Berlin (dpa) - 20 Jahre lang spielte Senta Berger die Kriminalrätin Eva Maria Prohacek in "Unter Verdacht". Am Samstag läuft im ZDF die letzte Episode. Der Film- und Fernsehstar im dpa-Interview über alte Filme, neue Pläne und eine Rolle, die die heute 78-Jährige später bereut hat.
dpa: Frau Berger, die Kritik liebt Sie, das Publikum liebt Sie, warum hören Sie bei "Unter Verdacht" auf?
Senta Berger: Es liegt doch auf der Hand. Es geht um Glaubwürdigkeit. Eva Maria Prohacek ist Beamtin. Das heißt, sie müsste schon längst in Rente geschickt worden sein. Freiwillig wäre sie vielleicht nicht gegangen. Aber das ist dann halt so. Ich bin deutlich älter als die Eva. Und ich finde, langsam sieht man es jetzt auch. Ich wollte der Figur ihre Glaubwürdigkeit bewahren und damit auch den Geschichten, die wir mit ihr erzählen.
Ich dachte, nach 30 Filmen und fast 20 Jahren einen Schlusspunkt zu setzen, ist eine gute Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe das auch mit meinen beiden Kollegen besprochen. Und beide waren meiner Meinung. So leichte Ermüdungserscheinungen hat es vielleicht auch bei ihnen gegeben. Und dann haben wir unsere Entscheidung der Redaktion mitgeteilt.
Sie haben in 30 Filmen diese Figur verkörpert. Diese Kriminalrätin hat 18 Jahre lang hervorragende Quoten erreicht. Was ist das für ein Gefühl, den letzten Krimi abgedreht zu haben?
Es sind widersprüchliche Gefühle. Zum einen spüre ich Erleichterung, dass ich das so entschieden habe. Zu einem Zeitpunkt, wo ich auf der Straße immer noch angesprochen werde: "Ist das wahr? Ach wie schade. Wir sahen diese Reihe so gerne." Das ist schön, dass man zu einem Zeitpunkt geht, wo man einen Erfolg hinter sich lässt, und die Arbeit nicht versandet. Dass wir die Entscheidung getroffen haben. Der Kern sozusagen - und nicht von der Redaktion. Das empfinde ich als eine angenehme Situation.
Natürlich mischt sich da Wehmut in diese Gedanken, in diese Gefühle. Und wie könnte das auch anders sein? Es ist ja nun wirklich ein Kapitel meines Lebens. Und das ist zu Ende gegangen. Den Abschied selbst realisiert man ja erst viel später. (...) Aber es gibt ja auch noch andere Arbeiten. Ich löse mich zwar langsam aus dem Beruf, aber noch nicht ganz. Wahrscheinlich drehe ich sowieso im Herbst einen Fernsehfilm in Berlin.
Lesetipp
Der nächste neue Film, den wir im Fernsehen sehen können?
Eine schöne Geschichte. Der Titel ist "Martha und Tommy". Jonathan Berlin spielt einen jungen Mann, der in einer verzweifelten Situation ist und ich bin Martha, die nicht mehr leben möchte. Die beiden helfen sich ins Leben zurück. Aus dem Schatten.
Sie haben ja unglaublich viele Filme gedreht, etwa in der Edgar-Wallace-Reihe. Schauen Sie sich noch alte Filme mit Senta Berger an?
Sehr alte Filme schon. Das ist ja ein Vergnügen. Aber Filme, die so zehn Jahre zurückliegen, ungern. Filme aus den 60ern schaue ich mir unbedingt an. Ich finde es rührend. Im Heimatkanal bringen sie immer wieder "Diesmal muß es Kaviar sein" und "Es muß nicht immer Kaviar sein". Und ich bin fasziniert - von allem. Wie ich mich bewege - schlecht. Meine Stimme - zu hoch. Das Österreichische kommt immer durch. Was ich mache - zu viel. Einmal spielte ich eine Französin - so habe ich mir Französinnen vorgestellt. Es rührt mich zutiefst.
Gibt es denn Filme, wo Sie im Nachhinein sagen: "Hätte ich den bloß nicht gedreht"?
Ja, sicherlich. Es gibt ja Irrtümer, Ängste und Kurzschlüsse. Aber es ist nicht so, dass ich sagen muss: "Oh Gott, was hab ich da gemacht." Nein. Noch vor zehn bis 20 Jahren wurde in Deutschland gern über einen italienischen Film geschrieben, den aber kaum jemand hier gesehen hat: "Quando le donne avevano la coda". Das ist ein Drehbuch von der Lina Wertmüller. Und sie sollte auch die Regie machen, hat aber dann ein Angebot bekommen, das sie mehr interessiert hat. Der Film war ein riesiger Erfolg in Italien. Eine Parodie auf Steinzeitfilme und eine Parodie auf die römische Gesellschaft mit allen Verflechtungen, von Politik, Wirtschaft, Korruption. Der Film war harmlos, vielleicht zu harmlos.
In Deutschland hatte der Film den Titel "Als die Frauen noch Schwänze hatten".
In Deutschland lief gerade die unsägliche Welle der Sexfilmchen an wie "Schulmädchen-Report" und so weiter. Der Verleih war natürlich glücklich, dass man "Coda", also "Schweif", auch anders übersetzen könnte, und hat ganz stark damit gespielt. In dieser Kategorie wurde der Lina-Wertmüller-Film beworben. Dafür wurde ich dann verantwortlich gemacht. Ich habe mich jahrelang gegen den Vorbehalt einzelner Journalisten wehren müssen: "In Italien hat sie auch einen Softporno gedreht."
Erst habe ich es dann richtig gestellt und dann habe ich es irgendwann gelassen. Es war einfach ärgerlich. Damals hab ich öfter gedacht: Ich hätte es vielleicht doch nicht machen sollen. Was bleibt über von diesem Film? Nichts außer den Fotos. Und die Fotos kursieren überall und vermitteln einen Eindruck, der so gar nicht richtig ist.
Vielleicht noch ein Blick nach vorne: Sie deuteten an, dass Sie eher in größeren Intervallen arbeiten wollen. Wollen Sie mehr das Leben genießen? Was machen Sie mit der Zeit?
Ich habe das Leben immer genossen und werde es weiter tun. In einer ruhigeren Form. Ich löse mich langsam aus dem Beruf. Ich könnte genauso gut sagen: Der Beruf löst sich langsam von mir. Und beides stimmt. Und mir wird sobald nicht langweilig werden, da können Sie sicher sein. Ich hoffe, dass mein Mann und ich gesund bleiben. Das ist eigentlich alles.
ZUR PERSON: Die Österreicherin Senta Berger gehört seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Film- und Fernsehschauspielerinnen im deutschsprachigen Raum. Sie spielte am Burgtheater und bei den ersten Adressen der deutschen Bühnenlandschaft, drehte Kinofilme und TV-Serien im In- und Ausland. TV-Zuschauer lieben sie unter anderem als Mona aus "Kir Royal" und Eva Maria Prohacek in "Unter Verdacht".