Der Rucksack ist gepackt, die Uhr tickt. Beim letzten Interview zu seinem neuen Krimi "Harter Brocken: Die Kronzeugin" steht Aljoscha Stadelmann unter Zeitdruck. Der nächste Termin wartet, die Bahn wahrscheinlich nicht. Aus der Ruhe bringen lässt sich der 43-Jährige aber nicht. Das ist nicht seine Art.

Mit sanfter Stimme antwortet er auf die erste Frage, wie er sich denn den großen Erfolg des ersten "Harter Brocken"-Films erkläre, der im März 2015 mit seinem Mix aus Provinzwestern und Heimatkrimi Kritiker und mehr als sieben Millionen Fernsehzuschauer entzückte. "Das muss ich mir gar nicht erklären." Dann überlegt er, nimmt sich Zeit und streift sich durch den Bart. "Ich freue mich einfach, dass die Leute anscheinend gut finden, was ich mag."

WDR

Aljoscha Stadelmann in "Tatort: Der Fall Holdt"

So entspannt und umgänglich kennt man Stadelmann nicht aus ­seinen Rollen. Im "Tatort: Der Fall Holdt" spielte er gerade erst einen gewalttätigen Ehemann, und für den Film "Freiland" aus dem Jahr 2014 mimte er einen ausgetickten Wut­bürger mit Augenklappe. Der Strahle­mann gefällt sich als Antagonist.

Regisseur Olivier Assayas machte ihn 2010 in "Carlos - Der Schakal" auch international zum bösen Buben. In der Filmbiografie des vene­zolanischen Terroristen Ilich Ramírez Sánchez verkörpert Stadelmann den deutschen Wilfried "Bonnie" ­Böse, ­einen Mitgründer der linksextremis­tischen Terrorgruppe "Die Revolutionären Zellen" aus den Sieb­ziger- und Achtzigerjahren. "Ich ­wurde für Carlos zu einem Casting eingeladen und habe mich scheinbar nicht allzu blöd angestellt", sagt Stadelmann schmunzelnd. Ganz im Gegenteil. Die Zusammenarbeit verläuft sogar so gut, dass der gelernte Theaterschauspieler an der Seite von Oscar-Preisträgerin ­Juliette Binoche und Hollywood-Star Kristen Stewart vier Jahre später für Assayas "Die Wolken von Sils Maria" wieder vor der Kamera steht. Warum er erneut mit ihm drehen durfte, ­habe er den französischen Regisseur nie gefragt, sondern es einfach so hingenommen und sich gefreut.

Zwischen all den finsteren Gestalten erinnert sein gar nicht mal so harter Brocken, der bärtige Dorf­polizist Frank Koops, schon mehr an den gebürtigen Wuppertaler Stadelmann. Zwar muss Koops häufiger mit strengem Tonfall und scharfer Waffe dazwischenhauen, um die Schurken zur Ordnung zu mahnen. Doch aus der Ruhe gerät der Staatsdiener aus St. Andreasberg selbst beim actionreichen Shoot-out im Wildweststil nicht.

Vielleicht ist er deswegen seinem Darsteller so sympathisch, obwohl er Koops außergewöhnliche Freizeitaktivitäten nicht teilt: "Das Specksteinschnitzen stand schon im Drehbuch, und Halma kann ich auch nicht spielen." Wenn er die Figur aber mit seinen "Tatort"-Rollen vergleiche, sei ihm der Harzer Bulle persönlich viel näher. Beide eint eine verschmitzte Gelassenheit. Als Zuschauer wären ihm diese charakterlichen Gemeinsamkeiten entgangen - einen Fernseher besitzt der zurzeit am Deutschen Schauspielhaus Hamburg engagierte Bühnenstar nämlich nicht. Und auch vor der Leinwand sitzt er nur noch selten. "Wenn ich mal ins Kino komme, dann sind es meist Comicverfilmung, die ich zusammen mit meinem großen Sohn geschaut habe."
Umso schöner also, dass sich die beiden Charaktere trotzdem gefunden haben und "Harter Brocken" jetzt sogar zu einer Reihe wird. Ein dritter Teil ist bereits abgedreht und läuft am 25. Dezember im Ersten - ein Ende scheint nicht in Sicht.

Würde sich Aljoscha Stadelmann bei einer zukünftigen Episode auch gern mal als Regisseur versuchen? Immerhin arbeitete er früher am Theater als Regieassistent. "Und als Requisiteur", wirft er lachend ein. Ausschließen wolle er das nicht, aber dann auch noch die tragende Hauptrolle zu spielen, das fände er schwierig. "Das müsste eine Folge sein, in der Frank Koops nicht so oft zu ­sehen ist." Nach dem Erfolg des ersten Teils zu urteilen, scheint der ­Zuschauer gerade das nun aber nicht zu wünschen.