
Mommsen: Ja, aus meiner Sicht gibt es leider einen Bremer Tatort, den ich in die Tonne treten muss: Das war der über künst­liche Intelligenz ("Echolot" von 2016). Entweder hast du ganz viel Geld, oder du hast eine ­Vision. Wir hatten weder das eine noch das andere, und deshalb reichte es nur zum Mittelmaß.

Gucken Sie weiter Tatort?
Postel: Ich bin passionierter Tatort-Gucker und zeichne mir auch Folgen auf, die ich zum Ausstrahlungstermin nicht sehen konnte. Ich schaue mir gern die Kölner und Münchner an, mit denen ich gemeinsam angefangen habe, das ist für mich besonders spannend zu sehen, was die gerade so machen. "Solidarischen Wettkampf" nenne ich das.

Man kann Sie sich kaum ohne Oliver Mommsen vorstellen.
Postel: Ich habe schon vor ­
Oli­­ver ein paar Männer verschlissen.

Aber dann haben Sie Oliver ausgeguckt?
Postel: Ja.
Mommsen: Wusste ich gar nicht.
Postel: Wir suchten einen Gegenpart zur Altachtundsechzigerin Inga Lürsen.
Mommsen: Es sollte ein Spießer sein. Deshalb kam ich zum Casting im Pullunder. Leider war mein Haar wegen einer anderen Rolle noch rot. Ich sah aus wie Pumuckl.
Postel: Es gab noch drei andere Kandidaten, aber mit Oliver war es dann Liebe auf den ersten Blick.

Und dann ist der Regisseur Florian Baxmeyer zu Ihnen gestoßen.
Baxmeyer: Es gab nie einen Deal von der Art, dass ich immer die Bremer Tatort-Folgen drehen sollte. Wir haben immer von Folge zu Folge verhandelt.

Alle Welt redet von Serie. Sie auch?
Postel: Ich liebe britische Serien wie "The Crown": Da sieht man, wie viel Geld die Macher ausgeben, damit alles prächtig aussieht.

Staffel eins von "The Crown" soll mehr als 110 Millionen Euro gekostet haben. Das kann sich kein deutscher Sender leisten.
Postel: Warum eigentlich nicht? Schließlich ­fließen rund acht Milliarden Euro an Gebühren in die Kassen des öffentlich-­rechtlichen Rundfunks. Das Geld sollte für die Dinge genutzt werden, die wir schätzen.

Tatort-Highlights der nächsten 14 Tage

Tatort: Inferno
Internistin Mohnheim wurde im Ruheraum der Klinik erstickt. Während seine Kolleginnen über das Wie und Warum rätseln, sitzt Hauptkommissar Faber beim Psychologen des Hauses auf der Couch.
SO 14.4. Das Erste 20.15

Tatort: Es ist böse
In ihrem dritten Fall klärten Conny Mey (Nina Kunzendorf) und Frank Steier (Joachim Król) eine Mord­serie unter Frankfurter Prostituierten. Harter Psychokrimi über die toxische Wirkung von Verbrechen.
DI 16.4. Bayern 22.00

Tatort: Die Liebe, ein seltsames Spiel
Architekt Jacobi (Martin Feifel) verheddert sich in fünf Affären. Nach der zweiten Toten ändern Batic und Leitmayr den Spielplan. München-Fall aus dem Jahr 2017.
SO 21.4. Das Erste 20.15

Tatort: Wo ist nur mein Schatz geblieben?
Er sagt nicht, was er weiß, sie holt sich eine blutige Nase: Der letzte Fall wird den Bremern Lürsen und Stedefreund zur Belastungsprobe.
MO 22.4. Das Erste 20.15

Tatort: Der große Schmerz
…ist überwunden: Til Schweiger steht für einen Neuanfang in Hamburg bereit. Bis dahin hier noch mal der Kampf gegen Firat Astan ­(Erdal Yildiz, der längst selbst Kommissar sein sollte) und Helene Fischer, die als lederne Rächerin Leyla nicht unbedingt noch mal kommen muss.
DO 25.4. WDR 20.15